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Spirituosen: Raki statt Bier

Galip Yorgancioglu leitet den größten Spirituosen-Produzenten der Türkei. Sein Ziel: Der Anisschnaps soll zum Szenegetränk werden.

Berlin - Seinen ersten Raki hat Galip Yorgancioglu mit 15 getrunken. Er war damals Internatsschüler in Istanbul. Sein Onkel kam aus Izmir zu Besuch und lud ihn zum Essen ein. Der Neffe bestellte eine Cola. Der Onkel sagte: „Was soll das denn? Du trinkst jetzt einen Raki. Du bist alt genug“. „Mein Vater war böse, als er das hörte“, erzählt Yorgancioglu. Wahrscheinlich wollte er den Sohn selbst in die Tradition des türkischen Nationalgetränks einweihen, so wie es sein Vater schon mit ihm gemacht hatte. „Raki ist ein Ritual“, sagt Yorgancioglu. Zum Ritual gehöre, dass der Raki immer am Kopf des Tisches stehe, nie in der Mitte. „Aus Respekt vor der Flasche“.

Der 48-Jährige sitzt im feinen Anzug in der Lobby des Berliner Hyatt-Hotels und nippt an einer Tasse Tee. Seine Mission ist es, den Raki vom türkischen Großvater-Schnaps zum internationalen Szenegetränk zu machen. Er ist der Chef von Mey, dem größten Spirituosen-Produzenten der Türkei. Das Unternehmen produziert 70 Millionen Liter Alkohol im Jahr, neben dem Anisschnaps auch Wein, Wodka, Gin, Cognac und Likör. An diesem Freitag ist Yorgancioglu nach Berlin gekommen. Er will mit Händlern und Restaurantbesitzern sprechen, um seine Spitzenmarke, den Yeni Raki, zu bewerben. Und er will am Abend das Fußballspiel im Olympia-Stadion sehen. Mey sponsert auch das deutsch-türkische Public Viewing in Kreuzberg. Sie schenken Raki aus statt Bier. „Warum nicht?“, sagt Yorgancioglu.

Er ist selbst großer Fußball-Fan. Das Internat, das er damals auf Wunsch seiner Mutter besuchte, ist eine Eliteschule im Istanbuler Galataviertel. Es heißt Galatasaray, wie der große türkische Fußballverein. Nach der Schule studierte er Betriebswirtschaft. Yorgancioglu war der Erste in seiner Familie, der nicht in den Baustoffhandel in Izmir einstieg. Stattdessen heuerte er bei internationalen Großkonzernen an. Philip Morris, Diageo (Johnnie Walker), Coca Cola, zuletzt war er verantwortlich für das Türkei-Geschäft von Burger King. 2004 bekam er einen Anruf. Ein paar Investoren aus Ankara, alles Bauleute, hatten den türkischen Staatsmonopolisten Tekel gekauft und suchten einen Manager aus der Getränkebranche, der den Raki auf den Weltmarkt bringen sollte. Yorgancioglu war damals 43, er sagt: „Es war die größte Herausforderung meines Lebens“. Ein türkisches Produkt, ein Staatsunternehmen, dessen Monopol gerade weggefallen war. 1500 Menschen arbeiteten damals bei Mey, „drei von ihnen machten einen Job, für den einer gereicht hätte“.

Yorgancioglu holte internationale Topleute in das Unternehmen. Er schloss sieben von 17 Fabriken, verkleinerte die Belegschaft um ein Drittel und steigerte die Produktivität. Er verpasste den Flaschen ein neues Design und investierte in das Marketing. Seine Vision: Yeni Raki als internationale Spitzenspirituose, vergleichbar mit Jim Beam oder Johnnie Walker. An Jim Beam reicht er schon beinahe heran: Mit dem Whiskey werden jährlich 790 Millionen Dollar umgesetzt, mit Yeni Raki 750 Millionen Dollar. 2006 wurde Mey zu 90 Prozent an die Texas Pacific Group verkauft, einen US-amerikanischen Finanzinvestor. Immer wieder gibt es Gerüchte, dass die Investoren Mey an die Börse bringen wollen. Das seien Spekulationen, sagt Yorgancioglu.

Hauptabsatzmarkt für Yeni Raki ist die Türkei. Zehn Prozent der Abfüllmenge gehen in den Export, 1,8 Millionen Liter nach Deutschland. Im nächsten Jahr sollen es zwei Millionen Liter sein. Die meisten Kunden seien türkischstämmige Deutsche, sagt Yorgancioglu, er wolle jetzt auch die deutschen Türkei-Freunde gewinnen. Die Deutschen seien Freunde des Anissschnaps. Sie trinken aber öfter Ouzo, das griechische Nationalgetränk. „Wir wollen den Ouzo überholen“, sagt Yorgancioglu.

Er sagt, er komme seit 15 Jahren nach Deutschland und nehme wahr, dass immer mehr Türken in der deutschen Gesellschaft angekommen sind. Er hat in Berlin türkischstämmige Abgeordnete getroffen und bewundert den Fußballspieler Mesut Özil, der in der deutschen Nationalmannschaft spielt. Er verstehe nicht, warum die Deutschen die Integration als Problem sehen. „Es ist doch gut, wenn die Leute zwei Sprachen sprechen“. Schließlich sei die Türkei mit einem Wirtschaftswachstum von durchschnittlich sieben Prozent ein wichtiger Partner. Er verstehe auch nicht, warum die EU seit 40 Jahren zögert, über eine türkische Mitgliedschaft zu entscheiden. „Wir haben schon viele Anstrengungen unternommen“, meint er. Für ihn als Unternehmer seien die Handelsbeziehungen mit der EU heute schon gut. „Aber als türkischer Bürger würde ich mich freuen“.

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