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Wirtschaft: Städtetag: Die Finanzlage ist dramatisch

Berlin (avi/chg). Nachdem die Stadt München eine Haushaltssperre verhängt hat, befürchtet der Deutsche Städtetag weitere Pleiten deutscher Großstädte.

Berlin (avi/chg). Nachdem die Stadt München eine Haushaltssperre verhängt hat, befürchtet der Deutsche Städtetag weitere Pleiten deutscher Großstädte. „Vielen Städten droht wie München der finanzielle Kollaps,“ sagte Städtetag-Präsidentin Petra Roth am Mittwoch dem Tagesspiegel. „Dass die relativ wohlhabende Stadt München jetzt eine Haushaltssperre beschließt, zeigt erneut, wie dramatisch die Finanzlage der deutschen Städte insgesamt ist“, sagte Roth (CDU), die auch Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main ist. Wichtigste Ursache für die Finanzmisere der Metropolen sei der Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen. Diese Steuern zahlen die Unternehmen, deren Sitz sich in den jeweiligen Kommunen befindet. Die Steuern gingen im vergangenen Jahr allein in den westdeutschen Gemeinden um 16,3 Prozent zurück, bei einigen Städten sogar um fast 70 Prozent (siehe Tabelle).

„Die Stadt ist pleite“, hatte der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) am Dienstag verkündet. Am Mittwoch hat die Stadt eine sofortige Haushaltssperre und einen Investitionsstopp beschlossen. Zuvor hatte die Hypo-Vereinsbank angekündigt, 2001 keine Gewerbesteuer mehr zahlen zu müssen und forderte 90 Millionen Euro an bereits gezahlten Steuern zurück. Die Stadt hatte Ude zufolge bei dem Geldinstitut insgesamt 120 Millionen Euro Gewerbesteuer eingplant. Damit zahlt kaum noch eine der großen Münchener Aktiengesellschaften Gewerbesteuer in der Stadt. Acht von 30 Dax-Unternehmen haben ihren Sitz in München: Allianz, BMW, Epcos, Hypo-Vereinsbank, Infineon, MAN, Münchner Rück, und Siemens.

Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmenquelle der Kommunen. Besteuert wird der im Unternehmen erwirtschaftete Ertrag. Weil die Gewerbesteuer nur auf die Gewinne eines Unternehmens erhoben wird, ist sie unmittelbar von konjunkturellen Schwankungen betroffen. Auch Wirtschaftsmetropolen, die Dax-Schwergewichte beheimaten, müssen den Gürtel daher jetzt enger schnallen.

So zahlte die Allianz AG nach den Worten eines Sprechers im Jahr 2001 nur noch 30 Millionen Euro Gewerbesteuern. Während des Gesamtzeitraums 1999 bis 2001 waren noch mehrere hundert Millionen Euro angefallen. Auch die BASF AG in Ludwigshafen zahlte nach 178,1 Millionen Euro im Jahr 1999 im vergangenen Jahr nur noch 104,9 Millionen Euro Gewerbesteuer.

„Der Einbruch der Gewerbesteuer-Einnahmen ist nicht nur konjunkturell bedingt“, sagte Städtetag-Sprecher Volker Bästlein dem Tagesspiegel. „Immer mehr Großunternehmen verrechnen Verluste im Ausland mit Gewinnen an ihren deutschen Standorten.“ Das hat auch Felix Gertkemper beobachtet, Sprecher der Stadt München: „Es ist merkwürdig, wenn Unternehmen auf Pressekonferenzen ihre steigenden Gewinne präsentieren, der Messbetrag für die Gewerbesteuer aber auf Null hinausläuft.“

Ein weiterer Nachteil für die Stadtkämmerer: Ein heute profitables Unternehmen kann Gewinne mit Verlusten der Vorjahre gegenrechnen und so der Steuerpflicht entgehen. So zahlt etwa die Deutsche Post AG in Bonn derzeit keine Gewerbesteuern, „auf Grund von Verlustvorträgen aus der Vergangenheit“, wie Unternehmenssprecher Uwe Bensin am Mittwoch sagte.

Auch die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage im Oktober 2000 hat die Gemeindekassen belastet: Der Anteil, den Bund und Länder erhalten, ist um jeweils fünf Prozent gewachsen. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel und Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser machten daher am Mittwoch die rot-grüne Bundesregierung für die Probleme der städtischen Finanzen verantwortlich. Im Falle eines Wahlsiegs der Union werde die Gewerbesteuerumlage gesenkt. Vorher komme eine Soforthilfe Bayerns für München nicht in Frage.

Auch Münchens SPD-Bürgermeister Ude kritisierte die Bundesregierung. Doch auch die CSU-Landesregierung trägt Ude zufolge einen Teil der Schuld. Statt wie in anderen Ländern üblich zahle sie statt 100 nur 60 Prozent der Personalkosten an kommunalen Schulen. Franz Maget, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, führte die Krise Münchens auch auf die Pleite des Kirch-Konzerns zurück. Die Haushaltssperre sei von einer Gewerbesteuer-Rückforderung der Hypo-Vereinsbank ausgelöst worden. Und die habe in Zusammenhang mit der Kirch-Insolvenz erhebliche Risikorückstellungen vornehmen müssen.

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