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Exklusiv

SPD lange dafür, Union jetzt auch?: Koalition prüft Pflicht zur Betriebsrente

Die Arbeitgeber hierzulande legen für immerhin 17 Millionen Arbeitnehmer Geld für eine Betriebsrente zur Seite. Doch 40 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sind ohne Absicherung. Nun verdichten sich die Hinweise, dass Schwarz-Rot die Betriebsrente zur Pflicht machen könnte

Die Altersvorsorge steckt in der Krise: Das Rentenniveau sinkt, und auch private Lebensversicherungen werfen heute deutlich weniger ab als früher. Schlimmer noch: Im nächsten Jahr droht weiteres Ungemach. Sollten die Zinsen an den Kapitalmärkten weiter so niedrig bleiben, dürfte der Garantiezins für Lebensversicherungspolicen weiter fallen – und das, obwohl die Versicherer ihren Kunden schon heute nur noch bescheidene 1,75 Prozent zahlen.

Immerhin 17 Millionen Arbeitnehmer erhalten beim Renteneintritt zusätzliche Leistungen aus einer Betriebsrente.
Immerhin 17 Millionen Arbeitnehmer erhalten beim Renteneintritt zusätzliche Leistungen aus einer Betriebsrente.

© Imago

Als Ausweg aus dem Dilemma hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nun die Betriebsrenten entdeckt. Die seien „der wichtigste kapitalgedeckte Baustein in unserem Rentensystem“, meint die Sozialdemokratin. 17 Millionen Menschen haben bereits eine Anwartschaft darauf, später eine Betriebsrente zu bekommen. Das klingt zwar viel, dennoch sind 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten noch ohne jegliche betriebliche Absicherung. Das will die große Koalition ändern. In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD und Union verabredet, die betriebliche Altersvorsorge zu stärken – vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen, wo die Zusatzrente über den Betrieb noch immer unterrepräsentiert ist. Die Betriebsrente könnte per Gesetz sogar zur Pflicht werden. „Es wird über ein Opting-out diskutiert werden“, sagte Peter Weiß, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe in der Union, dem Tagesspiegel. Die Idee: Jeder Arbeitnehmer hätte automatisch eine Betriebsrente, es sei denn, er widerspricht dem ausdrücklich. Ein System, das in ähnlicher Form bereits in Dänemark oder Großbritannien betrieben wird und für das es auch in der SPD große Sympathien gibt. In der Union regen sich dagegen Vorbehalte gegen die Vereinnahmung der Arbeitnehmer. Möglicherweise kommt aber auch ein alter Streit wieder auf den Tisch, der seit Jahren für Prozesse sorgt: die Pflicht, von den Betriebsrenten Kassenbeiträge zu zahlen. Die vor zehn Jahren eingeführte Beitragspflicht beschwerte zwar den Krankenkassen Zusatzeinnahmen, kostete aber die Betriebsrentner viel Geld. Von jeder Firmenrente müssen Rentner heute nicht nur Steuern, sondern auch 15,5 Prozent an die Kasse abführen. Das schmälert die Rendite kräftig.

Vor allem in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf einen Teil seines Lohns zugunsten der Betriebsrente verzichtet (Entgeltumwandlung) und der Arbeitgeber nichts beisteuert, führt das zu ungerechten Ergebnissen. Weil die Einzahlungen in die betriebliche Altersvorsorge steuer- und sozialabgabenfrei sind, sparen die Arbeitgeber den halben Krankenkassenbeitrag, den sie sonst zahlen müssten – auf Kosten der Beschäftigten, die im Ruhestand den vollen Kassenbeitrag abführen müssen. Hinzu kommt: Für die Beiträge, die man in die betriebliche Altersvorsorge einzahlt, erwirbt man keine Rentenansprüche. In der Union sieht man das Problem. „Wir werden uns anschauen, ob in den Fällen, in denen die Entgeltumwandlung allein vom Arbeitnehmer bezahlt wird, durch die Verbeitragung der Betriebsrente Nachteile entstehen“, sagt Rentenexperte Weiß. Im Bundesgesundheitsministerium ist man weniger offen. Man plane derzeit „keine Änderungen“, heißt es dort auf Anfrage.

Zahlt der Arbeitnehmer die betriebliche Vorsorge komplett selbst, seien die vermeintlichen Vorteile der betrieblichen Vorsorge eine „Milchmädchenrechnung“, meint Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten. Attraktiv sei die Firmenrente vor allem für Gutverdiener, die Steuern sparen wollen, sagt Rüdiger Strichau, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Berlin. Man müsse Fall einzeln anschauen. Pauschale Antworten gibt es also nicht. Arbeitgeber sind zwar per Gesetz verpflichtet, ihren Beschäftigten eine betriebliche Altersvorsorge anzubieten, aber in welcher Form sie das tun, können sie selbst entscheiden. Fünf verschiedene Durchführungswege gibt es, bei einigen organisiert der Arbeitgeber die Vorsorge in Eigenregie, bei anderen zahlt eine Versicherung. Auch ob sich der Chef am Sparen beteiligt, ist grundsätzlich seine Sache – es sei denn, Tarifverträge nehmen in die Pflicht.

Viele Arbeitgeber lagern die Altersvorsorge an einen Lebensversicherer aus. „Es geht kontinuierlich nach oben“, sagt eine Sprecherin der Allianz Leben. Mit einem Anteil von 29 Prozent bei den Neubeiträgen ist die Allianz Marktführerin bei der betrieblichen Altersvorsorge. Neue Zahlen legt die Versicherung am kommenden Donnerstag bei Vorstellung ihrer Bilanz vor. Noch ist die Gesamtverzinsung, die die Allianz (4,2 Prozent) oder die Ergo (3,55 Prozent) für dieses Jahr zahlen, ordentlich. Doch der Trend ist negativ: Die Zinsen sinken. „Es gibt keinen Unterschied zur Lebensversicherung“, sagt Verbraucherschützer Kleinlein.

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