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Yasmin Fahimi soll Anfang Mai in Berlin gewählt werden.

© imago/Metodi Popow

SPD-Politikerin Fahimi wird DGB-Chefin: Familienpolitik an der Spitze der Gewerkschaften

Der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis konnte nicht DGB-Vorsitzender werden. Nun nominiert der Gewerkschaftsbund seine Lebensgefährtin für den Posten.

Wer es gut meint mit Michael Vassiliadis, der hebt seine Problemlösungskompetenz hervor. Als der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) für den Posten des DGB-Vorsitzenden nicht mehr in Frage kam, fand Vassiliadis Ersatz im eigenen Haushalt: Seine Lebensgefährtin Yasmin Fahimi, ehedem Generalsekretärin der SPD, soll Anfang Mai auf dem Bundeskongress des Dachverbandes zur Nachfolgerin von Reiner Hoffmann gewählt werden.

Die Chefs der beiden größten DGB-Gewerkschaften, Jörg Hofmann (IG Metall) und Frank Werneke (Verdi), hatten keine Kandidaten in ihren Reihen gefunden.

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Fahimi, 1967 in Hannover geboren, arbeitete von 2000 bis 2013 als Gewerkschaftssekretärin in der IG BCE. 2014 und 2015 war sie Generalsekretärin der SPD und anschließend Staatssekretärin im Arbeitsministerium. Seit 2017 sitzt Fahimi im Bundestages. „Mit Yasmin Fahimi gewinnen wir eine Arbeitsmarkt- und Ausbildungsexpertin, die über langjährige Erfahrungen in den Gewerkschaften verfügt“, teilte der DGB mit. Fahimi wird als erste Frau den Dachverband mit acht Einzelgewerkschaften führen.

Kein Metaller will es machen 

Die Personalie ist nicht nur wegen der Verbindung zu Vassiliadis delikat. Sie wirft vielmehr ein Schlaglicht auf die Wertschätzung des DGB in den großen Gewerkschaften Verdi und IG Metall. Die Bundeszentrale der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi inklusive neun Vorstandsmitglieder hat ihren Sitz in Berlin. Verdi ist vor allem auch eine Organisation des öffentlichen Dienstes, die vom Selbstverständnis her ihre politische Lobbyarbeit eigenständig erledigt und den DGB dafür nicht braucht. Werneke hatte Bedenken gegen einen Kandidatur von Vassiliadis für den DGB-Vorsitzenden, weil er nicht für das Wahlverhalten der Verdi-Delegierten auf dem Bundeskongress garantieren könne. So hieß es. Das Argument ist vorgeschoben. Werneke möchte keinen starken und bestens in der Politik vernetzten DGB-Chef Vassiliadis.

Michael Vassiliadis wurde wegen des Widerstands von Verdi nicht DGB-Chef.
Michael Vassiliadis wurde wegen des Widerstands von Verdi nicht DGB-Chef.

© dpa

Die IG Metall wiederum hat unter dem Vorsitzenden Jörg Hofmann das Berliner Büro und damit die politische Arbeit ausgebaut. Den DGB lässt die aus Frankfurt (Main) gesteuerte größte deutsche Gewerkschaft fast schon traditionell links liegen. Dass Hofmann, der das erste Vorschlagsrecht für den DGB-Vorsitz hatte, trotzdem keine Kandidatin und keinen Kandidaten fand, hängt auch mit dessen personalpolitischen Schwächen zusammen. Hofmann konnte weder die IG-Metall-Vorstandsmitglieder Christiane Benner noch Irene Schulz für den DGB-Vorsitze gewinnen. Und gegen Andrea Nahles hatte er angeblich Vorbehalte. Die frühere SPD-Vorsitzende, die am Dienstag für den Vorstandsvorsitz der Bundesagentur für Arbeit nominiert wurde, hatte dem Vernehmen nach Bedingungen gestellt, die von Werneke und Hofmann nicht akzeptiert wurden. Also Fahimi.

„Fachlich gut, menschlich schwierig“

Fahimi, die im Januar 2014 zur Generalsekretärin der SPD und damit zur Nachfolgerin von Andrea Nahles gewählt wurde, hatte ein Jahr zuvor mit Nahles, der Grünen Steffi Lemke und Umweltverbänden den rot-grünen Think-Tank „Denkwerk Demokratie“ gegründet. Als Generalsekretärin geriert sie mit dem damaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel schnell über Kreuz. Als Gabriel spontan an einer Veranstaltung teilnahm, in der auch Pegida-Anhänger saßen, ging Fahimi demonstrativ auf Distanz. Auch von Gabriels Versuchen, Ängste vor Zuwanderung zu thematisieren, hielt seine Generalsekretärin überhaupt nichts. Fahimi wechselte Anfang 2016 als Staatssekretärin ins Arbeitsministerium unter der Ministerin Andrea Nahles.

Nach acht Jahren an der DGB-Spitze geht Reiner Hoffmann in diesem Sommer in Rente.
Nach acht Jahren an der DGB-Spitze geht Reiner Hoffmann in diesem Sommer in Rente.

© dpa

„Fachlich gut, menschlich schwierig“, hieß es am Mittwoch in ersten Reaktionen auf die Nominierung Fahimis in Gewerkschaftskreisen. Sie sei „Juso-sozialisiert“, deshalb im Freund-Feind-Denken befangen und bisher nicht mit Integrationsleistungen aufgefallen. „Das ist die Selbstverzwergung des DGB“, meinte ein Gewerkschafter zu der überraschenden Personalie, die indes von einem Vorsitzender einer DGB-Gewerkschaft verteidigt wurde. „Sie hat das Format, da reinzuwachsen, und wird auf ihre Unabhängigkeit achten.“ Soll heißen: Gegenüber der IG BCE und deren Vorsitzenden werde Fahimi auf Distanz achten.

Anfang Mai wird gewählt

Von einer „Super-Katastrophe“ ist anderer Stelle die Rede. Es sei doch vielsagend, dass Fahimi in der neuen Bundesregierung keinen Staatssekretärsposten bekommen habe. „Fahimi hat überall Brände hinterlassen“, sagt ein Gewerkschafter und sei das Gegenteil von einem Menschenfänger, wie er an der Spitze einer Gewerkschaft respektive des Dachverbandes gebraucht werde. Ihre Umgangsformen seien extrem brüsk, die rund 200 Mitarbeitenden in der DGB- Zentrale am Hackeschen Markt müssten sich auf einen rauen Ton einstellen. Fahimi soll am 9. Mai auf dem Bundeskongress in Berlin gewählt werden.

Die Großen haben es vermasselt

Die zähe und am Ende mit einer Überraschung endende Suche nach einem Nachfolger von Reiner Hoffmann, der acht Jahre den DGB führte, veranschaulicht das ganze Elend des Gewerkschaftsbundes: Erst will es niemand machen, dann findet man auf den letzten Metern eine Frau mit der Gewerkschaftsexpertise als Referentin der IG BCE. Neben IG-Metall-Chef Hofmann sieht auch Vassiliadis bei dieser speziellen Familienpolitik nicht gut aus. Beide Industriegewerkschafter hatten vor zwei Wochen zu spät und dann am Ende vergeblich versucht, Werneke für Vassiliadis als DGB-Vorsitzenden zu gewinnen. Das ging dann krachend schief und hat dem DGB geschadet. Es wäre so einfach gewesen: Die drei Großen, also Hofmann, Werneke und Vassiliadis, hätten frühzeitig klären können, dass Vassiliadis mit Verdi nicht geht. Eine Nominierung von Fahimi hätte dann nicht die Wogen geschlagen, die jetzt wieder über dem DGB zusammenbrechen. (Mitarbeit: Hans Monath)

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