zum Hauptinhalt
Unter Verdacht. Gerardo Diaz Ferrán leitete früher den spanischen Unternehmerverband.

© AFP

Spanien: Amigo-Kapitalist im Knast

Offiziell galt Gerardo Diaz Ferrán als mittellos. Bei einer Razzia entdeckten die Ermittler beim spanischen Ex-Arbeitgeberchef nicht nur einen ganzen Fuhrpark mit Luxusautos.

In Wirtschaftskreisen galt Gerardo Diaz Ferrán lange als Vorzeigeunternehmer, bei vielen Spaniern hatte er dagegen schon seit Jahren einen miserablen Ruf. Der ehemalige Präsident des spanischen Unternehmerverbandes CEOE – mit der Neigung zu ruppigen Worten – hatte seinen Landsleuten mehrmals erklärt, in der Krise müssten die Spanier mehr arbeiten und weniger verdienen. Dass solche Maßstäbe für ihn offenbar nicht galten, bewegt die Spanier seit der spektakulären Festnahme des 70-jährigen Diaz Ferrán Anfang Dezember und immer neuen Enthüllungen über den Spitzenfunktionär.

Bei einer Razzia in seinem luxuriösen Heim in Madrid hatte die Polizei 150 000 Euro in bar, ein Kilo Gold und elf Luxusautos gefunden, darunter auch ein Rolls Royce Phantom. Weitere 1,4 Millionen Euro fanden sich bei Durchsuchungen in anderen Städten. Dabei hatte der Unternehmer, dessen Reiseunternehmen Marsans 2011 mit Schulden von nahezu einer halben Milliarde Euro und dem Verlust von 5000 Arbeitsplätzen zusammengebrochen war, vor Jahren schon Privatinsolvenz angemeldet und sich als mittellos erklärt.

Der bekannte Geschäftsmann, der bis 2010 den spanischen Arbeitgeberverband CEOE führte, ist für viele Spanier ein Musterbeispiel des „Amigo-Kapitalisten“ mit besten Beziehungen zu staatlichen Institutionen und hochrangigen Politikern, die ihm lukrative öffentliche Aufträge zuschanzten. Bis zum Beginn der Wirtschaftskrise war es ihm gelungen, einen Konzern mit Reisebüros, Hotels, Busunternehmen und eigener Luftlinie aufzubauen. Bekannt wurde Diaz Ferrán auch in Deutschland, als Ende 2009 seine Air Comet überschuldet zusammenbrach und zehntausende Reisende – darunter viele Deutsche – über die Weihnachtstage in Spanien festsaßen.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 70- jährigen Madrilenen nun betrügerischen Bankrott, Unterschlagung und Geldwäsche vor. Er soll den Reisekonzern Vaijes Marsans an den zahlreichen Gläubigern – darunter tausende Ex-Beschäftigte – vorbei heimlich ausgeplündert haben und mehr als 50 Millionen Euro mit einem Netz von neun festgenommenen Helfern in Steuerparadiese und die Schweiz geschafft haben. Der frühere Unternehmer-Präsident soll nach Angaben der Ermittler mit gefälschten Papieren, Lügen und Zwischenhändlern sein Vermögen verschleiert haben. Einem Strohmann soll Diaz Ferrán in einem verschlungenen System dabei teilweise Firmen für lächerlich geringe Summen verkauft haben – etwa ein Unternehmen mit mehr als 100 Bussen und staatlichen Transportaufträgen für 3676 Euro. Gegen Diaz Ferrán und einen weiteren Hauptbeschuldigten hat die Justiz mit 50 Millionen Euro für eine Haftverschonung die höchste Kaution der spanischen Geschichte verhängt.

Unbehelligt konnte der Unternehmer sein Luxus-Chalet auf Mallorca genießen.

Für viele Spanier ist der Fall Diaz Ferrán ein Beleg, dass für Wohlhabende offenbar andere Regeln gelten. Sie fragen inzwischen, warum Diaz Ferrán so lange unbehelligt blieb, während sie die Kosten der Krise mit höheren Steuern, einer Vielzahl von Einsparungen staatlicher Leistungen, einer geplanten Privatisierung des Gesundheitswesen und weiter steigender Arbeitslosigkeit tragen müssen. Die konservative Regierung hatte dagegen bei ihrem Amtsantritt vor einem Jahr Steuerhinterziehern bei Selbstanzeige eine Amnestie gewährt. Angenommen wurde sie weit weniger als erwartet, musste der spanische Finanzminister Cristobál Montoro erst vor wenigen Tagen eingestehen.

Seine aktuelle Ankündigung, man erwäge eine Veröffentlichung der Namen der großen Steuerbetrüger, ist auch eine Reaktion auf die geringe Resonanz und die große Empörung im Falle Diaz Ferrán. Kritiker werfen der Regierung zudem vor, zu wenig gegen illegale Geldwäsche vorzugehen. So habe die zuständige Abteilung 2011 in ganz Spanien nur 15 Untersuchungen wegen Geldwäsche durchgeführt.

Diaz Ferrán dagegen, so enthüllte am Wochenende die Zeitung „El País“, hat seit 2009 keinen einzigen Euro Einkommensteuer gezahlt. In der Steuerbehörde hat sich offenbar auch niemand dafür interessiert, was mit den noch 2007 angegebenen sieben Häusern in Spanien und dem Vermögen von rund 100 Millionen Euro passiert ist – wofür Diaz Ferran damals ebenfalls nur 51 000 Euro Steuern zahlen musste.

Unbehelligt konnte der Unternehmer nach seiner Privatinsolvenz auch weiter sein Luxus-Chalet auf Mallorca und seine 27-Meter-Yacht „Lueqar“ genießen. Und für zwei 2008 für mehr als zehn Millionen Dollar gekaufte Appartements in New York erhielt Diaz Ferrán von einer Großbank fünf Millionen Euro, obwohl einige seiner Firmen schon vor der Insolvenz standen. Es war dieselbe Bank, mit der Diaz Ferrán zuvor einen Großkredit für den Unternehmerverband vereinbart hatte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false