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Der Mauerpark macht den Unterschied. Wo einst DDR-Bürger auf die bedrohliche Mauer mit Todesstreifen blickten, sind die Mieten heute höher als in anderen Teilen der Bundeshauptstadt. Mieter im unmittelbaren ehemaligen Grenzareal zahlen durchschnittlich 70 Cent mehr pro Quadratmeter als Mieter westlich des Mauerstreifens. Foto: snapshot-photography

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Prenzlauer Berg: Stadtteil ohne große Reserven

Prenzlauer Berg gilt als eine der begehrtesten Wohnlagen der Stadt. Jetzt werden die letzten Baulandlücken geschlossen.

Die Touristenfamilie steht vor dem Schaufenster eines Maklerbüros in der Kollwitzstraße und kann es kaum fassen. „Schaut mal“, sagt der Ehemann und Vater, „eine Wohnung mit 130 Quadratmetern am Kollwitzplatz für 600 000 Euro. Wahnsinn!“

So würden wohl auch die Künstler und Intellektuellen reagieren, die Prenzlauer Berg zu DDR-Zeiten zu einem Ort der Boheme machten. In der Tat hat der Stadtteil in den letzten zwanzig Jahren eine verblüffende Wandlung durchgemacht: vom mythischen Ort der Unangepasstheit zur bevorzugten Wohnlage einer akademisch gebildeten und gut verdienenden Mittelschicht. Die Vielzahl edler Kinderwagen ist mittlerweile ein ebenso beliebtes Medienthema wie das Feindbild der Schwaben, die verantwortlich dafür sein sollen, dass Latte-Macchiato-Bars, Bio-Supermärkte und französische Feinkostgeschäfte die eingesessene Bevölkerung verdrängt haben.

Unstrittig ist, dass sich hier nicht nur Familien wohlfühlen, die ein urbanes Lebensumfeld zu schätzen wissen. Auch Menschen, die mit Immobilien Geld verdienen wollen, sind hier gerne unterwegs. Einar Skjerven zum Beispiel, Geschäftsführer der norwegischen Industrifinans Real Estate. Er blickt mit Wohlgefallen auf die Wohnhäuser in Prenzlauer Berg, die er im Auftrag von Investoren erworben hat. Den Wert eines Gründerzeithauses in der Stargarder Straße steigerte Skjerven binnen Zwei-Jahres-Frist um zehn Prozent – durch die Erhöhung der Mieten bei Neuabschlüssen.

Das ist keine Ausnahme. Seit 2009 sind die Mieten in guten Lagen von Prenzlauer Berg um 12,9 Prozent gestiegen, wie der Immobilienverband Deutschland (IVD) errechnet hat. Die Bewerter von CB Richard Ellis ermittelten in ihrem im Auftrag des Wohnungsunternehmens GSW herausgegebenen Wohnmarktreport, dass in besonders begehrten Teilen von Prenzlauer Berg Kaltmieten von teilweise 14 und mehr Euro pro Quadratmeter verlangt werden. Und wer sich auf den einschlägigen Portalen im Internet umschaut, merkt schnell, dass in den Kerngebieten des Stadtteils kaum noch Eigentumswohnungen für weniger als 3000 Euro pro Quadratmeter zum Kauf angeboten werden.

Angesichts solcher Zahlen würden Investoren wie Skjerven nur zu gern weitere Häuser in Prenzlauer Berg kaufen – doch das ist leichter gesagt als getan. „Es ist wahnsinnig schwer, an Objekte zu kommen“, klagt Michael Ries, Vorstand der Pantera AG. Trotzdem ist das Kölner Unternehmen zusammen mit der F&B-Gruppe in der Greifswalder Straße 40 fündig geworden: Dort sanieren und vermarkten die beiden Partner unter dem Projektnamen „Zwei Höfe“ ein Ensemble aus einem Wohnhaus und einer im Hinterhof gelegenen ehemaligen Pferdekutschenwerkstatt. 45 Wohnungen entstehen hier, die Pantera für Preise von bis zu 4200 Euro pro Quadratmeter an private Kapitalanleger veräußert. Diese können laut Ries nicht nur die bei Denkmalen üblichen Steuerersparnisse erwarten, sondern auch Kaltmieten von elf Euro pro Quadratmeter. Das scheint die Anleger zu überzeugen: Keine drei Monate nach Vertriebsstart waren bereits 26 Wohnungen verkauft.

Ortskenner nehmen die hohen Preise mit Erstaunen zur Kenntnis. „Viele Leute betrachten die Greifswalder Straße als laute Ausfallstraße und fragen sich, wer hier wohnen möchte“, sagt Projektentwickler Willo Göpel. Allerdings könne man in der zweiten Reihe durchaus ruhig wohnen. Zahlreiche Baugerüste und Vermarktungsplakate zeugen denn auch davon, dass sich gerade in dieser Straße sehr viel tut. Vis-à-vis von den Zwei Höfen zum Beispiel wurde vor wenigen Wochen das Richtfest für die „Winsgärten“ gefeiert. Eine Investorengemeinschaft errichtet 41 Neubauwohnungen, gut die Hälfte hat bereits einen Käufer gefunden. „Es handelt sich zum größten Teil um Selbstnutzer, die jetzt schon in der Nähe wohnen“, berichtet Projektsprecher Göpel. Sie legen zwischen 2550 und 3990 Euro pro Quadratmeter an.

Gleich um die Ecke, in der Christburger Straße 13, haben die Arbeiten an einem ungewöhnlichen Bauwerk begonnen: Das Architekturbüro Kaden Klingbeil errichtet im Auftrag der Stiftung „Bildung Werte Leben“ ein siebengeschossiges Gebäude in energieeffizienter Holzbauweise. Während in den unteren Geschossen gewerbliche Nutzungen geplant sind, entstehen im vierten bis sechsten Obergeschoss sechs Eigentumswohnungen. Nach Angaben von Armin Wizemann von der mit der Vermarktung beauftragten Heinz Ziggel KG stehen nur noch zwei Wohnungen zum Verkauf – Kostenpunkt: 3500 Euro pro Quadratmeter.

Ein weiteres der knapp gewordenen freien Grundstücke wird in der Greifswalder Straße 23, neben den Prenzlauer Gärten, bebaut. „Anfang 2012 beginnen wir mit dem Bau von neun Eigentumswohnungen“, sagt Christian Daniel von der Lume Development GmbH. „Wir sprechen damit hauptsächlich Familien mit Kindern an.“ Mit 142 bis 206 Quadratmetern sind die Wohnungen ausgesprochen groß; ihr Quadratmeterpreis liegt zwischen 2900 und 3400 Euro.

Dass sich jetzt in der Greifswalder Straße so viele Kräne drehen, hat nach Ansicht Daniels einen einfachen Grund: „Die Filetstücke sind weg.“ Tatsächlich gibt es im Bötzowviertel oder rund um den Kollwitzplatz so gut wie keine freien Grundstücke mehr und auch nur noch wenige unsanierte Wohnhäuser. Wer jetzt also bauen oder sanieren will, muss in die nicht ganz so attraktiven Gegenden des Stadtteils ausweichen.

Das bedeutet auch, dass die Projektentwickler sich in den Bereich nördlich der Danziger Straße wagen. Größtes Projekt dort ist der Prenzlauer Bogen: Die Asset- Gruppe aus Bremen und die Reggeborgh-Gruppe aus den Niederlanden errichten bis zum ersten Halbjahr 2012 rund 90 Wohnungen, die je zur Hälfte vermietet und verkauft werden. Obwohl es sich um einen Neubau handelt und deshalb keine Denkmal-Abschreibung lockt, kaufen laut Projektsprecher Willo Göpel hauptsächlich Kapitalanleger.

Eine ähnliche Erfahrung machen die BBT GmbH und die Berliner Volksbank, die in der John-Schehr-Straße das Projekt johns.home realisieren. „Ursprünglich konzipierten wir die Wohnungen für Eigennutzer“, sagt Projektleiter Marc Overlack. Trotzdem haben 10 der bisher 36 Käufer eine Wohnung als Kapitalanlage gekauft. Zu haben sind laut Overlack noch acht Wohnungen. Kostenpunkt: zwischen 2567 und 2816 Euro, günstig für Prenzlauer-Berg-Verhältnisse.

Zurück zur Hauptschlagader: Ein Bauträger kündigt die Sanierung des ehemaligen jüdischen Altersheims (Schönhauser Allee 22) an. 16 Wohnungen sollen im Altbau entstehen, 16 weitere in einem Neubau. „Haus Manheimer“ haben die Investoren das Projekt getauft, in Erinnerung an den Unternehmer Moritz Manheimer, der das Gebäude 1882 als Altersheim für Juden errichten ließ. Als „Neo-Renaissance-Denkmal“ wird es vermarktet – über seine einstige Nutzung findet sich im Internet-Exposé jedoch kein einziges Wort. Die Vergangenheit in Prenzlauer Berg verblasst.

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