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Wirtschaft: Spiel ohne Grenzen

Gefährliche Produkte werden kaum entdeckt Der Zoll ist bei Importwaren machtlos

Berlin - Eigentlich hatte sich Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) in aller Ruhe mit Industrievertretern und Verbraucherschützern über eine bessere Kennzeichnung von Produkten unterhalten wollen. Doch dann erreichte die Runde eine neue Skandalmeldung. Die US-Spielzeugkette Toys ’R’ Us rief am Donnerstagabend 27 000 Schreib- und Malkästen zurück. Der Grund: Die in China gefertigten Artikel enthalten Blei. Zwar haben deutsche Filialen die Ware nicht vertrieben, dennoch gibt die erneute Rückrufaktion zu denken. Denn bereits zuvor hatten Toys ’R’ Us und der US-Spielzeughersteller Mattel gefährliche Magnete und bleihaltige Babylätzchen aus China aus dem Verkehr ziehen müssen.

Mit einem „Workshop zur Güte“ wollte Glos mit den Experten in Berlin beraten, wie man deutsche Verbraucher besser schützen kann. Der Minister selbst hatte ein neues Qualitätssiegel für schadstofffreies Spielzeug vorgeschlagen, der baden-württembergische Verbraucherschutzminister Peter Hauk (CDU) hatte laut über Importverbote nachgedacht.

Erstes Ergebnis des Treffens: Das deutsche GS-Siegel, das vom TÜV vergeben wird, soll gegen Angriffe aus Brüssel verteidigt werden. Die EU-Kommission will nationale Prüfsiegel zurückdrängen und stattdessen das europäische CE-Zeichen aufwerten. Das bringt dem Verbraucher jedoch nichts. Denn anders als das GS-Siegel können sich die Hersteller das CE-Zeichen selbst verleihen.

Doch das GS-Siegel allein dürfte die Probleme mit den gefährlichen Importen nicht lösen. „Wir haben erhebliche Sicherheitslücken“, warnt Sylvia Maurer vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Die Verbraucherschützerin fordert mehr Kontrollen an der Grenze, um gefährliche Spielwaren, Elektrogeräte oder Textilien gar nicht erst ins Land zu lassen. Dabei reicht es nicht, die deutschen Grenzkontrollen auszubauen. Denn immer mehr Güter kommen über die neuen Mitgliedsländer Rumänien oder Bulgarien in die Europäische Union. „Wenn der Importeur seine Waren in Rumänien verzollt, kann er sich danach frei in der EU bewegen“, sagt Arnes Petrick, Sprecher der Hamburger Zollbehörde.

Aber auch in Deutschland sind die Zollbeamten weit davon entfernt, jede Importware zu überprüfen. Nur rund fünf Prozent der Einfuhren werden von den 600 Beamten im Hamburger Hafen – der größten Einfuhrstelle Deutschlands – kontrolliert. Aktiv werden sie meist dann, wenn der Verdacht auf Steuerhinterziehung besteht. Allerdings können auch Produktwarnungen ins EDV-System des Zolls eingespeist werden. „Dann halten wir die Ware fest“, sagt Petrick. An flächendeckende Kontrollen sei jedoch überhaupt nicht zu denken. „Wir haben jedes Jahr im Hamburger Hafen mit zwei bis drei Millionen Containern zu tun. Wenn wir alle anhalten, dann geht hier nichts mehr.“

Ist die Ware im Land, sieht es nicht viel besser aus. „Bei den Marktüberwachungsbehörden ist Personal abgebaut worden“, kritisiert Maurer. Auch im Lebensmittelbereich fehlen Kontrolleure. Obwohl nach den Gammelfleischskandalen viele Länder angekündigt hatten, mehr Kontrolleure einstellen zu wollen, ist bisher kaum etwas passiert.

Im November will Wirtschaftsminister Glos mit seinen Länderkollegen über bessere Kontrollen sprechen. Nach Meinung von Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, reicht das jedoch nicht. Er fordert härtere Sanktionen gegen schwarze Schafe. „Die Bußgelder müssen höher sein als das, was die Firmen mit ihrer schlechten Ware verdienen“, meint Wolfschmidt. „Lügen dürfen sich nicht lohnen.“ Zudem sollten Unternehmen, die sich etwas zuschulden kommen lassen, öffentlich genannt werden, fordert Wolfschmidt. „Der Druck, korrekt zu arbeiten, steigt.“ Heike Jahberg

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