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Wirtschaft: Spaß bis zum Umfallen

Reiseveranstalter suchen wieder Animateure.  Urlaub ist das aber kaum – das Dauerlächeln ist Knochenarbeit.

Für das Bewerbungsgespräch dachte sich Alica Sysoeva einen Tanz aus, sie nannte ihn „Lufttanz“. Vor versammelter Mannschaft gab sie vor, jeden Morgen um vier Uhr aufzustehen, um den Tag mit dem Lufttanz zu beginnen. Sie forderte die Zuschauer zum Mitmachen auf und hampelte mit ausschweifenden Gesten herum, während sie heftig Luft ein- und ausatmete. Zum Schluss rief sie: „Und das Beste an dem Tanz ist, dass ihr mir das geglaubt habt!“

Beim Bewerbungsgespräch zum Animateur werden etwas andere Qualitäten in den Bewerbern gesucht, als man es gewohnt ist. Die 20-jährige Alica aus München bewarb sich im Februar beim Reiseveranstalter Tui und ist seit Juli als Kinder- und Sportanimateurin auf Gran Canaria. Zum Bewerbungsgespräch auf einem der bundesweiten „Job Days“ des Reiseveranstalters sollten sich die Bewerber eine dreiminütige Vorführung mit Tanz, Gesang oder Comedy ausdenken. Dazu kamen improvisierte Spiele und Spontanitätstests. Aktuell laufen Bewerbungsrunden für die Saison im kommenden Jahr. Allein Tui sucht 700 Animateure.

Laut einer Schätzung des Portals www.animateure.de sind es 20 000 deutschsprachige Spaßmacher die Jahr für Jahr den Urlaubern einheizen, meist am Mittelmeer. Etwa die Hälfte davon kehrt zur Folgesaison zurück. Es ist ein Knochenjob, das leugnen auch die Reiseveranstalter nicht. Oft sind es 15-Stunden-Tage, die die Animateure leisten – meist mit nur einem freien Tag pro Woche. Doch wenn man Alica fragt, was sie an ihrem freien Tag so macht, freut sie sich, endlich Zeit für Unternehmungen mit den Kollegen zu haben.

„Wenn ich Zeit für mich brauche, dann übernimmt der Kollege auch mal fünf Minuten.“ Eine längere Auszeit scheint ihr gar nicht in den Sinn zu kommen. Alicas Tage sind gefüllt mit Freizeitangeboten wie dem Poolnudel-Golf. Mit dem Schlauch, der auch als Schwimmhilfe benutzt wird, hauen die Gäste Bälle unter Stühlen durch. Dazu kommen Beachvolleyball, Dart, Wasserball, Tischtennis und Bogenschießen, zwischendurch Team-Besprechungen, Proben für die Shows und Moderationen für die Gäste. Später folgt die Kinderdisco. Zur anschließenden Abendshow mit Tanz, Gesang und Comedy wirft sich Alica entweder selbst in Kostüme oder sie plaudert mit den Gästen. Mit Nachbesprechung, Aufräumen und Vorbereitungen für den nächsten Tag dauert der Abend meist bis ein oder zwei Uhr. Das Tolle für Alica ist: „Es kehrt nie Routine ein.“

Alica Sysoeva kam zum Job Day gerade frisch aus dem Fachabitur. Für sie war klar, dass sie ins Ausland wollte. „Mit elf Jahren war ich mit der Familie auf Ibiza und schon damals waren die Animateure meine absoluten Helden“, sagt sie. Bewerber müssen 18 Jahre alt sein und halbwegs passabel Englisch sprechen. Es gibt einen IHK-Abschluss zum Animateur, doch als Voraussetzung gilt er nicht. Am liebsten sehen die Reiseveranstalter Erfahrungen in den entsprechenden Einsatzbereichen. Für den Fitnessanimateur wird häufig eine Trainerlizenz verlangt – manche Reiseveranstalter finanzieren die Lizenz ganz oder zum Teil.

Vor der Abreise werden die angehenden Animateure meist auf ein Seminar geschickt. Alltours etwa zieht für eine Woche nach Mallorca, mit Tui geht’s nach Olsberg im Sauerland. „Dort spielen wir Urlaub“, sagt Tui-Sprecherin Kathrin Spichala. „Das ist von morgens bis abends Action.“ Das Geheimnis sei: Man darf es nicht als Job sehen. „Wir versuchen aber nicht, den Eindruck zu vermitteln, das sei bezahlter Urlaub“, sagt Kathrin Spichala.

Animateure verdienen in der Regel 400 bis 800 Euro netto. Je nach Vertrag werden vom Bruttogehalt Steuern und Sozialversicherungen abgezogen. An- und Abreise, sowie Unterkunft und Verpflegung sollten vom Arbeitgeber übernommen werden. Oft muss die Uniform, meist bestehend aus Hose und T-Shirt, selbst bezahlt werden. Alica Sysoeva ist in einem Appartement auf dem Hotelgelände untergebracht. Sie schläft im Wohnzimmer, zwei Kolleginnen teilen sich das Schlafzimmer. Illusionen über eine luxuriöse Unterkunft sind weit verfehlt.

Alexander Hass, Betreiber von www.animateure.de, warnt davor, ohne Vertrag in das Zielgebiet zu reisen. „Wenn es heißt: ’Den Vertrag gibt’s vor Ort, flieg einfach mal hin’, sollte man sich nicht von der Euphorie blenden lassen.“ Der Vertrag müsse vor der Abreise und in deutscher Sprache vorliegen. „Es sind ein paar schwarze Schafe dabei“, sagt der 42-Jährige. Hass war acht Jahre Animateur, arbeitete als Chefanimateur auf dem Aida-Kreuzfahrtschiff und als Abteilungsleiter bei Tui. Schon nach einer Saison haben Animateure die Möglichkeit, die Fortbildung zum Teamleiter zu starten. Die besten Aussichtenibt es im Kinder-, Sport- und Fitnessbereich.

Für Alica kommt die Belohnung von den Gästen. „Am schönsten ist es, wenn sie mich fragen: Wo bist du nächstes Jahr? Wir möchten wieder mit dir Urlaub machen!“ In fast vier Monaten auf Gran Canaria war nicht ein Gast dabei, den Alica nicht leiden konnte. Ursprünglich wollte sie studieren, doch inzwischen kann sie sich vorstellen, Animateurin zu bleiben, mit Aussicht auf den Aufstieg. Ihren Aufenthalt hat sie bis Januar um zwei Monate verlängert. Und auf Nachfragen, wo sie in der nächsten Saison sein wird, hat Alica schon eine Antwort parat: auf Fuerteventura. Als Animateurin, versteht sich.

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