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Wirtschaft: Steinways emotionale Beziehung zu Berlin

Seit 1909 ist der Klavier- und Flügelhersteller mit einer Dependance an der Spree präsent / Gespräch mit Henry Z.SteinwayMARGARITA CHIARI - BERLIN.

Seit 1909 ist der Klavier- und Flügelhersteller mit einer Dependance an der Spree präsent / Gespräch mit Henry Z.SteinwayMARGARITA CHIARI

- BERLIN.Durch Berlin zu spazieren, gibt Henry Z.Steinway unumwunden zu, "das erfüllt mich schon mit großer Befriedigung".Ganz einfach war es für den heute 82jährigen wohl nicht immer gewesen, gegenüber anderen Familienmitgliedern zu begründen, warum sich der renommierte Klavier- und Flügelbauer aus New York in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Nachkriegszeit den Luxus leistete, nicht nur die Fabrik in Hamburg wieder aufzubauen, sondern auch die 1909 in Berlin gegründete Verkaufsniederlassung mit angeschlossenen Werkstätten zu erhalten - als einzige in Deutschland übrigens.Möglich, daß jene Kunden, die sich einen Flügel zum Preis von 60 000 bis 150 000 DM leisten konnten, vielleicht eher in anderen deutschen Städten zu finden gewesen wären, sagt Steinway, der die Geschicke der von seinem Urgroßvater begründeten Firma von 1955 bis 1977 leitete."Doch Berlin, das war eben auch eine emotionale Bindung." Sein Onkel, der für die europäischen Aktivitäten des Familienkonzerns zuständig war, lebte viele Jahre hier und war mit einer Berlinerin verheiratet.Der Auftakt zur Konzerttournee des Steinway-Flügels mit der Seriennummer 500 000 fand 1990 in der Philharmonie statt, und nun kam Henry Steinway aus Anlaß des 200sten Geburtstages seines Urgroßvaters wieder nach Berlin.Vor allem aber, sagte er nun im Gespräch, wollte man "wie viele andere Amerikaner auch", nie die Hoffnung auf diese Stadt aufgeben.Nun, im Rückblick, "hat sich bestätigt, daß die Entscheidung richtig war". Das sieht auch Thomas Kubitschek, Leiter des Steinway-Hauses in der Hardenbergstraße, so.Schon jetzt zeichne sich ab, daß mit dem Umzug der Botschaften und Firmenrepräsentanzen das Verkaufs- und Vermietgeschäft für die edlen Instrumente zunehmen wird.Auch ansonsten kann der Konzern nicht über schleppende Geschäfte klagen.1996 legte der weltweite Umsatz um gut 30 Prozent auf 258 Mill.Dollar zu, als Netto-Gewinn vor außerordentlichen Einflüssen weist der Geschäftsbericht 7,4 Mill.Dollar aus, nach 3,9 Mill.im Jahr zuvor.Rund 3100 Flügel und 500 Klaviere verließen 1996 die Werkstätten in New York und in Hamburg, wobei die Fabrik in der Elbestadt immerhin 40 Prozent der Produktion beisteuerte.Die Arbeitsteilung ist klar: Aus New York werden die Märkte in den Vereinigten Staaten, in Kanada und in Südamerika betreut, Hamburg beliefert den europäischen und den asiatischen Raum. Asien wird auch für Steinway immer bedeutsamer.Japan, dessen Produzenten den renommierten Flügelherstellern schwer zu schaffen machten (und noch immer machen), ist für den US-Produzenten mittlerweile der wichtigste Exportmarkt: Mitte der 80er Jahre verkaufte die Gruppe hier gerade einmal 15 Flügel pro Jahr, heute sind es 150.In diesem Jahr wurde nun auch eine eigene Niederlassung in Tokio gegründet.Ob es demnächst eine Produktionsstätte in Asien geben wird, diese Frage läßt Henry Steinway unbeantwortet: Diese Entscheidung müsse das Management treffen, er sei schließlich nur noch als Berater tätig, sagt er.Doch deutet wenig darauf hin, daß Steinway den Versuch unternehmen wird, im Billigsegment mitzumischen."Wir sind bei unserem Leisten geblieben", sagt Steinway.Das Motto seines Urgroßvaters stehe noch immer unter dem Firmennamen, nämlich "To build the best piano possible" - das bestmögliche Klavier zu bauen. Dennoch hat der Flügelbauer durchaus wechselvolle Zeiten hinter sich.Denn die von Henry Engelhard Steinway, der 1850 aus Seesen im Harz auswanderte, 1853 unter dem Namen "Steinway & Sons" in New York gegründete Firma war 1972 nach Auseinandersetzungen im Familienclan an den US-Konzern CBS verkauft worden, der den Betrieb der Tochtergesellschaft Columbia eingliederte.1985 trennte sich CBS von der Musikinstrumentensparte, Steinway wurde von drei Bostoner Geschäftsleuten übernommen, die mit ihrem Engagement aber nicht glücklich wurden. Vor zwei Jahren erfolgte die Fusion mit der ebenfalls in der Branche tätigen Selmer-Gruppe zur "Steinway Musical Instruments, Inc.", die mit weltweit etwa 2000 Beschäftigten heute nach eigenen Angaben der größte Musikinstrumentenhersteller der USA ist.Unter Markennamen wie Steinway, Selmer, Musser, Glaesel, Signet oder Vincent Bach bietet die Gruppe die komplette Bandbreite der Musikinstrumente an - vom Schlagzeug über die Trompete bis zur Violine.1996 folgte der Schritt an die Börse in New York.3,6 Millionen Aktien, ein Anteil von 38 Prozent am Grundkapital, wurden zum Emissionpreis von 19 Dollar je Aktie ausgegeben, die Notierung erfolgte unter dem Kürzel LVB für Ludwig van Beethoven.Spekulaten seien dennoch gewarnt: LVB ist eine Aktie für Liebhaber, denn Dividenden hat der Konzern nicht versprochen, und zeitweilig lag die Notierung mit 17 Dollar sogar unter dem Emissionskurs.Ein Liebhaber blieb deshalb außen vor: Henry Z.Steinway hat keine Aktien gekauft ­ "ich mag Dividenden", sagt er.

MARGARITA CHIARI

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