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Steigende Tendenz: Goldrausch in den Pfandhäusern

Ob Schmuck, Uhren oder Münzen: Die Berliner versetzen derzeit besonders viel – und das liegt nicht nur an der Krise.

Eine Kette und einen Ring habe er verpfändet, erzählt der Mann in der gepflegten dunklen Stoffjacke. Er hat gerade das Pfandleihhaus in der Charlottenburger Mommsenstraße verlassen. 600 Euro Pfanddarlehen hat er für seine beiden Familienerbstücke bar auf die Hand bekommen. Seinen Namen möchte er nicht nennen, nur so viel verrät er: „Ich habe das Geld unbedingt gebraucht, damit ich meine Rechnungen wieder bezahlen kann.“ Der Berliner will den ausgestellten Pfandschein noch mehrmals verlängern. „Ich möchte den Schmuck ja irgendwann wiederhaben.“

Viele Berliner Pfandhäuser verzeichnen seit einigen Monaten steigende Umsätze. Vor allem das Geschäft mit Pfandkrediten auf Schmuck, Uhren und Münzen hat kräftig angezogen. Grund dafür ist der Goldpreis, der mit zuletzt 920 Dollar pro Feinunze so hoch ist wie zuletzt vor einem Vierteljahrhundert. „Der Gang zum Pfandleiher lohnt sich für viele mehr als früher“, erklärt Wolfgang Schedl, Geschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Pfandkreditgewerbes. „Denn je höher der Goldpreis ist, desto mehr Darlehen kann der Kunde auf Wertsachen bekommen, die Gold enthalten.“ Das freut auch die Pfandhäuser, denn je höher die Darlehen, desto mehr Zinsen und Kostenvergütungen fließen in die Kasse.

Zwei Millionen Pfandkredite in Höhe von insgesamt 510 Millionen Euro haben die 200 deutschen Pfandhäuser im vergangenen Jahr vergeben – so viel wie nie zuvor. Das ist zwar noch wenig im Vergleich zu den rund 13 Milliarden Euro Konsumentenkrediten, die die deutschen Banken laut Bundesbank-Statistik im gleichen Jahr ausgestellt haben – von den Dispokrediten auf den Girokonten ganz abgesehen. Aber wo die Banken hohe Zinsen und Sicherheiten verlangen, spielen die Pfandleiher ihre Stärke aus: Sie vergeben Kurzkredite, ohne nach dem Einkommen zu fragen oder eine Auskunft bei der Schufa einzuholen.

Die Branche hat ihr Hinterhofimage abgelegt. Eine Million Deutsche waren 2008 beim Pfandleiher, Tendenz steigend. Sie kommen, um kurzfristige Engpässe zu überbrücken, Rechnungen zu begleichen oder um sich Bargeld für kleinere und größere Investitionen zu besorgen. „Die meisten Kunden bringen Gold- und Brillantschmuck oder hochwertige Armbanduhren aus Privatbesitz“, sagt Michael Diell, Vorstand der Exchange AG, die in Berlin acht Pfandhäuser betreibt. Im Durchschnitt vergeben Pfandhäuser Darlehen von rund 300 Euro. „Es kommt aber auch schon mal der kleine Elektrohändler, der kurzfristig mehrere tausend Euro benötigt und den Verwaltungsaufwand bei der Bank scheut“, berichtet Stefan Goebel, Geschäftsführer des gleichnamigen Leihhauses in Tiergarten.

In Berlin, wo laut Creditreform-Schuldenatlas 14 Prozent der Bevölkerung verschuldet sind – nur in Bremen sind es mehr –, haben die Leihhäuser besonders viel zu tun. 26 Leihhäuser gibt es in der Stadt, fünf sind es allein in Neukölln. Eines davon führt Daniel Eichner. Neben Schmuck und Uhren nimmt er auch Wertgegenstände entgegen, für die er nur wenige Euro auszahlen kann, vor allem technische Gegenstände: DVD-Player, Fernseher, Laptops. Deren Wert zu taxieren, kann langwierig sein. „Wir testen auch schon mal eine halbe Stunde lang, ob ein Laptop voll funktionstüchtig ist.“

Technische Gerät sind für Pfandleiher auch deshalb heikel, weil ihr Wert besonders schnell verfällt. „Eine Playstation 3 hat im Weihnachtsgeschäft noch in allen Elektromärkten 399 Euro gekostet“, rechnet Pfandleiher Goebel vor. „Jetzt verkaufen sich die Dinger nur noch für 299 Euro.“ Das Problem: Wenn der Kreditnehmer am Ende das Darlehen für seine Konsole nicht zurückzahlen kann, droht ein Verlustgeschäft. Dann geht das Pfandstück in die Versteigerung, und dort muss der Erlös noch hoch genug sein, um den Kreditausfall auszugleichen.

Um das Risiko zu reduzieren, taxieren Pfandleiher die dargebrachten Pfandsachen mindestens 20 Prozent unter ihrem Marktwert – und hoffen darauf, dass der Wertverfall nicht größer ausfällt. Eine Rechnung, die besonders bei KfZ-Pfandleihern derzeit nicht mehr aufgeht. Denn die Fahrzeugpreise sind wegen des Nachfrageeinbruchs auf dem Automarkt und wegen der Abwrackprämie in den vergangenen Monaten in den Keller gerutscht.

Das Pfandleihgewerbe sei weit weniger Krisenprofiteur, als häufig angenommen werde, meint Goebel: „In der Krise nehmen auch die Kreditausfälle zu.“ Nächste Woche geht er wie jeden Monat zum Gerichtsvollzieher, um nicht ausbezahlten Schmuck versteigern zu lassen. Das wird spannend, nicht nur für ihn: Der Goldpreis ist vergangene Woche wieder etwas gefallen. „Wenn das so weitergeht, wird das ein Drama geben bei den Kunden.“ Mitarbeit: Anne Labinski

Andreas Menn

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