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Top-Thema. In vielen griechischen Medien wurde die „Liste der Schande“ abgedruckt. Mehr als 4000 Namen säumiger Steuerzahler sind veröffentlicht.

© dpa

Steuerhinterziehung in Griechenland: "Liste der Schande" markiert nur die Spitze des Eisbergs

Mehr als 4.000 Griechen stehen auf der "Liste der Schande", die die griechische Regierung am Sonntagabend im Internet veröffentlicht hat. Doch bei vielen ist nichts mehr zu holen.

Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos nennt es die „Liste der Schande“: 4152 Namen von Griechen, die dem Fiskus zusammen 14,877 Milliarden Euro schulden. Das entspricht immerhin sieben Prozent der Jahreswirtschaftsleistung oder mehr als zwei Dritteln des letztjährigen Haushaltsdefizits. Mitte November 2011 hatte der Minister den säumigen Zahlern eine letzte, zehntägige Frist gesetzt, ihre Steuerschulden zu begleichen. Sonst, so die Drohung, würden ihre Namen veröffentlicht. Einige hundert Schuldner eilten daraufhin zu den Finanzämtern. Jene, die diese letzte Frist ungenutzt verstreichen ließen, finden sich jetzt auf der „Liste der Schande“ wieder, die das Finanzministerium am Sonntagabend ins Internet stellte. Die Veröffentlichung verzögerte sich, weil erst die Datenschutzbehörden grünes Licht geben mussten.

Unter den angeprangerten Steuersündern sind bekannte Unternehmer, Sportler und Künstler – wie Tolis Voskopoulos, der „griechische Rex Gildo“. Der Schlagerstar machte vor einiger Zeit Schlagzeilen, als sich herausstellte, dass er Jahrzehnte lang überhaupt keine Steuererklärung abgegeben hatte. Die Steuerschulden und Strafgelder summierten sich zum Schluss auf 5,5 Millionen Euro. Seit 1993 konnte oder wollte die Finanzverwaltung die Schulden nicht eintreiben. Inzwischen hat der Fiskus einige Villen des 72-jährigen Sängers beschlagnahmt und zwangsversteigert. Voskopoulos steht jetzt noch mit 515.000 Euro beim Staat in der Kreide.

Der Fall Voskopoulos ist insofern exemplarisch. Er illustriert die Dreistigkeit vieler Steuerhinterzieher, aber auch die Unfähigkeit oder die mangelnde Entschlossenheit des griechischen Fiskus, ausstehende Gelder einzutreiben. Beim lange schonenden Umgang der Steuerbehörden mit Voskopoulos dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass er mit einer prominenten Politikerin verheiratet ist, der früheren sozialistischen Tourismusministerien Angela Gerekou.

Auch der Buchhalter und Steuerberater Nikos Kassimatis ist politisch gut vernetzt: Lange war er der 60-Jährige enger Mitarbeiter eines prominenten konservativen Politikers im nordgriechischen Thessaloniki. Jetzt führt er die „Liste der Schande“ an – mit Steuerschulden von 952.087.781,55 Euro. Kassimatis soll in den 90er Jahren in großen Stil mit gefälschten Papieren unberechtigte Mehrwertsteuer-Erstattungen kassiert haben. Er wurde im Sommer 2009 festgenommen und verbüßt 66 Haftstrafen in einer Gesamtdauer von 223 Jahren. Bei ihm dürfte von der knappen Milliarde Euro nichts zu holen sein. So ist es in zahlreichen Fällen: Viele der Schuldner sitzen in Haft oder sind untergetaucht, andere haben Insolvenz angemeldet. Manche sind sogar tot.

Die Steuerhinterziehung ist eine der Ursachen der griechischen Schuldenkrise. Im Athener Finanzministerium beziffert man den hinterzogenen Betrag auf rund 13 Milliarden Euro im Jahr. Andere Schätzungen gehen vom doppelten Volumen aus. Belegt ist eine andere Zahl: 14.700 griechische Steuerzahler schulden dem Staat knapp 42 Milliarden Euro – mehr als das Doppelte des letztjährigen Haushaltsdefizits. Insofern markiert die „Liste der Schande“ nur die Spitze eines Eisbergs. Zwar bietet der Finanzminister den Steuersündern an, ihre Schulden in 60 Monatsraten zu begleichen. Horst Reichenbach, der Chef der EU-Arbeitsgruppe, die Griechenland bei der Verwaltungsreform unterstützen soll, schätzt jedoch, dass allenfalls sechs bis acht Milliarden eingetrieben werden können.

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