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Wirtschaft: Spanien feiert die Börsen-Fiesta

Die mögliche Euro-Teilnahme läßt die Kurse klettern / Analysten warnen vor KorrekturenVON CHRISTIAN POTTHOFFSpaniens Regierungschef José Maréia Aznar hat einen Lieblingsspruch: "Espaèna va bien" (Spanien geht es gut).Zumindest hinsichtlich der Aktienbörse trifft das Eigenlob ins Schwarze.

Die mögliche Euro-Teilnahme läßt die Kurse klettern / Analysten warnen vor KorrekturenVON CHRISTIAN POTTHOFFSpaniens Regierungschef José Maréia Aznar hat einen Lieblingsspruch: "Espaèna va bien" (Spanien geht es gut).Zumindest hinsichtlich der Aktienbörse trifft das Eigenlob ins Schwarze.Sowohl 1996 als auch 1997 legten die Notierungen um gut 40 Prozent zu.An der Börse an der Madrider Plaza de la Lealtad feierte man eine "Euro-Fiesta": Galt eine frühe Mitgliedschaft in der Währungsunion noch vor zwei Jahren als unrealistisch, sind mittlerweile die Zweifel an der Euro-Tauglichkeit Spaniens verstummt.Dies entzückt die Börsianer, denn schließlich verheißt der Euro niedrige Zinsen, geringe Inflationsraten und das Ende des Wechselkursrisikos für ausländische Anleger. Und auch nach zwei Jahren ausgiebigen Feierns ist von Katerstimmung nichts zuspüren.Seit Jahresbeginn kletterte der Börsenindex Ibex 35 schon wieder um fast 10 Prozent auf ein neues Rekordhoch."Der Markt gönnt sich keine Atempause", beobachtet ein Händler eines Madrider Wertpapierhauses.Analysten verweisen auf das ausgesprochen günstige wirtschaftliche Umfeld.So werde das Wirtschaftswachstum mit etwa 3,5 Prozent auch in diesem Jahr das Niveau der meisten EU-Länder übertreffen.Hinzu kommen eindrucksvolle stabilitätspolitische Fortschritte: Die Inflation liegt mit zwei Prozent so tief wie zuletzt vor einem Vierteljahrhundert, und das Defizit der öffentlichen Hand hat sich in nur zwei Jahren halbiert.Last but noch least winken weitere Zinssenkungen: Spanien muß seinen Leitzins von derzeit 4,75 Prozent im Vorfeld der Währungsunion weiter senken, um sich den Euro-Staaten anzupassen. Ebenfalls zu dem Börsenboom beigetragen hat die jüngste Privatisierungswelle.Allein im letzten Jahr brachte Aznars Mitte-Rechts-Regierung Staatsfirmen im Wert von umgerechnet 20 Mrd.DM an die Börse.Darunter waren Großkonzerne wie der Mineralölriese Repsol, der Stromgigant Endesa und die Telefongesellschaft Teleféonica.Und die Titel gingen weg wie warme Semmeln.Der Erfolg: Nach Angaben der Madrider Börsenverwaltung besitzt heute jede dritte spanische Familie Aktien. In diesem Jahr wird die Regierung den Ausverkauf des staatlichen Tafelsilbers fortsetzen.Trennen will sich Madrid unter anderem von einem weiteren Endesa-Paket sowie dem Tabakmonopolisten Tabacalera.Zunächst zieht sich der Staat jetzt aber aus der Finanzgruppe Argentaria zurück.Bei der kürzlich angelaufenen Plazierung der letzten 29 Prozent bietet sich das gewohnte Bild: Dank der stürmischen Nachfrage von Kleinanlegern war die Emission bereits nach wenigen Tagen mehrfach überzeichnet. Freilich steigt mit dem ungehemmten Kaufrausch auch die Gefahr eines herben Rückschlags.Als die großen Maklerhäuser vor einigen Wochen ihre Strategieberichte für das laufende Jahr vorlegten, gingen die meisten von einem Ibex-Stand zum Jahresende von 8000 bis 8500 Punkten aus.Manche dieser Analysen sind bei einem aktuellen Indexstand von 7950 freilich schon jetzt Makulatur."Eine Kurskorrektur ist mehr als überfällig", heißt es daher besorgt bei immer mehr Brokern.Als potentieller Gefahrenherd gilt ferner ein erneutes Aufflackern der Asien-Krise.Zwar sind spanische Firmen im Gegensatz zu deutschen Unternehmen in Asien praktisch nicht engagiert.Doch wird ein überschwappen etwaiger Turbulenzen auf Lateinamerika befürchtet - und dort hat in den letzten Jahren gleich eine ganze Reihe iberischer Großkonzerne von Teleféonica bis zu den Banken Santander und Bilbao Vizcaya massiv investiert. Noch werden die Risiken freilich verdrängt.Stattdessen wird fröhlich weiterverkauft, obwohl die spanischen Aktien gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ihren traditionellen Rückstand gegenüber den großen europäischen Märkten längst wettgemacht haben.Mit einem KGV von über 20 sind iberische Dividentitel heute fast ebenso teuer wie deutsche oder französische Unternehmen.Gefragt sind vor allem Finanztitel.Dabei spielen vornehmlich Fusionsspekulationen eine Rolle, die in immer neuen Varianten auftauchen und die Kurse nach oben treiben.

CHRISTIAN POTTHOFF

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