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Verhärtete Fronten. Im spanischen Valencia gerieten Polizisten und Streikende am Mittwoch aneinander. Foto: dpa

© dpa

Wirtschaft: Spanien streikt

Die Gewerkschaften mobilisieren gegen die Sparpolitik der linken Regierung

„Ich gehe arbeiten“, sagte Spaniens sozialistischer Regierungschef José Luis Zapatero und sprang am Tag des Generalstreiks die Treppen zum Parlament hoch. Zapateros Job ist es vor allem, den Reformkurs zu verteidigen, mit dem er das Haushaltsloch stopfen und die Arbeitslosigkeit von mehr als 20 Prozent senken will. Er verspricht Dialog, bekräftigt aber auch die Notwendigkeit harter Entscheidungen. Das wird ihm wohl das Amt kosten, wie alle Meinungsumfragen zeigen. Erst recht, nachdem sich nun auch noch die Gewerkschaften, welche ihm lange Zeit treu waren, gegen die linksorientierte Regierung stellen.

Streikposten zogen am Mittwochvormittag mit Trillerpfeifen durch die Städte Spaniens und versuchten Arbeitswillige daran zu hindern, ihren Job zu machen. Kaufhäuser öffneten unter Polizeischutz. Straßen wurden blockiert, Barrikaden angezündet, Steine geworfen. Vor der Fabrik des Luftfahrtkonzerns EADS im Süden Madrids feuerte die Polizei Warnschüsse ab. Es gab Verletzte bei Rangeleien und Dutzende Festnahmen. In Barcelona kam es zu einer Straßenschlacht, bei der Polizeiwagen in Flammen aufgingen. Spaniens Arbeitsminister Celestino Corbacho sprach trotzdem von „Normalität, ohne bedeutende Zwischenfälle.“ Es sei den Protestierenden nicht gelungen, das Land still zu legen. Die beiden großen Gewerkschaften UGT und CCOO feierten derweil den „demokratischen Erfolg“ des Ausstandes und beklagten „brutale Übergriffe“ der Ordnungshüter.

Ein Krieg der Zahlen begleitete diesen Tag, an dem nach Gewerkschaftsangaben „70 Prozent der Arbeitnehmer“ keine Hand rührten. Die Regierung schätzt, dass im öffentlichen Dienst kaum mehr als zehn Prozent im Ausstand waren. Sicher ist jedenfalls, dass Millionen Spanier nicht zur Arbeit erschienen. Weil sie nicht wollten oder weil sie nicht konnten. Auch in Schulen, Amtsstuben und bei der Müllabfuhr wurde gestreikt. Zeitungen erschienen mit Notausgaben, bei einigen Fernsehsendern herrschte Funkstille.

Auch Hunderttausende Urlauber waren betroffen. Auf den großen Flughäfen auf Mallorca, den Kanaren, in Madrid, Barcelona, Malaga und Alicante wurden im Schnitt nur etwa die Hälfte aller Maschinen abgefertigt. Das befürchtete große Chaos blieb aber aus, weil Reiseveranstalter und Airlines etliche Flüge bereits in den letzten Tagen abgesagt oder verlegt hatten.

Spanien befindet sich seit dem Zusammenbruch seiner Bau- und Immobilienbranche in einer tiefen Finanzkrise. Mit einem harten Sparprogramm (Kürzung von Sozialleistungen und Gehältern im öffentlichen Dienst) und Steuererhöhungen kämpft die Regierung gegen das Defizit. Gerade wurde noch eine „Reichensteuer“ beschlossen. Spaniens Haushaltsminus (Neuverschuldung) war 2009 auf 11,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geklettert. In 2010 soll es auf 9,3 Prozent schrumpfen und bis 2013 wieder unter die Euro-Stabilitätsgrenze von drei Prozent fallen. Diese Vorhersagen gelten jedoch als ziemlich optimistisch. Die Gesamtverschuldung betrug in 2009 etwa 53 Prozent und wird 2010 voraussichtlich auf 66 Prozent steigen.

Das Wirtschaftswachstum brach in 2009 – vor allem durch die öffentliche wie private Immobilienkrise – um 3,6 Prozent ein. Mehr als 20 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung sind ohne Job. Bei den bis 25-jährigen sind es fast 40 Prozent. Eine Lockerung des Kündigungsschutzes und finanzielle Anreize für Neueinstellungen sollen jetzt den Arbeitsmarkt wieder in Schwung bringen. Das wird schwierig genug. Denn während es in den meisten Nachbarländern in diesem Jahr wieder leicht nach oben geht, wird Spanien nach Voraussage der EU noch nicht aus dem Rezessionstal kommen. Schlecht für Zapatero.

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