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Brückentechnologie kommt diesem Hirsch nicht mehr zu Hilfe. Fünf Millionen Euro für einen Autobahnübergang sind Minister Ramsauer zu teuer.

© picture-alliance/ gms

Sparzwang: Umgehungsstraßen sind Bund wichtiger als Tierschutz

Peter Ramsauer, der Verkehrsminister von der CSU, ist ein gebildeter Mann, er weiß um die Verdienste des Hirschen. Doch zugleich fehlt ihm, wie so vielen Politikern dieser Tage, das Geld.

Berlin - Der Hirsch ist für die Deutschen ein Stück Heimat, seit Jahrhunderten. Deutsche Restaurants ohne Hirschgulasch, deutsche Jäger ohne ein stattliches Geweih als Trophäe, deutsche Wohnzimmer ohne röhrenden Hirsch über dem Sofa – das ist undenkbar. Heimat, Kraft, Disziplin und Männlichkeit verkörpert das Tier, und im Alten Testament besiegt der Hirsch sogar den Teufel in Gestalt einer Schlange, indem er sie zertrampelt.

Peter Ramsauer, der Verkehrsminister von der CSU, ist ein gebildeter Mann, er weiß um die Verdienste des Hirsches. Doch zugleich fehlt ihm, wie so vielen Politikern dieser Tage, das Geld. Also hat er eine Entscheidung auf Kosten der Hirsche getroffen: 95 geplante Straßenbrücken, die der Bund eigens für den Hirsch und seinesgleichen geplant hatte, will Ramsauer nun nicht mehr bauen lassen. Die Mittel sollten lieber für Ortsumgehungen eingesetzt werden, sagte er am Dienstag in Berlin. „Dazu sehe ich mich gezwungen.“

Der Hirsch hat nun ein Problem. Die Brücken, Stückpreis fünf Millionen Euro, sollten der Tierwelt das Überqueren der Schnellstraßen erleichtern. Denn der zunehmende Verkehr und die immer weiter wuchernde Infrastruktur zerschneiden ihre Lebensräume. Inzucht befürchteten die Tierschützer infolgedessen, sagte Ramsauer in leichtem Spott – schließlich wird die Auswahl der Paarungspartner kleiner. Ihn ficht das nicht an. „Mit solchen Vorwürfen muss ich leben!“

Der Minister, als Oberbayer zwar naturverbunden, findet ohnehin, dass man es mit dem Umweltschutz nicht übertreiben darf. Als „wirklich grenzwertig“ betrachte er etwa Überflughilfen für gefährdete Fledermausarten, ließ er einmal wissen. Auch ist von ihm das Zitat überliefert, dass das schönste Naturschutzgebiet nichts nütze, wenn man nicht mit dem Auto hinkommt. Ramsauers Skepsis verwundert nicht, schließlich erschweren ständige Demos gegen Stuttgart 21 oder den Flughafen BBI das Bauen schon genug.

Beim Grünbrücken-Streit sieht er sich indes einer unerwarteten Protestfront gegenüber. Der Naturschutzbund Nabu fürchtet um die Gesundheit der Tiere, ebenso die Jäger, die gerne auf sie schießen. Sogar der Autoklub ADAC sorgt sich. „Um Leib und Leben“ gehe es, sagte ein Sprecher, die Grünbrücken seien das beste Mittel, um Wildunfälle zu vermeiden. 3000 Verletzte und 30 Tote seien jedes Jahr bei Kollisionen zu beklagen, die von Ramsauer favorisierten Ortsumgehungen entsprechend nicht so dringend.

Ein Brückenfreund hat herausgefunden, dass die Bauwerke nicht nur Tierschutz und Verkehrssicherheit nutzen. „Grünbrücken kurbeln die Konjunktur an.“ Es war Rainer Bomba, Ramsauers Staatssekretär. Das Zitat stammt vom Dezember – da war die Welt für den Hirsch noch in Ordnung.Carsten Brönstrup

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