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Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon rechtfertigt im Gespräch die Höhe der Dispozinsen der Banken.

© Georg Moritz

Sparkassen-Präsident im Interview: "Leit- und Dispozinsen sind zwei völlig unterschiedliche Dinge"

Mini-Zinsen unter der Inflationsrate. Wer sein Konto überzieht, zahlt trotzdem kräftig. Sparkassen-Präsident Georg Fahenschon rechtfertigt diese Diskrepanz im Tagesspiegel-Interview und kritisiert die Notenbank EZB.

Von Carla Neuhaus

Herr Fahrenschon, Sie sind Präsident der deutschen Sparkassen – da steckt das Sparen bereits im Namen. Macht es angesichts der niedrigen Zinsen überhaupt noch Sinn, Geld zurückzulegen?
Sparen macht immer Sinn. Die Europäische Zentralbank sendet mit ihrer Politik der niedrigen Zinsen deshalb derzeit das falsche Signal an die privaten Haushalte – nämlich dass sich Sparen nicht mehr lohnt. Das hat Folgen: Wir Deutsche waren einmal die Sparmeister in Europa mit einer Sparquote von über zwölf Prozent. Heute liegen wir bei zehn Prozent, Tendenz abwärts.

Warum ist das ein Problem?
Wir brauchen eine Sparquote von mindestens zehn Prozent, um uns auf das Alter vorzubereiten. Wenn wir darunter fallen, legen die Menschen entweder nicht mehr genug Geld für später zurück oder sind nicht ausreichend gegen andere Risiken des Lebens wie Unfall, Krankheit oder Schaden abgesichert. Das ist eindeutig eine Nebenwirkung der Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank.

Mit ihrer Niedrigzinspolitik will die EZB erreichen, dass Banken der Krisenstaaten mehr Kredite vergeben. Gelingt das?

Nein, bislang nicht. Mit Ausnahme von Deutschland ist die Kreditvergabe in weiten Teilen Europas rückläufig. In den südeuropäischen Staaten ist sie zuletzt um 2,1 Prozent gesunken. Das heißt, das viele billige Geld kommt nicht bei den Unternehmen an. Stattdessen hilft es den Mitgliedsstaaten, sich billiger zu verschulden und hält Banken künstlich am Leben, die eigentlich den Markt verlassen müssten.

Sollten wir uns ein Beispiel an den USA nehmen, die langsam aus der Politik des billigen Geldes aussteigen?
Die europäischen Notenbanker müssen möglichst bald in die Debatte einsteigen, wann der richtige Zeitpunkt für ein Umsteuern gekommen ist. Spätestens Ende diesen oder Anfang kommenden Jahres muss der Wendepunkt erreicht sein. Die Phase des billigen Geldes kann nicht auf ewig weitergehen. Schließlich hat der Zins eine wichtige Preisfunktion: In normalen Zeiten zahlen Kreditnehmer für ein sicheres Geschäft einen niedrigen Kreditzins, für ein riskantes Geschäft einen hohen Zins. Dieser Mechanismus ist im Moment ausgesetzt.

Wie wirken sich die niedrigen Zinsen auf das Geschäft der Sparkassen aus?
Natürlich verdienen die Sparkassen dadurch weniger. Durch die niedrigen Zinsen verlieren sie jährlich eine Summe im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. Das tut uns weh, aber es führt bei uns nicht zu großen Verwerfungen. Weil wir aus einer starken Marktposition agieren und ein starkes Kundengeschäft haben, können wir das verkraften.

Warum sind dann dennoch zum Beispiel die Dispozinsen so hoch?
Weil Leit- und Dispozinsen zwei völlig unterschiedliche Dinge sind. Schon bei Einräumung eines Dispokredites entstehen dem Kreditinstitut erhebliche Eigenkapital- und Liquiditätskosten, egal ob der Kunde den Dispo in Anspruch nimmt oder nicht. Diese Kosten müssen von denen getragen werden, die Dispositionskredite tatsächlich in Anspruch nehmen.

Die Investoren haben ihr Geld zuletzt verstärkt in Schwellenländern angelegt. Warum ziehen sie sich jetzt zurück?
Die Anleger haben in Schwellenländern investiert, weil in Europa und den USA die Zinsen so niedrig sind. Jetzt dreht sich der Trend um, die Anleger ziehen ihr Geld wieder aus den Schwellenländern ab und legen es in stärkeren Volkswirtschaften, zum Beispiel Deutschland, an.

Würden Sie Ihr Geld jetzt noch in Schwellenländern anlegen?
Wer heute in die Welt geht, weil er zu Hause kaum Zinsen bekommt, darf nicht vergessen, dass Investitionen in fernen Ländern auch mit Risiken verbunden sind. Man sollte sich vorher überlegen, wie viele Risiken man eingehen will. Wir leben in einer aufgeregten Zeit, in der Ausschläge in der Welt einen schnell zu Hause treffen können. Deshalb sollte man sein Geld nur dort anlegen, wo man es auch in normalen Zeiten investieren würde.

Die Politik will den Finanzsektor durch die Bankenunion sicherer machen. Funktioniert das?
Die Bankenunion führt dazu, dass die großen, international tätigen Banken besser beaufsichtigt werden. Das ist richtig. Allerdings hat die Reform einen großen Fehler. So sollen zukünftig auch die kleinen, regionalen Banken für die Abwicklung der großen Institute zahlen. Das ist fatal und würde völlig falsche Anreize schaffen. In Deutschland würde ja auch keiner auf die Idee kommen, alle Autofahrer zu zwingen, für die Versicherung der Gefahrguttransporter zu zahlen. Haften die Sparkassen für die riskanten Geschäfte der Großbanken, können die sich darauf verlassen, dass die Kleinen mit ihrem stabilen Geschäftsmodell ihnen immer wieder aus der Patsche helfen.

Dann dürften Sie ja froh sein, dass unter die neue Aufsicht der EZB nur Banken mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro fallen ...
Diese Grenze hat die Politik aus unserer Sicht zu niedrig angesetzt. Wenn man konsequent gewesen wäre, hätte man die Grenze – ähnlich wie bei den Baseler Eigenkapitalregeln – bei 70 Milliarden Euro gezogen. Jetzt werden in Berlin und Hamburg auch die Sparkassen von der EZB beaufsichtigt, obwohl sie ein völlig anderes Geschäftsmodell als Großbanken haben. Für diese Institute bedeutet das einen erheblichen Mehraufwand. Sie müssen mehr Wirtschaftsprüfer einschalten und die Daten gesondert aufbereiten.

Fahrenschon: Warum Berlin keine Landesbank mehr braucht

Seit dem Jahreswechsel ist die Landesbank Berlin Geschichte. Warum braucht die Stadt keine Landesbank mehr?
Berlin ist eine wachsende Großstadt, die zuallererst eine starke Sparkasse braucht. Deshalb haben wir die Sparkasse aus der Landesbank herausgeschält. Wir haben die Landesbanktochter Berlin Hyp ausgegründet – sie tritt künftig deutschlandweit als eigenständiger Spezialfinanzierer für das gewerbliche Immobiliengeschäft auf. Die Kapitalmarktaktivitäten der Landesbank übernimmt das gemeinsame Wertpapierhaus der Sparkassen, die Dekabank in Frankfurt am Main. Sie hat in dem Bereich einfach einen Größen- und Standortvorteil. Rund 100 Mitarbeiter aus Berlin sind Anfang Januar bereits nach Frankfurt gewechselt. Ihre Kompetenz wird dort dringend gebraucht.

Was passiert mit der Fondstochter der Landesbank, der LBB Invest?

Sie wird erst einmal in Berlin bleiben, auch die Marke bleibt erhalten. Wir lassen das Institut am Markt weiterarbeiten und schauen uns die Geschäftsentwicklung an.

Die Sparkassen haben die Landesbank 2007 für 5,5 Milliarden Euro gekauft. Auf welchen Wert haben sie sie mittlerweile in ihren Büchern abgeschrieben?
Die Bilanzierung obliegt den einzelnen Instituten. Die Wirtschaftsprüfer haben zum Ende des Jahres 2013 für das Unternehmen eine Bandbreite im Wert von rund 2,2 bis 2,4 Milliarden Euro ermittelt. Bezogen auf das im Jahr 2007 für den Erwerb der Aktien eingesetzte Gesamtkapital von 5,6 Milliarden Euro liegt das kumulierte Abschreibungsniveau bei 57 Prozent. Das ist eine schwere Last für die Sparkassen-Familie, war aber unvermeidbar. Es gab gute Gründe, warum wir uns damals für den Kauf der Landesbank entschieden haben: Wir wollten, dass die Berliner Sparkasse in unserer Gruppe bleibt und nicht ein Dritter bei uns dauerhaft mit am Tisch sitzt.

Kommen auf die Sparkassen noch weitere Belastungen durch den Umbau zu?
Wir haben einen klaren Schnitt gemacht. Das Jahr 2014 muss einen Wendepunkt markieren. Dieses Jahr ist für die Berliner Sparkasse ganz klar ein Jahr des Aufbruchs. In drei Jahren soll das Institut wieder in der Lage sein, den Eigentümern, also den anderen Sparkassen, eine Dividende zu zahlen.

Das Gespräch führte Carla Neuhaus

DER PRÄSIDENT

Georg Fahrenschon (46) wurde 2012 Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) als Nachfolger von Heinrich Haasis. Zuvor war er von 2008 bis 2011 Finanzminister in Bayern. Von 2002 bis 2007 saß er für die CSU im Bundestag und war später Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Fahrenschon ist verheiratet und hat zwei Töchter, er lebt in Neuried bei München.

DER VERBAND

Der DSGV ist als Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe einer der wichtigsten Bankenverbände Deutschlands. Er vertritt die Interessen der 418 Sparkassen in Deutschland sowie sieben Landesbanken und zehn Bausparkassen. 2007 hatte die Sparkassen-Finanzgruppe die Landesbank Berlin (LBB) gekauft – für 5,5 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr ist das Institut zur reinen Sparkasse zusammengeschrumpft. Auch der Name Landesbank Berlin wurde vor wenigen Wochen gestrichen.

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