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Wirtschaft: Spielraum für Zinssenkung wird größer

Starker Euro und schwache Konjunktur erhöhen den Druck auf die EZB/Bundesbank: Export kaum gebremst

Berlin (dr). Angesichts des starken Kursanstiegs des Euro und der lahmenden Konjunktur in Deutschland werden die Forderungen nach einer erneuten Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank (EZB) wieder lauter. Die EZB veröffentlicht am Donnerstag ihren neuesten Monatsbericht und, da sind sich Analysten einig, „alle Signale auf ein weiterhin angespanntes Wirtschaftsklima steigern die Erwartungen auf eine weitere Zinssenkung.“

Auch Wirtschafts und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte zum Ende der vergangenen Woche gegenüber der „Financial Times Deutschland“ erklärt: „Wir könnten aus deutscher Sicht natürlich eine Zinspolitik nach amerikanischem Vorbild gebrauchen. Das heißt: eine deutlichere Zinssenkung." Die EZB sollte auf Deutschland Rücksicht nehmen, forderte Clement. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, hält eine Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) derzeit nicht für erforderlich. Auf die Frage, ob wegen des steigenden Eurokurs und der daraus resultierenden Erschwernis für den deutschen Export eine EZB-Zinssenkung nötig sei, sagte Rogowski am Montag in Berlin: „Nein, das ist nicht vordringlich. Die Geldpolitik kann nicht die falsche Wirtschaftspolitik richten.“

EZB-Vizepräsident Lucas Papademos schließt hingegen eine erneute Zinssenkung der Europäischen Zentralbank nicht aus. „Sollten Wachstum und Inflation gleichzeitig nachlassen, könnte eine Situation eintreten, dass durch eine Verschlechterung der Wirtschaftsbedingungen, aber nicht als Konsequenz eines Ölpreisschocks eine Zinsänderung wünschenswert sein könnte", sagte Papademos kürzlich in einem Interview der "Börsen-Zeitung".

Allerdings hat der starke Euro die deutsche Industrie bislang nicht ausgebremst. Die Aufwertung insbesondere gegenüber dem US-Dollar habe zumindest im Oktober und November 2002 dem Export nicht geschadet, schreibt die Bundesbank in ihrem am Montag veröffentlichten Monatsbericht. Die Auftragslage in der Industrie habe sich im November dank des Auslandsgeschäfts sogar weiter verbessert.

Derzeit liegt der Euro-Kurs bei rund 1,06 Dollar. Seit November hält sich die europäische Gemeinschaftswährung nachhaltig über der Marke von 1,00 Dollar. Zum einen exportiere Deutschland 40 Prozent seiner Waren in die Eurozone, erläutern die Ökonomen der Notenbank. Außerdem komme es auf den gesamten Außenwert zu anderen Währungen an, nicht nur auf den Euro-Dollar-Kurs.

Ob aber eine erneute Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank auch tatsächlich an die Bankkunden weitergegeben wird, erscheint zweifelhaft. Zuletzt hatte die EZB die Leitzinsen zum 6. Dezember um einen halben Prozentpunkt gesenkt. Damals hatten sich die deutschen Geschäftsbanken mit der Weitergabe ausgesprochen schwer getan. Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken und Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, Rolf E. Breuer, hatte sogar prophezeit, dass sich die Kreditinstitute angesichts der akuten Ertragsprobleme eine Weitergabe der Zinssenkung nicht leisten könnten. Dies brachte ihm nicht nur geharnischte Kritik aus dem Sparkassenlager und der Politik ein. Auch das Bundeskartellamt überprüft Breuers Aussagen inzwischen.

Wie zögerlich die Banken bei der Weitergabe bisher gehandelt haben, zeigt sich aus dem statistischen Anhang des jüngsten Monatsberichts der Deutschen Bundesbank. Demzufolge blieb der Durchschnittszinssatz für Dispositionskredite (für die genehmigte Überziehung des Girokontos) Mitte Dezember gegenüber dem Vormonat bei unverändert 12,53 Prozent. Im Oktober hatte der Durchschnittszinssatz noch bei 12,52 Prozent gelegen. Etwas rückläufig war der Effektivzinssatz für Ratenkredite von 5000 bis 15000 Euro. Er sank von 10,74 Prozent im Oktober über 10,70 Prozent (November) auf 10,64 Prozent Mitte Dezember.

Wesentlich schneller sanken die Habenzinsen. Für Sichteinlagen betrug der durchschnittliche Zinssatz nach Berechnungen der Bundesbank Mitte Oktober noch 1,76 Prozent. Er stieg im November auf 1,77 Prozent um bis Mitte Dezember auf 1,66 Prozent nachzugeben. Ähnlich die Entwicklung auch bei den Festgeldern. Festgeld in Höhe von bis zu 50000 Euro auf einen Monat festgelegt, verzinste sich im Oktober mit durchschnittlich 2,29 Prozent, im November mit 2,24 Prozent und im Dezember nur noch mit 2,04 Prozent. Inzwischen aber kommt doch Bewegung in den Markt. Die Deutsche Bank kündigte in der vergangenen Woche eine Zinssenkung an.

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