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Steuerabkommen: "Deutschland tut sich keinen Gefallen"

Ob Betonplatten für den Bosporustunnel oder Solartechnik für die Energiewirtschaft: Deutschland ist seit langem einer der wichtigsten Handelspartner der Türkei – mit großem Gewinn für beide Seiten. Nun wurde das Steuerabkommen mit der Türkei gekündigt.

Berlin - Von rund 25 Milliarden Euro Handelsvolumen zwischen beiden Ländern im Jahr 2008 gingen mehr als 15 Milliarden als deutscher Export in die Türkei. Doch für deutsche Firmen jenseits des Bosporus könnte in Zukunft die Planungssicherheit über Steuern und Gewinne ausfallen. Vor kurzem hat die Bundesregierung das seit mehr als 20 Jahren bestehende Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Ankara gekündigt. Ab 2011 soll die bilaterale Übereinkunft nicht mehr gelten, die bislang vermeidet, dass Steuern gleichzeitig in Deutschland und der Türkei erhoben werden.

Es ist das zweite Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass die Regierung ein Doppelbesteuerungsabkommen kündigt – ein drastischer Schritt infolge von gescheiterten diplomatischen Verhandlungen. Was ist passiert?

„Das Abkommen ist veraltet und unausgewogen“, erklärt ein Sprecher des Bundesministeriums für Finanzen (BMF). „Deutschland strebt ein moderndes DBA an, das sich am Musterabkommen der OECD orientiert.“ Doch bei den Revisionsverhandlungen mit der Türkei seien „gravierende Meinungsunterschiede“ aufgetreten, weshalb die Regierung von der Ausstiegsklausel Gebrauch gemacht habe. Das DBA sei noch bis Ende 2010 gültig, um Zeit für Neuverhandlungen zu gewinnen. Experten vermuten, dass der Bundesregierung vor allem die Anrechnung einer sogenannten fiktiven Quellensteuer ein Dorn im Auge ist – ein Förderinstrument, mit dem Auslandsinvestitionen zugunsten des Partnerlandes attraktiv gemacht werden. Im Fall der wirtschaftlich gestärkten Türkei ist das wohl nicht länger nötig. „Sollte es bis dahin kein neues Abkommen geben, wird das jeweilige nationale Recht gelten.“

„Die Kündigung bedeutet erhebliche Unsicherheiten für bereits getätigte Investitionen“, erklärt der Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg. Besorgt ist auch die deutsch-türkische Industrie- und Handelskammer in Istanbul, die in der Türkei rund 3700 Firmen mit deutscher Beteiligung zählt. „Wir betreiben Standortwerbung“, erklärt ihr Chef Marc Landau. „Und die erste Frage der Investoren lautet: Gibt es ein DBA?“ Der Verband versuche deshalb darauf hinzuwirken, dass die Verhandlungen schnell und erfolgreich über die Bühne gehen.

„Deutschland erweist sich damit keinen Gefallen“, sagt auch Hans Weggenmann, zuständig für internationales Steuerrecht bei der Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner. Ein solches Abkommen regele „ein gemeinsames Begriffsverständnis“, wie etwa, was eine Betriebsstätte ist oder unter welchen Voraussetzungen Gewinne besteuert werden können. Für deutsche Unternehmen sei vor allem die damit geregelte Freistellung von Betriebsstättengewinnen und die Begrenzung von Quellensteuern wichtig. Ohne DBA kann es zu Liquiditätsnachteilen und Mehrfachbesteuerungen kommen.

Bei Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner fragen derzeit viele verunsicherte deutsche Unternehmer an, vor allem aus der Energiebranche, die in der Türkei boomt. Sollte sich die Bundesregierung nicht bis Ende 2010 mit Ankara einigen, folgt eine Zeit ohne Abkommen, was im schlimmsten Fall unberechenbare Steuerbelastungen für Unternehmer zur Folge haben kann. Eine solche Abkommenslücke ist laut Weggenmann durchaus möglich: „Solche Verhandlungen dauern normalerweise mehrere Jahre.“ Dabei wäre eine schnelle Lösung empfehlenswert, schließlich seien Investitionen in der Türkei gerade jetzt sehr interessant. Die Marktpreise seien niedrig, der Importbedarf groß. Und für Deutschland als Exportnation von erheblicher Bedeutung. Ferda Ataman

Ferda Ataman

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