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Wirtschaft: SPD warnt vor Bürokratisierung der Ausbildung

Zahlreiche Ausnahmen machen das Gesetz zur Ausbildungsplatzumlage schwerfällig – Union hat verfassungsrechtliche Bedenken

Berlin (hmt/pet/HB). Der arbeitspolitische Sprecher der SPD, Klaus Brandner, hat vor einer Bürokratisierung der Ausbildungsplatzabgabe gewarnt. „Ausnahmen verkomplizieren die Sache immer mehr“, sagte Brandner dem Tagesspiegel einen Tag vor der ersten Lesung der Gesetzesvorlage im Bundestag. „Sinn des Gesetzes darf es nicht sein, es durch zu viele Ausnahmen kaputt zu machen.“ Einige Ausnahmen zum Beispiel für Kleinstbetriebe seien jedoch sinnvoll. Der SPDPolitiker sprach sich aber dagegen aus, auch Ausnahmen für den Bund zu schaffen. „Der Staat muss seine Ausbildungsaufgabe ernster nehmen“, mahnte Brandner. Der Arbeitsmarktexperte betonte, dass er eine freiwillige Lösung der gesetzlichen Regelung vorzieht. „Es bleibt dabei: Das Beste wäre es, zum 1. September eine pragmatische Lösung zu finden.“

Auch koalitionsintern ist die Neuregelung umstritten. Experten beider Parteien wollen den ursprünglichen Gesetzentwurf noch verändern und Branchen wie die Bau- und Chemiewirtschaft, in denen es Tarifvereinbarungen zur Ausbildung gibt, von der Umlage befreien. Die Grünen plädieren auch für Ausnahmen für Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser, Existenzgründer und öffentlich geförderte Einrichtungen. Zudem fordert der Städtetag eine Ausnahme für Kommunen, die Träger der beruflichen Schulen sind.

Unabhängig von den Verbesserungsvorschlägen wachsen nach Tagesspiegel-Informationen in der Bundesregierung und in beiden Fraktionen Vorbehalte gegen das Gesetz. Die Realisierung erweise sich als schwerfälliger und bürokratischer, als absehbar gewesen sei, heißt es zur Begründung. Auch Rezzo Schlauch, parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, hat „ernsthafte Bedenken, dass die vielen Einzelprobleme gelöst werden können“ und das Gesetz damit „überhaupt praktikabel umgesetzt werden kann“. Allerdings gilt es in Regierungskreisen als ausgeschlossen, dass der Kanzler das Projekt fallen lässt.

Die Kritik wurde auch bei den Abstimmungen in den Regierungsfraktionen deutlich. Dienstagabend stimmten 25 von 125 anwesenden SPD-Abgeordneten gegen das Gesetz, bei den Grünen votierten 13 Abgeordnete dagegen, etwas mehr als zwanzig dafür. Die Fraktionsführungen rechnen trotzdem mit einer Mehrheit. „Damit ist noch keine Festlegung für das Abstimmungsverhalten im Bundestag getroffen“, sagte SPD-Fraktionsvize Nicolette Kressl.

Die bildungspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Katherina Reiche, warnte, die Eingriffe würden die verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Entwurf verstärken. „Je flexibler das Gesetz gemacht wird, um so angreifbarer wird es verfassungsrechtlich“, sagte sie dem Tagesspiegel mit Verweis auf ein Gutachten des Bremer Arbeitsrechtlers Wolfgang Däubler. Er kommt zu dem Schluss, „dass der Gleichheitsgrundsatz verletzt wäre“, wenn „nicht alle Unternehmen in gleichem Umfang an der Umlage beteiligt wären“. Auch SPD-Expertin Kressl räumte ein, dass beide Fraktionen „den verfassungsrechtlichen Spielraum sehr stark ausdehnen“. Reiche sagte voraus, das Gesetz werde spätestens in Karlsruhe scheitern.

Zweifel kommen auch aus der Wissenschaft. Das Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn befürchtet, dass die Lehrstellen-Umlage „fatale Folgen“ für das Ausbildungsverhalten der Betriebe haben wird. Da sie vor allem Großbetriebe belaste, könnten diese ihre Ausbildung weiter einschränken.

Der Präsident von Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, bezeichnete den Gesetzentwurf als „schlimmster bürokratischer Sozialismus“. Allein in der Metall- und Elektroindustrie ergebe sich eine zusätzliche Belastung von 250 Millionen Euro im Jahr.

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