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Beliebt bei Kindern: Holzspielzeug. Es enthält aber häufig gesundheitsgefährdende Stoffe, hat die Stiftung Warentest ermittelt. Foto: Imago

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Spielzeug: Gift im Kinderzimmer

Auch teures Spielzeug enthält gefährliche Stoffe. Eine Kontrolle gibt es kaum. Jetzt will die Regierung strengere Gesetze durchsetzen.

Berlin - Wer seinen Kindern eine Holzeisenbahn von Brio unter den Weihnachtsbaum legt oder Bauklötze der fränkischen Firma Haba, ist kein Sparfuchs. 40 Euro muss man für den Zug ausgeben, 20 Euro für ein paar bunte Klötzchen. Aber wenn es darum geht, die Kleinen zu fördern, kaufen Oma, Eltern und Paten lieber pädagogisch wertvolle Qualitätsprodukte als Billigware aus China. Doch jetzt hat die Stiftung Warentest die Kinderzimmer-Idylle zerstört: Im Holzspielzeug fanden die Tester gesundheitsschädliche Chemikalien.

Die Politik ist alarmiert. „Der Schutz der Kinder hat für mich höchste Priorität“, sagt Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP haben einen gemeinsamen Antrag beschlossen, der noch im November vom Bundestag verabschiedet werden soll. Danach sollen die Grenzwerte für krebserregende, erbgut- und fortpflanzungsschädigende Stoffe im Kinderspielzeug gesenkt werden. Damit keine schädlichen Produkte in den Handel kommen, sollen Prüfungen durch unabhängige Dritte – etwa Testlabore – verbindlich vorgeschrieben werden, zudem sollen die Außenkontrollen an den Grenzen und die Marktaufsicht im Inland verbessert werden. Das soll die Bundesregierung in Brüssel durchsetzen, denn Spielzeug ist Sache der EU.

Das europäische Recht geht den Deutschen nicht weit genug. Aus gutem Grund. So gibt es bei Nickel, das häufig Allergien auslöst, zwar Höchstwerte für Schmuck und Uhren, aber nicht für Spielzeug. Für gesundheitsschädliche Schwermetalle wie Arsen, Blei oder Quecksilber sind die Grenzwerte in der neuen EU-Spielzeugrichtlinie abgesenkt worden. Nach EU-Recht dürfen bis zu 160 Milligramm Blei pro Kilogramm austreten, obwohl das Metall bereits in geringen Mengen dem Gehirn schaden kann. Problematisch sind auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (Pak), die über Weichmacheröle oder Rußpartikel im Spielzeug landen. Sie gelten als krebserregend, fruchtschädigend oder erbgutverändernd. Die Spielzeugrichtlinie erlaubt ab 2013 bis zu 1000 Milligramm Pak pro Kilogramm. Das Bundesinstitut für Risikobewertung fordert einen Grenzwert von 0,2 Milligramm. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Regelungen für Pak in Autoreifen strenger sind als die für Pak in Spielzeug, kritisiert das Institut.

Über all das soll jetzt in Brüssel verhandelt werden. Am 8. November berät dort erstmals eine Expertengruppe über mögliche Änderungen der Spielzeugrichtlinie. Auch die Hersteller wünschen sich klare Vorgaben. „Wir halten uns streng an die geltenden Vorschriften“, betont Christian Alsbaek, Geschäftsführer der Brio Deutschland GmbH. „Aber für viele Stoffe gibt es keine Normen.“ Auch Matthias Löhnert, Chef der Qualitätssicherung bei der Firma Habermaaß, versichert, dass man die Normen einhält. Mehr noch: Haba-Spielsachen würden laufend von unabhängigen Prüfinstituten „weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus“ getestet, erklärt er.

Erik Schweickert, verbraucherpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, rechnet mit einem Erfolg in Brüssel. „Ich erwarte, dass auch die anderen Länder der Europäischen Union ein Interesse an der Gesundheit der Kinder haben“, sagte Schweickert dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Verunsicherung der Eltern müsse „gerade auch im bevorstehenden Weihnachtsgeschäft beendet werden“, fordert er.

Doch mit einer schnellen Lösung ist in Brüssel nicht zu rechnen. Die neue EU-Spielzeugrichtlinie ist seit Juli 2009 in Kraft, bis Juli 2011 muss sie in den Mitgliedsländern umgesetzt werden. Die Änderungen, für die Deutschland jetzt streitet, betrifft neue Chemiegrenzwerte, die erst ab Juli 2013 anzuwenden sind. „Die Entscheidung muss vor Juli 2013 erreicht werden“, heißt es im Wirtschaftsministerium. Vielen dauert das zu lange. Die Grünen fordern schnellstens einen „Spielzeug-Tüv“, Gerd Billen, Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV), macht sich für bessere und häufigere Kontrollen stark. Notfalls auch im Alleingang. „Man darf nicht den Versprechen der Händler und Hersteller vertrauen“, sagte Billen dem Tagesspiegel. Der Verbraucherschützer fordert für Spielzeug ein Kontrollsystem nach dem Vorbild des „QS“-Siegels (Qualität und Sicherheit), das im Zuge der BSE-Krise für den Lebensmittelbereich geschaffen worden ist. Das Siegel soll eine Rückverfolgbarkeit der Lebensmittel sicherstellen und besteht aus einem dreistufigen Kontrollsystem, das die betriebliche Eigenkontrolle, eine neutrale Kontrolle und die Kontrolle der Kontrolle kombiniert. „Das wäre ein gutes Vorbild“, meint Billen.

Dass mehr Kontrollen nötig sind, geben auch die Kontrolleure zu. In der Spielwarenbranche erklären die Hersteller nämlich bislang selbst, dass sie sich an die geltenden Gesetze halten. Das CE-Zeichen, das sie aufdrucken, hat daher – anders als das GS-Zeichen, das von Testlaboren erteilt wird – keinerlei Aussagekraft. Eine staatliche Kontrolle findet kaum statt. „Wir haben vier Kontrolleure für das gesamte Berliner Stadtgebiet“, sagt Robert Rath, Sprecher des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit. Die sind aber nicht nur für Spielwaren, sondern auch für Kreissägen, Haushaltsleitern und Haartrockner zuständig. Und auch chemische Untersuchungen scheitern an den Umständen: „Wir haben gar kein Labor.“

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