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Wirtschaft: Start Up: Mit einem virtuellen Auktionshaus zum Millionär

Alles scheint noch unfertig und spartanisch. Der neue Deutschland-Sitz des weltgrößten Internet-Auktionshauses Ebay im Süden Berlins ist spärlich mit Ikea-Möbeln eingerichtet.

Alles scheint noch unfertig und spartanisch. Der neue Deutschland-Sitz des weltgrößten Internet-Auktionshauses Ebay im Süden Berlins ist spärlich mit Ikea-Möbeln eingerichtet. Einige Grünpflanzen und bunte Ebay-Plakate sollen die Großraumbüro-Atmosphäre für die 90 Mitarbeiter erträglicher machen. "Es ist uns egal, an welchen Tischen wir sitzen. Wir wollen den Leuten einen geilen Service bieten", sagt Ebay-Manager Jörg Rheinboldt. "Das ist das, was zählt."

Rheinboldt ist Mitbegründer der Alando.de AG, der ersten deutschen Auktionsplattform im Internet, die im März 1999 in einer ehemaligen Fabrikhalle in Berlin online ging. Beim Start registrierten die sechs Alando-Chefs zunächst nur "magere" 20 Nutzer auf ihren Webseiten. Drei Monate später waren es bereits rund 55 000. Die Erfolgsgeschichte der jungen Durchstarter gipfelte nach rund 100 Tagen in der Fusion mit dem weltweit führenden US-Internetauktionshaus Ebay. Die Alando-Gründer bekamen Ebay-Aktien im Wert von umgerechnet 81 Millionen Mark, jedoch über vier Jahre verteilt. Deutschland sei eine gute Basis, um weltweit zu expandieren, sagte Ebay-Chef Pierre Omidyar. Die kleine Berliner Internetfirma zählte so in nur wenigen Wochen zu den erfolgreichsten Unternehmensneugründungen des Jahres in Deutschland.

Ebay gehört zu den wenigen Firmen der New Economy, die bereits kurz nach ihrer Gründung 1995 schwarze Zahlen schreiben. Der Netto-Gewinn lag im zweiten Quartal 2000 bei 11,6 Millionen Dollar. Die Zahl der registrierten Nutzer stieg stark an. Von April bis Juni 1999 waren 5,6 Millionen registriert, im selben Zeitraum dieses Jahres bereits 15,8 Millionen. Das Handelsvolumen erhöhte sich auf 1,3 Milliarden Dollar.

"Schon immer war Ebay für uns ein Vorbild, aber an eine Fusion hatten wir nicht von vornherein gedacht", erinnert sich Rheinboldt. Mit alando.de sollte in Deutschland eine Handelsplattform ähnlich wie Ebay in Amerika entstehen. Die sechs jungen Männer im Alter zwischen 24 und 28 Jahren machten sich deshalb im Januar 1999 auf den Weg nach München, um Gespräche mit mehreren Venture Capitalists zu führen. Unterwegs im Zug arbeiteten sie noch schnell einen 18 Seiten umfassenden Geschäftsplan aus. "Wir wollten etwas machen, von dem ganz viele Leute etwas haben", erinnert sich Rheinboldt.

Den sechs Freunden kam dabei offenbar zugute, dass sie keine unbeschriebenen Blätter der New Economy waren. Rheinboldt hatte bereits eine der führenden Multimedia-Agenturen Deutschlands, die Denkwerk Neue Medien Holding GmbH, gegründet. Die drei Samwer-Brüder und zwei weitere Mitstreiter hatten an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmens führung in Koblenz studiert und konnten zahlreiche Projekte bei weltweit renommierten Unternehmen vorweisen. Selbstbewusst traten sie gegenüber ihren potenziellen Geldgebern in der bayerischen Landeshauptstadt auf. "Wir sagten: Sie haben 48 Stunden Zeit, sich zu entscheiden - und die hielten uns für verrückt", erinnert sich Rheinboldt. Einige Tage später reisten sie mit fast zwölf Millionen Mark in der Tasche wieder ab.

Während einer der Jungunternehmer nach Berlin fuhr, um nach einem geeigneten Büro zu suchen, ackerten die anderen bereits an den Webseiten. Die Alando.de AG wurde am 15. Februar gegründet. Zwei Wochen später gingen die Sechs in der Blücherstraße in Kreuzberg online. "Wir haben sämtliche Freunde, Bekannte und Verwandte angerufen, damit die irgendwelche Sachen bei uns anbieten", erinnert sich Rheinboldt. 5000 Produkte - vom Fön bis zum Modellauto - seien so zusammengekommen. Erstes Auktions-Schnäppchen war ein roter Ferrari 308 für eine Mark. "Dem Besitzer mussten wir aber versprechen, dass der Wagen nicht unter 80 000 Mark weg geht." Nach Auktionsfrist von 14 Tagen lag jedoch das Angebot immer noch weit darunter. Erst Sekunden, bevor der Hammer fiel, erhöhten sich die Gebote dann doch noch auf über 80 000 Mark. Nach einem Monat konnten Nutzer bei Alando.de aus mehr als 20 000 Angeboten auswählen. Heute werden rund 400 000 Produkte in mehreren tausend Kategorien gehandelt.

Fragt man den Alando-Mitbegründer heute nach seinem Erfolgsgeheimnis, sagt er: "Wir hatten einfach jede Menge Glück und wir haben alles anders gemacht als die anderen." Neben "hartem Arbeiten" rät Jörg Rheinboldt jungen Unternehmensgründern vor allem, sich eine Business-Idee auszudenken, "die nicht erst in zehn Jahren greift". Marketing und Infrastruktur müssten diewichtigsten Planungselemente sein. "Zeitfresser wie defekte Computer oder auch überlastete Telefonleitungen dürfen gar nicht erst auftreten", mahnt Rheinboldt. Außerdem sollten Start-Ups schnell lernen, Verantwortung abzugeben.

Platzmangel war auch der Grund, warum Ebay-Deutschland in den Speckgürtel der Bundeshauptstadt gezogen ist. Seit Juni sitzt die Firma in einem Gewerbepark in Kleinmachnow. "Hier haben wir die besten technischen Voraussetzungen gefunden", erklärt Rheinboldt. Auch die legendäre Tischtennisplatte, an der in der Blücherstraße der Fusionsvertrag mit Ebay unterzeichnet worden war, weil es in der gesamten Firma keinen großen Tisch gegeben hatte, fand einen Platz. Nicht mehr mit von der Partie sind jedoch die drei Samwer-Brüder und die beiden Freunde Karel Dörner und Max Finger. "Sie hatten schon im Dezember geplant, etwas Neues zu machen und sind mit dem Umzug im Juni aus dem Ebay-Gechäft ausgestiegen", erklärt Rheinboldt. Die drei Brüder und Finger wollen noch einmal ganz von vorn beginnen und ein neues Unternehmen auf die Beine stellen, während Dörner bei einer Internet-Unternehmensberatung in Frankfurt (Main) eingestiegen ist. "Jeder von uns hat sich alle drei Monate Gedanken gemacht, ob er dass, was er gerade macht, auch wirklich will. Die anderen haben sich dagegen entschieden. Ich will noch etwas in so einem großen Unternehmen arbeiten", sagt Rheinboldt.

Ines Beyer

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