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Jungunternehmer in der IT-Branche sind bei weitem nicht immer so jung, wie bislang gedacht. Beim Berliner Start-up 6Wunderkinder allerdings schon.

© dpa

Start-ups: Kreatives München schlägt Berlin

Eine Studie überrascht die IT-Szene: Berlin ist nicht die Gründermetropole. Und die Jungunternehmer sind mitnichten überwiegend jung.

München oder Hamburg. Aber nicht Berlin. Man kann es drehen und wenden wie man will, die selbst ernannte Gründerhauptstadt der IT-Szene kommt in einer Studie des Branchenverbands Bitkom nicht über Platz zwei hinaus. „Die Zahlen sind so, wie sie sind“, gab sich Bitkom-Präsident Dieter Kempf überrascht, als er die Ergebnisse der Studie am Dienstag in der Bundeshauptstadt präsentierte. Nirgendwo in Deutschland werden – bezogen auf die Einwohnerzahl – so viele IT-Unternehmen gegründet wie in und um die bayrische Landeshauptstadt herum. Und in keinem anderen Bundesland entstehen so viele Start-ups wie in Hamburg. Sowohl im Ranking der Regionen als auch im Ranking der Bundesländer landet Berlin auf dem zweiten Rang.

Knapp 143 000 IT- und Internetunternehmen wurden in Deutschland seit 1995 gegründet, allein im vergangenen Jahr etwas mehr als 8000, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag des Verbands herausfand. Auf 10 000 Einwohner entstanden in Berlin seit 2008 rund 2,67 Unternehmen jährlich, die sich mit der Entwicklung von Apps, Spielen oder anderer Software, mit Beratung und Dienstleistung oder Hardware, also Computerbauteilen, befassen. Die Berliner Gründerszene sei sehr stark durch Dienstleistungen und E-Commerce, Spiele- und App-Entwicklung geprägt und die Vernetzung untereinander und mit Investoren sei sehr eng, sagte Kempf. Strukturell komme die Hauptstadtregion unter den deutschen Gründungszentren dem Vorbild des Silicon Valley im US-Bundesstaat Kalifornien insofern schon am nächsten.

Berlin entwickle als Standort für Start-ups eine immer größere Dynamik, sagte Sebastian Schulze, Geschäftsführer von Upcload, das mit einer Video-Vermessung hilft, die richtige Konfektionsgröße bei der Klamottenbestellung im Netz zu bestimmen. „Es kommen Investoren aus dem Ausland, die Fördermittelkultur – zum Beispiel durch die landeseigene IBB – hat sich verbessert und auch das Interesse der Business Angels wächst“, beschreibt er die Lage in der Hauptstadt. Diese Faktoren würden für junge Unternehmen immer wichtiger, um ausreichend Kapital für den Weg in internationale Märkte zu bekommen. In der Gründerszene setze sich die Erkenntnis durch, dass der „deutsche Markt nicht mehr ausreicht, um langfristig erfolgreich zu sein“. Mit den 700 000 Euro Kapital, das Gründer der Studie zufolge durchschnittlich in den ersten vier Jahren benötigen, sei ein internationaler Wachstumskurs nicht zu stemmen.

Unternehmer wie Schulze, Mitte 20 und Akademiker, repräsentieren allerdings auch nur einen Teil der bundesweiten IT-Gründerszene. Im Schnitt ist ein solcher Jungunternehmer bereits 38 Jahre alt, hat 17 Jahre Berufserfahrung, elf davon in der Branche. Nur knapp jeder zehnte Gründer ist jünger als 25, fast jeder vierte hingegen älter als 45 Jahre. „Das hohe Durchschnittsalter hat uns verblüfft“, sagte Bitkom-Chef Kempf. „Wir vermuten, dass diese Menschen ihr Unternehmen aus einem gesicherten beruflichen Umfeld heraus gründen.“ Sie hätten meist auch genügend Geld gespart, um einen Start ohne größere Finanzierung durch Banken zu schaffen. Bankdarlehen und Beteiligungskapital spiele mit je etwa fünf Prozent nur eine kleine Rolle. Je ein Drittel kommt aus Eigenkapital und dem Geschäftsumsatz.

Der Bitkom glaubt aber, dass die fehlende Risikobereitschaft von privaten Geldgebern und Banken die Gründungsdynamik hierzulande bremst. Die Renditechancen „liegen auf der Straße – und sie lassen sie liegen“. Fünf Jahre nach Gründung sind immerhin noch 60 Prozent der Start-ups aktiv. Egal, ob in München, Hamburg oder Berlin.

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