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Das Unternehmen versteht sich als Hersteller im Premium-Segment.

© dpa

Spandau tiefgekühlt: Wie Florida-Eis die Großkonzerne ärgern will

Seit 30 Jahren ist Olaf Höhn mit Florida-Eis im Geschäft. Und der Chef ist sicher: Der Markt kippt zu seinen Gunsten. Doch noch ist der Umsatz überschaubar.

Wenn Olaf Höhn wollte, könnte er sein Unternehmen Florida-Eis verkaufen und sich sorgenfrei zur Ruhe setzen. Er ist 64, ein Genießertyp – also, warum nicht? Ein Angebot würde sich finden. Außerdem ist Höhn überzeugt: „Meine Eismanufaktur ist Weltkonzernen wie Unilever oder Nestlé ein Dorn im Auge.“ Doch obwohl der Berliner Maschinenbauingenieur schon seit beinahe 30 Jahren nach gleichem Rezept produziert, glaubt er, dass seine persönliche Eiszeit gerade erst begonnen hat. „Der Markt kippt zu unseren Gunsten“, sagt Höhn.

Im vergangenen Jahr hat der Unternehmer eine neue Fabrik in Spandau eröffnet. Fünf Millionen Euro hat sie gekostet. Seine gesamte Altersvorsorge habe er in die Manufaktur gesteckt, sagt er. 4000 Quadratmeter hat die neue Produktionsstätte, Solarzellen und ein Windrad auf dem Dach. Die Lampen und Maschinen der Fabrik verbrauchen Ökostrom. Höhns Idee scheint zu funktionieren. Dass das Berliner Eis gluten- und laktosefrei, sogar CO2-neutral daherkommt, trifft offenbar genau den Nerv der Zeit.

"Wenn man ehrlich ist, braucht keiner Eis"

Zurück an den Schreibtisch geht es für Olaf Höhn am Abend nur mit einer kalten Erfrischung.
Zurück an den Schreibtisch geht es für Olaf Höhn am Abend nur mit einer kalten Erfrischung.

© Alice Epp

Doch nicht nur so will Höhn erklären, warum Florida-Eis Umsatz und Produktionsmenge in diesem Jahr voraussichtlich auf mehr als 2000 Tonnen verdoppeln wird. „Man kann schmecken, dass unser Eis von Hand gemacht wird“, wirbt er, der zur Verkostung aus seinem Büro in die Produktion hinuntergegangen ist. Im weißen Kittel und mit Haube ist er ein wahrer Eismissionar, der tausend Geschichten erzählen kann. Seine Produkte hätten eine besondere Konsistenz, einen außergewöhnlichen Geschmack und würden sich dadurch unterscheiden von industriell hergestelltem Eis, das Maschinen sekundenschnell ausspucken.

„Wenn Eis mit maschinellem Druck abgefüllt wird, zerstört das die feine Struktur und produziert Eiswürfel“, erklärt Höhn und fügt einen Satz hinzu, den niemand von einem Eisfabrikanten erwarten würde. „Wenn man ehrlich ist, braucht ja keiner Eis, außer Kinder nach der Mandel-OP.“ Wenn er schon ein Produkt herstelle, das ein gewisser Luxus sei, dann wolle er auch die maximale Qualität bieten. Dafür könne er auch einen entsprechenden Preis verlangen.

Selbst die Schokolade wird von Hand gehackt

Günstig ist das Spandauer Eis tatsächlich nicht. Ein halber Liter kostet fast fünf Euro. Damit hat Höhn sein Produkt im Luxussegment preislich leicht unter Wettbewerbern wie Ben & Jerry’s oder Häagen Dazs eingeordnet. Acht Millionen Euro Umsatz hat Florida-Eis im vergangenen Jahr erwirtschaftet. Im Verhältnis zur Mitarbeiterzahl von 250 in der Fabrik und den vier Eiscafés ist das ein überraschend niedriger Wert. „Sie stehen hier vor einem Inhaber, einem Überzeugungstäter, nicht vor einem Geschäftsführer“, sagt Höhn.

Jeder Eisbecher werde von Hand gefüllt, sogar die Schokolade fürs Stracciatellaeis werde manuell gehackt. Er denke nicht daran, zu rationalisieren. Am liebsten würde er noch 30 Leute mehr anstellen. Doch das ist gar nicht so leicht. Da Eisverkauf Saisongeschäft ist, im Sommer viel und im Winter wenig gearbeitet wird, finde er kaum Bewerber, klagt Höhn. Da hilft es wenig, dass er Ungelernte sucht und Mindestlohn bietet.

König Ludwig soll der neue Renner werden

Gerade wurde in der Eismanufaktur neben der Florida-Eis-Straße ein zweites Fließband aufgebaut: Die König-Ludwig-Straße. Vom bayerischen Königshaus hat Florida-Eis die Namensrechte für eine neue Produktlinie erworben. Ab Anfang Mai produzieren die Spandauer neben ihren mehr als 60 Sorten Florida-Eis 17 neue, noch hochwertigere und hochpreisigere Sorten unter dem Namen 'König Ludwig Glace Royale'. Etwa Apfelstrudel, Praliné 1984 und Bayrisch Crème mit feinem Holunder. „Ich träume davon, dass wir irgendwann zehnmal so groß sind wie jetzt“, sagt Höhn.

Bis zu seinem 82. Lebensjahr wolle er arbeiten – genau wie sein Vater, Chef eines Bäckereibetriebs. Hobbys habe er nicht, das Eis sei sein Leben. Jeden Abend um 18 Uhr gehe er hinunter ins Lager, nehme sich eine kleine Packung Vanilleeis. Zurück im Büro höre er Rockmusik aus den 60er- und 70er-Jahren, esse sein Eis und schaue glücklich aus dem Fenster. „Das ist der schönste Moment meines Arbeitstages“, sagt Höhn. Dann denke er über die Zukunft nach, wie er zum Beispiel sein Vertriebsnetz ausweiten könnte.

"Am liebsten würden die uns die Krawatte drehen"

Außer in den Florida-Eiscafés in Spandau und Alt-Tegel und in Supermärkten wie Real, Edeka Reichelt und Kaiser’s in Berlin gibt es Florida-Eis mittlerweile auch im Internet zu kaufen, im eigenen Online-Shop oder über Amazon. Die Pakete werden mit Trockeneisbeuteln und per Express-Lieferung verschickt. Außerdem beliefert Florida-Eis mit zehn Transportern Händler in ganz Deutschland.

Doch jeder Vertriebserfolg bereitet Höhn auch neue Sorgen. Früher, in seinem kleinen Eiscafé in Spandau, habe er nur in glückliche Gesichter geschaut. Inzwischen sei das anders. „Die großen Wettbewerber wollen uns mit allen Mitteln kleinhalten.“ Die Chefeinkäufer des Einzelhandels stünden unter enormen Druck – weil sie Florida-Eis verkaufen. „Am liebsten würden die uns die Krawatte drehen“, glaubt Höhn. Aber er werde sich nicht einschüchtern lassen.

Wie Olaf Höhn sein Florida-Eis herstellt, lesen Sie in der neuesten Ausgabe von Tagesspiegel KÖPFE.

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