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Wirtschaft: Spezialisten müssen länger arbeiten

150 Betriebe nutzen Öffnungsklauseln/IG Metall: Keine neuen Zugeständnisse

Berlin - In den Entwicklungsabteilungen deutscher Unternehmen wird immer länger gearbeitet. Die Arbeitszeit der Ingenieure und Forscher übersteigt die der in der Produktion Beschäftigten oft deutlich. Die 40-Stunden-Woche ist verbreitet, in Einzelfällen gehört eine Wochenarbeitszeit von 44 Stunden zum Alltag.

Erleichtert wird die Einführung längerer Arbeitszeiten in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen durch die Öffnungsklauseln des Metalltarifabschlusses vom Februar 2004. Er sieht Varianten vor, wie Unternehmen die Arbeitszeiten verlängern können. So können etwa Firmenleitung und Belegschaft in besonders entwicklungsintensiven Betrieben für maximal die Hälfte der Beschäftigten die 40-Stunden-Woche als Regelarbeitszeit verabreden, ohne eine Genehmigung bei Gewerkschaft und Arbeitgeberverband einzuholen. Auf Antrag können die Betriebe unter bestimmten Voraussetzungen auch für mehr als 50 Prozent der Beschäftigten die Arbeitszeit verlängern.

Nach Angaben der Tarifparteien gibt es derzeit 150 Betriebe mit derartigen Verabredungen. Die tarifliche Regelarbeitszeit in der Metallindustrie beträgt 35 Stunden im Westen und 38,5 Stunden im Osten. Der alte Tarifvertrag sah für maximal 18 Prozent einer Belegschaft Spielraum für längere Arbeitszeiten vor.

Konzerne wie Daimler-Chrysler oder Bosch lassen die Mitarbeiter in den Entwicklungsabteilungen längst 40 Stunden arbeiten. Doch vielen Unternehmen reicht der Rahmen nicht mehr aus. Das liegt einerseits am zunehmenden Fachkräftemangel der Industrie. Außerdem ist zusätzliche Arbeitszeit mit erheblichen Kosten verbunden: „Die zusätzliche Arbeitszeit über die tariflich vereinbarte hinaus ist durch die Zuschläge zu teuer geworden“, heißt es etwa beim Autozulieferer Continental, der sowohl dem Metall- als auch dem Chemietarif angehört.

„Wir können beobachten, dass der Druck größer geworden ist. Die Ingenieure stehen an vorderster Front der Globalisierung“, sagte der Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure, Willi Fuchs. Die IG Metall wehrt sich gegen Forderungen der Industrie, über die Öffnungsklauseln hinaus weitere Zugeständnisse zuzulassen. „Wir halten die getroffene Regelung für ausreichend“, sagte eine IG-Metall-Sprecherin. Die Unternehmen bleiben überwiegend zurückhaltend. „Wir wollen die IG Metall nicht vorführen, aber hinter den Kulissen sucht jeder nach praktikablen Lösungen“, heißt es bei einem großen deutschen Automobilzulieferer. Auf Betriebsebene seien sehr flexible Vereinbarungen auch jenseits der Öffnungsklausel möglich.

Nach Einschätzung des Würzburger Arbeitsmarkt-Experten Norbert Berthold ist „nicht die Länge, sondern die Flexibilität der Arbeitszeit das Entscheidende“. Angesichts der meist nach unten starren Lohnsätze sei jedoch die Arbeitszeitverlängerung für die Betriebe oft die einzige Möglichkeit, die Arbeitskosten zu senken und Stellen in Deutschland zu sichern. (HB)

Markus Fasse

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