zum Hauptinhalt
Griechenland ist zurück: Erstmals seit 2010 wird Athen wieder den Kapitalmarkt anzapfen und sich ohne internationale Hilfe längerfristig Geld besorgen.

© dpa

Update

Staatsanleihen: Anleger bieten Griechenland Milliarden

Griechenland ist zurück: Erstmals seit 2010 hat das Krisenland wieder den Kapitalmarkt angezapft und sich ohne internationale Hilfe drei Milliarden Euro besorgt. Am Freitag reist Angela Merkel nach Athen.

Griechenland ist zurück: Erstmals seit 2010 zapft Athen wieder den Kapitalmarkt an und besorgt sich ohne internationale Hilfe längerfristig Geld. Dabei sammelte das Land drei Milliarden Euro ein, wie das Finanzministerium in Athen mitteilte. Das waren 500 Millionen Euro mehr als geplant. Nach den Worten des stellvertretenden Ministerpräsidenten Evangelos Venizelos ist das Land bei seinem Comeback am Kapitalmarkt auf riesiges Interesse bei Investoren gestoßen. Die fünfjährige Staatsanleihe, die mit einer Nominalverzinsung von 4,75 Prozent ausgestattet ist, sei mindestens um das Achtfache überzeichnet gewesen, sagte Venizelos am Donnerstag in Athen. Die enorme Nachfrage sei ein Beleg dafür, dass die Schuldenlast des Landes tragfähig sei. Finanzminister Yannis Stournaras sprach von einem “riesigen Erfolg“. Etwa 90 Prozent seien an institutionelle Investoren im Ausland gegangen. Das Timing war perfekt: An diesem Freitag reist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für einige Stunden nach Athen. Der Versuch, die Bond-Emission mit einem Bombenanschlag zu stören, scheiterte am Donnerstagmorgen: Vor der griechischen Zentralbank detonierte eine Autobombe, ohne größeren Schaden anzurichten. Verletzt wurde niemand.

Lob vom Internationalen Währungsfonds

Der Internationale Währungsfonds (IWF) lobte die erfolgreiche Ausgabe der griechischen Staatsanleihe. Dies sei ein Zeichen dafür, dass sich Athen in die „richtige Richtung“ bewege, sagte IWF-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag bei ihrer Auftaktpressekonferenz der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington. Eine vollständige Rückkehr Griechenlands an die Kapitalmärkte zeichne sich „am Horizont“ ab. Noch sei das Hilfs- und Reformprogramm von IWF und Europäischer Union aber nicht vorbei. „Es bleibt noch viel zu tun“, sagte Lagarde. Nach Angaben des Reuters-Informationsdienstes IFR haben 550 Anleger zusammen mehr als 20 Milliarden Euro geboten. EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia begrüßte die Rückkehr Griechenlands an den Kapitalmarkt: “Das sind extrem gute Nachrichten“, sagte er in Athen. “Das wird Vertrauen in Europa stärken, dass die Krise überwunden wird.“ Mit der ersten Anleihe seit Beginn der Schuldenkrise 2010 will das Land das Interesse der Anleger testen, bevor er sich wieder vollständig über den Markt refinanziert. Derzeit wird Griechenland mit zwei internationalen Kreditpaketen vor der Pleite bewahrt.

Anleger suchen hohe Zinsen

Auf der verzweifelten Suche nach höheren Zinsen sind Staatsanleihen aus der Euro-Peripherie gefragt wie lange nicht mehr. Die hohe Nachfrage treibt Kurse der Altanleihen seit zwei Jahren an. Die stark gesunkenen Renditen haben nun wohl Athen ermutigt, früher an den Kapitalmarkt zurückzukehren als zunächst erwartet.

So gab es einen bis 2024 laufenden Hellas-Bond vor zwei Jahren zu einem Kurs von etwa zwölf und einem (im Rahmen des internationalen Hilfsprogramms reduzierten) Zinskupon von zwei Prozent. Seither hat sich der Kurs auf 78 versechseinhalbfacht. Auch Portugals Staatsschuld ist heiß begehrt: Wer sich vor zwei Jahren eine bis 2037 laufende portugiesische Staatsanleihe mit einem Zinskupon von 4,1 Prozent (WKN A0GP0C) ins Depot legte, liegt heute 140 Prozent im Plus. Dramatisch gesunken sind auch die zehnjährigen Renditen in Spanien (von über sieben auf jetzt 3,2 Prozent) und Irland (von fast zwölf Prozent auf jetzt unter drei). Das Risiko der Peripheriepapiere halten Anleiheexperten für überschaubar, seit die Notenbank eine Quasigarantie ausgesprochen hat. Zwar hinkt die wirtschaftliche Entwicklung in der Peripherie dem Optimismus der Anleger hinterher. Doch gilt auch bei Anleihen: Gehandelt werden nicht Gegenwart und Fakten, sondern Hoffnungen und Zukunft.

Münzen nach Athen tragen. Griechenland kehrt an den Kapitalmarkt zurück. Foto: dpa
Münzen nach Athen tragen. Griechenland kehrt an den Kapitalmarkt zurück. Foto: dpa

© dpa

Starker Anstieg der Renditen deutscher Bonds

Das Schwert ist jedoch zweischneidig: Anleihen von EU-Staaten höherer Bonität, neben Deutschland beispielsweise Frankreich oder Österreich, leiden unter steigenden Renditen. Binnen eines Jahres sind sie bei zehnjährigen deutschen Bonds von 1,2 auf jetzt 1,57 Prozent gestiegen, lagen allerdings 2013 auch schon etwas höher. Wer die Zehnjährigen gekauft hatte, muss nun mit deutlich abgemagerten Kursen leben. In den USA ist dieser Trend noch deutlich massiver: Die Renditen zehnjähriger Anleihen haben sich seit Juni 2012 fast schon verdoppelt, von 1,48 auf jetzt 2,7 Prozent. Eine zuvor mehr als 30-jährige Anleihehausse, die die Renditen von 16 Prozent in den 80er Jahren scheibchenweise in den Keller und die Kurse umgekehrt immer wieder in luftige Höhen befördert hat, könnte damit beendet sein.

Ablesbar ist das auch an Anleihefonds, die global investieren: Bis auf wenige Ausnahmen haben alle das zurückliegende Jahr im Minus beendet. Der Pimco Total Return, mit 232 Milliarden Dollar der weltweit größte Anleihefonds aus dem Konzernverbund der Allianz, verlor allein seit Anfang 2013 fast 50 Milliarden Dollar Anlegergelder. Denn die Aussicht auf steigende Zinsen verjagt Anleger aus älteren, niedriger verzinsten Papieren, drückt damit auf die Kurse. Mit den steigenden Renditen macht sich allerdings auch ein umgekehrter Effekt bemerkbar: Weil Staatsanleihen in den USA wieder mehr abwerfen, steigen auf den niedrigeren Kursen in den USA wieder mehr Anleger neu ein. Dreijährige Papiere verzeichneten gerade die stärkste Nachfrage seit mehr als einem Jahr, vor allem von professionellen Investoren wie Pensionsfonds und Versicherungen, die höhere Risiken (mit höheren Renditen) meiden müssen.

Europa und die USA driften auseinander

Wie schwach dagegen Deutschlands Bondsmärkte zuletzt blieben, zeigt gut die Wertentwicklung eines passiven Indexfonds, der einfach in die liquidesten deutschen Staatsanleihen und damit in den breiten Markt investiert hat, etwa der ishares eb.rex Government Germany (WKN 628946). In den vergangenen zwölf Monaten schaffte das Papier gerade mal 0,1 Prozent, weil sich niedrige Kupons und sinkende Kurse addiert hatten.

Auch bei den kurzfristigen, an den Leitzinsen ablesbaren Sätzen gehen Europa und die USA weit auseinander. Während in den USA eine Zinswende fast schon als ausgemachte Sache gilt, müssen Europas Anleger wohl noch länger bei niedrigen Zinsen ausharren. Allein seit April 2012 hat sich die Verzinsung von Tagesgeldern im Schnitt auf derzeit 0,68 Prozent halbiert, haben die Zinsspezialisten der FMH Finanzberatung ausgerechnet. Kurzfristig ist sogar ein weiterer Abschlag nicht ausgeschlossen: HSBC Trinkaus rechnet mit einer Minizinssenkung um zehn Basispunkte auf 0,15 Prozent in der zweiten Jahreshälfte. In den USA hingegen sehen die Zinsauguren den Leitzins bis 2016 von jetzt fast null auf dann 2,25 Prozent steigen. Auch die langfristigen Sätze dürften mitziehen.

Für die Anleihemärkte in den Kernländern der Euro-Zone wiederum erhoffen sich manche Marktteilnehmer Schützenhilfe von der Europäischen Zentralbank. Denn die Notenbank spielt Szenarien durch, die eine womöglich drohende Deflation, also sinkende Preise und Investitionen, mit frisch gedrucktem Geld und Anleihekäufen von bis zu einer Billion Euro bekämpfen sollen. Ein Kaufprogramm, so die Hoffnung vieler Investoren, könnte die Kurse wieder antreiben. Allerdings gehen Notenbanker davon aus, dass im Ernstfall nicht Staatsanleihen, sondern Kreditportfolios und damit die Finanzierung von Unternehmen auf den Kauflisten stünden.Die DWS, Fondstochter der Deutschen Bank, empfiehlt Anleiheinvestoren derzeit vor allem Unternehmens- und Staatsanleihen aus der Euro-Peripherie, sieht jedoch keine so großen Performancesprünge mehr wie in der Vergangenheit. Deutsche Staatsanleihen mit ihren Minirenditen meiden viele Profis weiter, etwa die Allianz. Das Bundesfinanzministerium geht offenbar davon aus, dass dies zu Recht geschieht, denn es sieht die Renditen der Zehnjährigen wieder in Richtung zwei Prozent gehen, die Kurse also fallen. (mit Reuters)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false