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Gegen Atomkraft klebt Dietmar Schütz auch schon mal Plakate.

© promo

BEE-Präsident Schütz: "Spätestens 2050 gibt es nur noch Ökostrom"

Dietmar Schütz, Präsident des Bundesverbandes der Erneuerbaren Energien, spricht im Interview über Akw, steigende Strompreise und neue Windräder.

Herr Schütz, was ist Ihr Tipp: Wie viele Jahre länger werden die Akw laufen?

Ich hoffe gar nicht. Denn es wäre Gift für die Erneuerbaren. Ich glaube, dass die Regierung sich jetzt nicht nur die Szenarien anschaut, sondern auch, wie viele Jahre Laufzeitverlängerung sie ohne Zustimmung des Bundesrates durchsetzen kann. Das Justizministerium glaubt an dreieinhalb Jahre, das Umweltministerium an acht Jahre. Ich tippe, am Ende wird es eine Verlängerung am oberen Ende dieser Spanne geben – auch wenn ich persönlich dagegen bin.

Warum wäre eine Verlängerung Gift?

Zunächst sind Atomkraftwerke nicht so regelbar, wie es nötig wäre, um den flexiblen Strom aus Wind und Sonne auszugleichen. Zum Zweiten haben sich die Unternehmen unserer Branche wie auch viele Stadtwerke bei ihren Investitionsentscheidungen darauf verlassen, dass die Akw nach und nach vom Netz gehen, wie es im geltenden Gesetz beschrieben ist. Wenn das nicht mehr gilt, verändert das alle Planungen und macht viele Investitionen nachträglich unrentabel.

Heute erzeugen wir hierzulande rund zehn Prozent der Energie regenerativ. Wann werden es 100 sein?

Beim Strom wird das schnell gehen. Da sind es heute schon 16 Prozent. Und wir glauben, dass Deutschland 2020 schon 47 Prozent des Stroms erneuerbar erzeugt. Die Bundesregierung glaubt, dass 30 bis 38 Prozent möglich sind in zehn Jahren. Bis 2040 oder 2050 wird der Strom komplett aus regenerativen Quellen stammen. Bei der Wärmeerzeugung, wo die Hälfte der Energie verbraucht wird, bin ich skeptischer.

In einer Studie Ihres Verbandes heißt es, in den kommenden zehn Jahren könnten 235 Milliarden Euro in den Ausbau der Erneuerbaren fließen, wenn die Bedingungen stimmen. Was heißt das konkret?

Wir haben berechnen lassen, welche Investitionen in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr durch den Ausbau der erneuerbaren Energien ausgelöst werden. Danach summieren sich die Gesamtinvestitionen bis zum Jahr 2020 auf rund 235 Milliarden Euro. Richtige Bedingung heißt: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz muss weiter gelten. Außerdem brauchen wir zusätzlich den Ausbau von Netzen, vor allem in Nord-Süd-Richtung, und Investitionen in Speichertechnologien.

Wer soll das bezahlen?

Wir gehen davon aus, dass der Erzeugerpreis für erneuerbaren Strom noch steigen wird, von heute gut zwei Cent je Kilowattstunde auf rund 3,5 Cent pro Kilowattstunde beim Haushaltsstrom.

Also zahlen die Verbraucher.

Die werden eine Zusatzbelastung ertragen müssen und auch der Staat muss Investitionen tätigen, um den Weg in die Erneuerbaren zu gehen. Das muss man ganz ehrlich sagen. Der Umbau zu einer klimafreundlichen Energiewirtschaft ist nicht zum Nulltarif zu haben. Aber das Geld ist gut angelegt. Und man darf nicht vergessen, dass die Erneuerbaren allein im vergangenen Jahr externe Kosten in Höhe von 5,1 Milliarden Euro vermieden haben. Das sind Kosten für Klima-, Umwelt-, Gesundheits- und Materialschäden, die durch die Verwendung fossiler und atomarer Brennstoffe ansonsten entstanden wären, die im Preis dieser Technologien aber nicht enthalten sind. Allein im letzten Jahr haben die Erneuerbaren auch Brennstoffimporte in Höhe von 6,4 Milliarden Euro substituiert.

Laut Ihrer Studie sollen 2020 rund 28 Milliarden in Erneuerbare investiert werden, mehr als doppelt so viel wie 2009. Wo wollen Sie die ganzen Windräder aufstellen?

In den deutschen Küstenregionen stehen fast überall ältere Windräder mit relativ geringer Leistung von einem halben Megawatt. Heute gibt es schon Räder, die sechs Megawatt bringen. Wenn wir diesen Austausch vorantreiben, könnte man allein mit Wind die drei- bis vierfache Menge Strom erzeugen. Und in Süddeutschland stehen heute kaum Windräder, obwohl auch da vielerorts genügend Wind weht.

Wegen des Widerstands gegen die Räder?

Da gibt es Probleme bei den Höhenbeschränkungen, bei Raumordnungsverfahren, bei der Ausweisung von Bauland. Dadurch werden zu wenige Standorte für Windkraft ausgewiesen. Ich komme ursprünglich aus der Umweltschutzpolitik und kenne das Thema seit 20 Jahren, all die Debatten über die Verspargelung der Landschaft. In den Jahren habe ich gelernt, dass Windräder heute nicht mehr zu nah an bewohnten Gebieten aufgestellt werden sollten. Es hat sich viel getan. Es gibt heute auch neue Finanzierungsmodelle, mit denen man Bürger besser an den Gewinnen aus der Windkraft beteiligen kann. Auch die können die Akzeptanz deutlich stärken.

An Akzeptanz mangelt es auch beim Bau neuer Stromleitungen.

Wir müssen gemeinsam mit der klassischen Stromindustrie der Bevölkerung und auch den Naturschutzverbänden deutlich machen, dass wir neue Leitungen brauchen, um das Klima zu schützen. Was bringt es, eine Stromtrasse zu verhindern, aus Sorge um ein brütendes Vogelpaar, wenn dafür das Klima insgesamt Schaden nimmt?

Die hohe Förderung von Fotovoltaikanlagen könnte noch einen Aufstand auslösen, wenn die Kunden merken, wie viel dafür auf ihren Strompreis geschlagen wird.

Das ist in der Tat ein Problem. Ich selbst habe vor zehn Jahren am Erneuerbare- Energien-Gesetz mitgearbeitet, in dem die Vergütungssätze für regenerativen Strom geregelt sind. Ich habe mich schon damals für die Degression stark gemacht. Wir müssen dafür sorgen, dass die Erzeugungskosten für Solarstrom kontinuierlich nach unten gehen.

Beim Strom passiert viel. Was aber ist mit der Wärmeerzeugung?

Derzeit werden nur rund acht Prozent der Wärme regenerativ erzeugt. Um da aufzuholen, muss zum Einen das Marktanreizprogramm der Regierung aufgestockt werden auf eine Milliarde Euro im Jahr. Außerdem muss es mehr Effizienzanreize im Wohnungsbau geben. Und das Bürgerliche Gesetzbuch muss so geändert werden, dass ein Immobilienbesitzer eine klimafreundliche Investition längerfristig auf die Miete umlegen kann als wie heute nur über drei Jahre.

Sie wollen mehr Rechte für Vermieter?

Wir wollen, dass der Vermieter so weit gestärkt wird, dass er seine Mieter in dem Umfang belasten kann, wie der von den Energieeinsparungen profitiert. Umgekehrt wollen wir aber auch, dass der Mieter seinen Vermieter zur Investition bewegen kann, wenn der energetische Standard nicht akzeptabel ist. Wir sind uns der Problematik bewusst, dass der Umbau der Energiewirtschaft Geld kostet. Daher müssen wir alle Maßnahmen mit Mieter- und Verbraucherverbänden regeln. Man darf die Leute nicht überfordern, aber man darf sie fordern.

Das Interview führte Kevin P. Hoffmann

ZUR PERSON

DER LOBBYIST

Dietmar Schütz ging 1987 für die SPD in den Bundestag und arbeitete dort unter anderem im Umweltausschuss. Er war maßgeblich an der Gestaltung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) beteiligt, das im Jahr 2000 verabschiedet wurde. Seit 2008 ist er Präsident des BEE.

DER VERBAND
Der Ende 1991 gegründete Bundesverband der Erneuerbaren Energien (BEE) ist die Dachorganisation von 22 Verbänden aus den Bereichen Wasserkraft, Windenergie, Bioenergie, Solarenergie und Geothermie.

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