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Wirtschaft: Standpunkt: Nicht die Arbeitslosen sind faul, die Regierung ist es

Glück und Pech gleichen sich in einer Saison aus. Diese alte Weisheit, die im Fußball gerne kolportiert wird, scheint nun auch in der Politik zu gelten.

Glück und Pech gleichen sich in einer Saison aus. Diese alte Weisheit, die im Fußball gerne kolportiert wird, scheint nun auch in der Politik zu gelten. Die rückläufige Arbeitslosenquote der letzten beiden Jahre fiel der Bundesregierung in den Schoß. Teils war sie das Ergebnis von Reformen, die noch von der alten Regierung auf den Weg gebracht wurden, größtenteils war sie allerdings der günstigen Konjunktur und dem schwachen Euro geschuldet. Glück hat auf Dauer aber nur der Tüchtige. Wer die Struktur-Probleme auf den Arbeitsmärkten nicht angeht, sondern verschärft, muss sich nicht wundern, wenn ihn das Glück verlässt. Der Abschwung, der nun über den Atlantik schwappt, legt die strukturellen Schwächen auf den deutschen Arbeitsmärkten offen.

Die Bundesregierung hat nichts getan, die Arbeitsmärkte funktionsfähiger zu machen. Sie hat im Gegenteil vieles unternommen, die starren Strukturen, die seit langem wie Mehltau auf den Arbeitsmärkten liegen, zu zementieren. Die Sündenliste dieser verfehlten Strategie der Rückregulierung ist lang. Der Kündigungsschutz wurde verschärft, die Lohnfortzahlung bei Krankheit erweitert, befristete Arbeitsverhältnisse eingeschränkt, ein neues Recht auf Teilzeit eingeführt. Das alles ist Gift für die Beschäftigung. Das i-Tüpfelchen ist die Reform der Betriebsverfassung. Die Bürokratie nimmt weiter zu, Entscheidungswege werden noch mehr verstopft, die Arbeitskosten steigen weiter, der Einfluß der gewerkschaftlichen Besitzstandswahrer steigt weiter.

Nach alldem reibt man sich verwundert die Augen, wenn der Bundeskanzler Arbeitslosen ein Recht auf Faulheit verweigert. Sollte die Regierung, nachdem sie bisher alles getan hat, den Wettbewerb auf den Arbeitsmärkten zu strangulieren, nun verstanden haben? Wohl kaum. Es ist bekannt: Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe sind falsch konstruiert. Von beiden gehen unerwünschte Anreize auf Arbeitslose aus, ihre Arbeitskraft nicht mehr uneingeschränkt anzubieten. Das hat bei der Arbeitslosenversicherung damit zu tun, dass Arbeitslosengeld und -hilfe zu lange gewährt werden. Die Lösung liegt auf der Hand: Die Laufzeit des Arbeitslosengeldes sollte verkürzt werden, etwa auf sechs Monate. Die zeitlich unbegrenzt gewährte Arbeitslosenhilfe sollte abgeschafft und in die Sozialhilfe überführt werden.

Die Fehlanreize, die von der Sozialhilfe ausgehen, halten die Arbeitslosen in einer Armutsfalle gefangen. Vor allem für Familien mit Kindern ist der Abstand zwischen dem Arbeitseinkommen und der Sozialhilfe zu gering. Es lohnt nicht, eine reguläre Arbeit aufzunehmen. Daneben wird das Arbeitseinkommen, von einem geringen Freibetrag abgesehen, voll auf die Sozialhilfe angerechnet. Die Anreize sind somit gering, sich auf den Arbeitsmärkten umzuschauen. Abhilfe könnte geschaffen werden. Wenn von jeder verdienten Mark beispielsweise 50 Pfennig beim Arbeitnehmer verbleiben, gehen die Fehlanreize erheblich zurück. Um allerdings die finanziellen Belastungen des Staates in Grenzen zu halten, muß für die Arbeitslosen, die uneingeschränkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, die Höhe der Sozialhilfe gekürzt werden. Das würde auch den mangelnden Lohnabstand vergrößern. Die Anreize, eine reguläre Arbeit aufzunehmen, würden wieder steigen.

Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit wäre damit allerdings noch nicht gelöst. Ein erster Schritt wäre zwar getan, weitere müssten folgen. Private Unternehmungen schaffen Arbeitsplätze nur, wenn es sich für sie lohnt. Die Arbeitskosten dürfen also die Arbeitsproduktivität nicht übersteigen. Ein hoher Beschäftigungsstand ist nur möglich, wenn sich die Lohn- und Tarifpolitik daran orientiert, wie produktiv die einzelnen Arbeitnehmer sind. Die gering qualifizierten Arbeitnehmer, die wichtigste Problemgruppe auf den Arbeitsmärkten, findet den Weg zurück zur Arbeit nur, wenn sie nach ihrer niedrigen Produktivität entlohnt werden. Das ist am ehesten möglich, wenn auf betrieblicher Ebene verhandelt wird. Wenn diese Arbeitslosen den Gewerkschaften wirklich am Herzen liegen, wie diese immer wieder behaupten, müssen sie bereit sein, einem Niedriglohnsektor zuzulassen.

Von alledem spricht der Bundeskanzler allerdings nicht. Er will nur den Druck auf die Arbeitslosen verstärken, eine angebotene Arbeit aufzunehmen. Da er sich aber den begleitenden Reformen auf den Arbeitsmärkten verschließt, weil er sich mit den Gewerkschaften nicht anlegen will, geht der Schuss nach hinten los. Ohne diese Reformen werden nicht ausreichend private Arbeitsplätze angeboten. Soll der angedrohte Druck glaubwürdig sein, muss der Staat in die Bresche springen und die notwendigen Arbeitsplätze schaffen. Eine noch aktivere Arbeitsmarktpolitik ist aber auch für die Bundesregierung wenig attraktiv - die Haushaltslöcher sind zu groß. Damit bleibt der Politik nur der Weg über wachsende kommunale Arbeitsmärkte. Eine Lösung des Problems der Arbeitslosigkeit ist dies allerdings nicht, im Gegenteil. Auf diesem Irrweg wird der erste Arbeitsmarkt ausgetrocknet, die kalte Sozialisierung fortgesetzt. Wer den Arbeitslosen helfen will, muss die Arbeitsmärkte umfassend deregulieren und den Sozialstaat reformieren. Das Ende der Faulheit wäre abzusehen, wachsender Wohlstand für alle der Lohn. Allein auf das Glück bräuchte man sich nicht mehr zu verlassen.

Norbert Berthold

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