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Die einen wollen mit dem Wetten Geld auf ihre Lieblingsmannschaft setzen. Andere hoffen auf den großen Gewinn.

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Sportwetten: Anbieter machen ein Milliardengeschäft

Über vier Milliarden Euro nehmen Anbieter von Sportwetten jährlich ein. Die meisten von ihnen bewegen sich jedoch in einer rechtlichen Grauzone.

Von Carla Neuhaus

Der Feierabend beginnt für Grzegorz Rabiega mit einem Besuch im Wettbüro. Der kräftige Pole in blauer Latzhose sucht sich einen Platz am Ende des Raums – wegen des guten Blicks auf die Bildschirme. Sie zeigen Ergebnisse und Spieltermine diverser Sportmannschaften. Rabiega blickt konzentriert auf den kleinen Stapel Papier, der vor ihm liegt. „Ich muss mich etwas beeilen“, sagt der 44-Jährige. Seine Schicht als Kraftfahrer ist gerade vorbei, eigentlich muss er nach Hause zu Frau und Kind. Für die aktuellen Bundesliga-Tipps sei aber noch schnell Zeit.

Im Steglitzer Wettlokal Topgoal24 herrscht an diesem Nachmittag ein reges Kommen und Gehen. Die meisten Gäste setzen sich nur für ein paar Minuten an einen der schwarzen Tische, füllen ihre Tippscheine aus und gehen wieder. Rabiega schaut hier zwei- bis dreimal die Woche vorbei. Viel wetten, sagt er, würde er nie. „Es sind immer nur so zwei, drei Euro.“ Am liebsten tippt er Fußball-Ergebnisse – wie überhaupt die meisten Wettspieler.

Keine andere Sportart ist bei ihnen so beliebt: 80 bis 90 Prozent der Sportwetten in Deutschland sind Fußballwetten. Die einen Spieler wollen damit ihre Lieblingsmannschaft unterstützen, die anderen suchen den Nervenkitzel oder hoffen auf den großen Gewinn.

Dominiert wird der Markt für Sportwetten von großen Ketten

Für die Anbieter der Wetten ist das ein gutes Geschäft. Diejenigen von ihnen, die in Deutschland Steuern zahlen, haben 2013 gut vier Milliarden Euro Umsatz gemacht. Das lässt sich aus Zahlen des Bundesfinanzministeriums hochrechnen. Unklar ist allerdings, wie viele Einnahmen im Sportwettengeschäft am Fiskus vorbei gemacht werden. Die Beratungsagentur Goldmedia schätzte die Umsätze der Branche 2012 inklusive des Schwarzmarktes auf 6,8 Milliarden Euro.

Dominiert wird der Markt für Sportwetten in Deutschland von großen Ketten, die ein Franchisesystem betreiben: Sie werben Franchisenehmer an, die für sie zum Beispiel in Berlin Wettbüros führen und die Spielaufträge elektronisch an sie weiterleiten. Die Anbieter selbst haben ihren Sitz meist im Ausland. Beliebte Standorte sind Malta und Gibraltar. Denn anders als in Deutschland haben die Firmen dort in der Vergangenheit vergleichsweise einfach eine Lizenz für Sportwetten bekommen – außerdem zahlen sie dort weniger Steuern. In Deutschland handeln sie in einer Grauzone, ihre Wettshops werden derzeit geduldet.

Nur Schleswig-Holstein hat für kurze Zeit Lizenzen vergeben

Offiziell hat der staatliche Anbieter Oddset noch ein Monopol auf dem Markt.
Offiziell hat der staatliche Anbieter Oddset noch ein Monopol auf dem Markt.

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„Eigentlich dürfte es hierzulande keine privaten Anbieter geben“, sagt Sportökonom Luca Rebeggiani. Denn offiziell gibt es auf dem Markt noch immer ein Monopol: Demnach ist es einzig dem staatlichen Anbieter Oddset erlaubt, Sportwetten zu vertreiben. Private Anbieter hatten lange keine Chance, eine deutsche Konzession zu bekommen. Lediglich Schleswig-Holstein war 2012 für ein Jahr aus dem Glücksspiel-Staatsvertrag der Bundesländer ausgetreten und hatte in dieser Zeit in Eigenregie 22 Sportwetten-Anbietern eine Lizenz erteilt.

Derzeit versuchen die Bundesländer, den Markt neu zu regeln – gezwungenermaßen. Der Europäische Gerichtshof hatte 2010 erklärt, das deutsche Monopol sei nicht mit europäischen Recht vereinbar. Die Bundesländer haben deshalb beschlossen, 20 privaten Anbietern von Wettbüros und Onlineportalen eine Konzession zu erteilen. Doch das dauert. Das hessische Innenministerium, das die Aufgabe federführend übernommen hat, arbeitet bereits seit zwei Jahren an der Vergabe der Konzessionen. Mit einer Entscheidung sei „bis Ende des dritten, Anfang des vierten Quartals 2014“ zu rechnen, heißt es im Ministerium.

Branchenvertreter rechnen mit einem jahrelangen Rechtsstreit

Das Problem: Auf die 20  Lizenzen haben sich rund 100  Anbieter beworben. „Wir gehen davon aus, dass die Anbieter, die bei der Lizenzvergabe leer ausgehen, klagen werden“, sagt Luka Andric vom Deutschen Sportwettenverband. Es sei nicht nachvollziehbar, warum nur 20 Anbieter eine Konzession erhalten würden, wenn viel mehr die Kriterien dafür erfüllen würden. Die Folge dürfte ein jahrelanger Rechtsstreit sein.

Die Anbieter wollen raus aus der Schmuddelecke

Die einen wollen mit dem Wetten Geld auf ihre Lieblingsmannschaft setzen. Andere hoffen auf den großen Gewinn.
Die einen wollen mit dem Wetten Geld auf ihre Lieblingsmannschaft setzen. Andere hoffen auf den großen Gewinn.

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Auch wenn sie rechtlich gesehen in einer Grauzone agieren, haben die privaten Anbieter den Markt fast vollständig übernommen. Schätzungen zufolge stammen mittlerweile 95 Prozent der Umsätze mit Sportwetten aus dem unregulierten Bereich. Für die Nutzer ist es kaum ersichtlich, welche Anbieter ein seriöses Geschäftsmodell verfolgen.

Diese undurchsichtigen Strukturen stören mittlerweile auch viele Anbieter. Sie wollen raus aus der Schmuddelecke und üben sich deshalb in einer für die Branche ungewohnten Offenheit. „Wir wollen ein neues Maß an Transparenz vorleben“, sagt Christian Gruber, Deutschland-Geschäftsführer bei dem Anbieter Tipico, der hierzulande 850 Wettbüros sowie ein Online-Wettportal betreibt und damit im Jahr 2,5 Milliarden Euro umsetzt. Auch Tipico hat seinen Hauptsitz auf Malta. Anders ginge es nicht, sagt Gruber. „Wir tun alles, um unsererseits zur Umsetzung einer staatlichen Regulierung in Deutschland beizutragen.“

Tipico gehört zu den 41 Kandidaten, die derzeit noch im Rennen um die 20 deutschen Konzessionen sind. Seine Sicherheitsstandards habe der TÜV zertifiziert. „Außerdem schicken wir regelmäßig Testspieler in unsere Wettshops, um sicherzustellen, dass der Jugendschutz gewährleistet wird“, sagt Gruber.

Die Anbieter könnten einen Teil ihrer Stammkunden verlieren

Viele Wettbüros gehören zu großen Ketten.
Viele Wettbüros gehören zu großen Ketten.

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Um sich gegenüber schwarzen Schafen abzugrenzen, nehmen die Anbieter Einschränkungen in Kauf. Wer eine deutsche Lizenz bekommt, muss den Einsatz seiner Kunden deckeln: Spieler dürfen dann nur noch maximal 1000 Euro im Monat ausgeben. Außerdem wird ihr Konto für den Rest des Monats gesperrt, wenn sie mehr als zehn Mal 100 Euro setzen. Für nachvollziehbar halten viele Anbieter diese Regeln allerdings nicht. „Das ist ein klarer Wettbewerbsnachteil vor allem auch für Online-Anbieter“, sagt Peter Reinhardt, der bereits für mehrere Wettanbieter gearbeitet hat und in Kreuzberg gerade eine eigene Wettfirma aufbaut. Mit den Regeln will der Staat das Suchtpotenzial einschränken – erreichen würden sie das damit aber nicht, glaubt Reinhardt. „Süchtige oder suchtgefährdete Spieler wandern dann einfach zu Schwarzmarkt-Anbietern ab.“ So stehen die Wettbüros vor einem Dilemma: Gehen sie den Weg in die Legalität und halten sich an die Regeln, könnten sie einen Teil ihrer Stammkunden verlieren.

In Steglitz blickt man der Entwicklung noch gelassen entgegen. Spieler Rabiega betont, ein Problem mit dem Spielen habe er nicht. Ins Wettbüro geht er auch der Geselligkeit wegen. Zwar werden hier keine Getränke verkauft, und auch der Raum an sich ist eher karg eingerichtet. Aber mittlerweile kennt Rabiega die meisten Stammkunden, und schaut sich wichtige Spiele gerne mit ihnen zusammen an. Vor allem zur WM- und Bundesligazeit bleibt er oft schon mal einen ganzen Abend hier. „Wenn ich merke, dass ich zu viel Zeit im Wettbüro verbringe, mache ich einfach mal eine Woche Pause.“

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