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Zockerstadt. „Black Jack wird uns nicht glücklich machen“, sagen Gegner des Projekts.

© REUTERS

Spanisches Roulette: Europas Las Vegas entsteht bei Madrid

Die US-Kasinogruppe Las Vegas Sands baut für 17 Milliarden Euro „Eurovegas“. Doch das Spielerparadies der Superlative ist nicht nur der Kirche ein Dorn im Auge.

Das Pokerspiel um Europas größtes Spiel- und Freizeitzentrum ist zu Ende: Vor den Toren Madrids soll in den kommenden Jahren Eurovegas entstehen, vereinbarten am Freitag die US-Kasinogruppe Las Vegas Sands und die Madrider Regionalregierung.

Eurovegas soll ein Projekt der Superlative werden: 17 Milliarden Euro will der Kasino-Konzern verbauen. Entstehen soll eine ganze Stadt mit mindestens sechs großen Kasinos, tausend Roulette- Tischen und 18 000 Spielautomaten. Geplant sind außerdem Hotelhochhäuser mit 36 000 Zimmern, Einkaufszentren, Theater, ein Kongresszentrum, ein eigenes Stadion, unzählige Restaurants und mehrere Golfplätze. Er sei „extrem zufrieden“, erklärte der Präsident der Regionalregierung, Ignacio González. Gute Nachrichten braucht das Land dringend, in dem die Arbeitslosigkeit auf fast sechs Millionen gestiegen ist und die Bürger empört sind über immer neue Korruptionsfälle in der Regierungspartei.

Schon vor zwölf Jahren habe der amerikanische Glücksspielunternehmer Sheldon Adelson den großen Traum gehabt, sich auch in Europa zu etablieren, sagte der Las-Vegas-Sands-Vertreter Michael Leven. Seit zwei Jahren hatte Adelsons Team weitgehend im Geheimen mit der Provinzregierung über sein Megaprojekt Eurovegas verhandelt – und dabei alles oder nichts gespielt. Sein Einsatz: Der 79-jährige Milliardär verspricht der Region bis 2025 bis zu 260 000 Arbeitsplätze und sprudelnde Steuereinnahmen. Nahezu 170 000 Jobs sollen direkt in Eurovegas entstehen. Außerdem will Adelson mit seinem Zockerparadies jährlich zusätzlich fünf Millionen ausländische Besucher in die spanische Hauptstadt holen – was eine Verdoppelung wäre. Baubeginn soll Ende des Jahres sein; die ersten Spieler sollen schon 2016 anreisen.

Seinen Zuschlag für Madrid hatte der Unternehmer, der mit einem Vermögen von mehr als 17 Milliarden Euro zu den 20 reichsten Menschen der Welt zählt, an harte Bedingungen geknüpft. Die Offerte war aber für die Regierung der spanischen Hauptstadtregion so verlockend, dass sie zu weitgehenden Zugeständnissen bereit war. Immerhin ist Madrid die am höchsten verschuldete Kommune des Landes und hat eine Arbeitslosigkeit von nahezu 26 Prozent. Der einflussreiche Milliardär will zudem weltweit die Bewerbung Madrids als Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 2020 unterstützen – auch zum eigenen Nutzen natürlich.

Entstehen soll die Kasinostadt im unterentwickelten Südwesten Madrids bei Alcorcón auf fast zehn Quadratkilometern Brachfläche. Hervorragend angebunden mit einer Autobahn sollen die Zocker in rund 30 Minuten vom Flughafen an die Roulettetische und Automaten gelangen, stellen sich die Eurovegas-Planer vor. Las Vegas Sands expandierte in den vergangenen Jahren stark; die Spielkasinos in Macao und Singapur tragen inzwischen zu 90 Prozent zum Gewinn der Gruppe bei, während Las Vegas stagniert.

Das Unternehmen hatte drei Standorte gegeneinander ausgespielt, offenbar um günstig Flächen kaufen zu können. Registriert wurde auch, dass Ende 2012 der Aktienkurs eines Immobilienkonzerns, der bei Alcorcón viel Land besitzt, auffällig stieg.

Wie Adelson die Regeln bestimmt

Michael Leven betonte, das Unternehmen sei potent genug, um das Projekt zu realisieren. Rund 35 Prozent der Investition werde aus Eigenkapital aufgebracht; beim Rest sei man sich mit den Banken einig. Eurovegas, dessen Fertigstellung rund 15 Jahre dauern werde, sei ein großer Vorteil für Madrid, von dem alle profitieren würden. Mit Verweis auf die anderen Standorte sagte Leven, dass in der ersten Ausbaustufe mit 12 000 Hotelbetten rund 40 000 Menschen direkt und noch einmal die gleiche Zahl indirekt Beschäftigung durch das Casinoprojekt fänden.

Es liegt vor allem an den bekannt gewordenen Bedingungen, dass es erhebliche Kritik an dem Projekt gibt. Denn in seinem neuen Reich möchte Adelson nach seinen Regeln spielen. Mit geltenden Gesetzen und Baunormen etwa wollte er sich nicht abgeben, hatte er bei seinen Besuchen klargemacht. Die Stadtverwaltung von Barcelona, die sich ebenfalls um das Eurovegas-Projekt bemüht hatte, flog aus dem Rennen, weil sie nur 150 Meter hohe Gebäude erlauben wollte. In Madrid wurde dagegen eilfertig das Gesetz geändert, damit Adelson so hoch bauen kann, wie er will. Auch ein verändertes Glücksspielgesetz wurde im Regionalparlament durchgewunken. Adelsons Kasinos müssen nur noch zehn Prozent Steuern zahlen – statt der bislang in Madrid geltenden 45-prozentigen Glücksspielsteuer.

Verhandelt wird dagegen nach Angaben von Regionalpräsident González noch mit der Zentralregierung über eine Lockerung des in Spanien geltenden strengen Rauchverbots. In der Stadt Madrid und in Spanien regiert jeweils die Partido Popular; vor allem der Tourismusminister hat schon Verständnis geäußert. Bei einem Rauchverbot an den Spieltischen würden sich vor allem Spieler aus Asien und Russland nicht wohlfühlen, hatte Adelson beklagt. Auch Minderjährige sollen die Spielerstadt besuchen dürfen. Glücksspiel sei ihnen aber „absolut verboten“, betonte

González und reagierte damit auf die Kritik von Kirchen, Bürgerinitiativen und der Opposition. Im Provinzparlament besteht insbesondere bei den oppositionellen Sozialisten das Misstrauen, von den Zusagen profitiere allein Adelson. Regierungspräsident Ignacio González ließ offen, wie viel die finanzschwache Provinz in die Infrastruktur des Spielerparadieses investieren muss – und hätte Milliarden Euro für Straßen, Schienenanschluss, Kanalisation und Wasserversorgung in den Sand gesetzt, wenn Adelsons Projekt scheitert. Riesige Bauruinen hat Spanien, wo die geplatzte Immobilienblase der Auslöser für die Finanz- und Wirtschaftskrise war, schließlich schon mehr als genug.

Den Entwicklungsplan für die „Spielerrepublik“ hat die Opposition deshalb Ende 2012 geschlossen abgelehnt. Von einem „Sündenreich“ sprach der Erzbischof von Madrid. Er warnte vor „Verkommenheit“ durch „Spiel, Prostitution, Geldwäsche und Pornografie“. Der sozialistische Abgeordnete Antonio Miguel Carmona nannte die Gesetzesänderungen „unmoralisch“ angesichts der gegenwärtigen Kürzungen und Privatisierungen im Gesundheitsbereich, der Bildung und den Sozialeinrichtungen. „Black Jack wird uns nicht glücklich machen.“

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