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Die Zeit läuft: Am 31. Mai muss man die Steuererklärung abgeben.

© Kitty Kleist-Heinrich

Steuermodernisierungsgesetz: Regierung will Bummeln bei der Steuererklärung bestrafen

25 Euro pro Monat, wenn man zu spät abgibt? Das wird der Bundestag am Donnerstag beschließen. Das Steuermodernisierungsgesetz soll die Bürger auf Trab bringen.

Wir schreiben das Jahr 1970. Im Kino spielt Heinz Erhard einen Finanzbeamten. Willi Winzig heißt der. Dieser Winzig lässt Akten verschwinden, um kleinen Steuersündern zu helfen. Es ist die Zeit, in der das Finanzamt ein Refugium für Liebhaber von Akten und Topfblumen ist und der Finanzbeamte ein Jäger. Seine Beute: Menschen, die mit Bewirtungsbelegen und Tankrechnungen schummeln oder privat gekaufte Krimis als Fachliteratur absetzen.
46 Jahre später sieht das Leben im Amt ganz anders aus. Die Sachbearbeiter sitzen hinter Computern und lesen die Steuererklärungen – wenn überhaupt. Denn im Massengeschäft mit Arbeitnehmern und Rentnern wird das meiste durchgwinkt. Nur ab und zu wird eine Erklärung herausgefischt und überprüft. Quittungen werden heute kaum noch kontrolliert. „Der Beleg gehört der Geschichte an“, sagt Eric Lausch. „Dafür ist keine Zeit“, weiß Lausch, der in der Verdi-Kommission für Steuern sitzt.

Das Durchwinken wird Gesetz

Nun will der Gesetzgeber das, was in den Ämtern längst Alltag ist, zum Gesetz machen. Nächsten Donnerstag verabschiedet der Bundestag das Steuermodernisierungsgesetz. Es soll die Steuerbürger dazu erziehen, ihre Steuererklärung künftig elektronisch mit dem „Elster“-System zu machen und nicht mehr auf Papier. Noch nutzen nämlich vor allem Steuerberater das elektronische System, die meisten Bürger füllen weiterhin lieber Kästchen auf Papier aus. Um das zu ändern, soll „Elster“ besser werden. Während man heute noch seine am Computer ausgefüllte „Elster-Erklärung“ wie zu Zeiten von Willi Winzig ausdrucken, unterschreiben und samt Belegen an das Finanzamt schicken muss, sollen Quittungen künftig zu Hause bleiben und nur noch auf Verlangen vorgelegt werden müssen. Zudem soll das Formular in Zukunft schon in vielen Teilen vorausgefüllt sein. Wer Steuernummer, Kontonummer oder Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr eingeben muss, ist schneller fertig. Insgesamt soll durch die Automatisierung erreicht werden, dass die „Durchlaufzeit“ eines Steuerantrags im Finanzamt von durchschnittlich 40 auf maximal zehn Tage verringert wird

25 Euro pro Monat als Strafe für Verspätungen

Ich wäre sogar für 50€ pro Monat, wenn der Staat in der Handlungsform des Finanzamts, der Rententräger, der Jobcenter usw. sich genau den gleichen Regeln unterwirft!

schreibt NutzerIn nakotiker

Schnellere Bearbeitung, weniger Aufwand – für den Steuerzahler ist das gut. Aber wehe, man verspätet sich. Wer zu spät einreicht, muss künftig für jeden angefangenen Monat mindestens 25 Euro zahlen. Ursprünglich sollten es sogar 50 Euro sein, die SPD-Bundestagsfraktion setzte die Halbierung durch. Bislang haben die Finanzämter dagegen einen Ermessenspielraum – den sie auch nutzen. Wer den 31. Mai, die Abgabefrist für die Steuererklärung, versäumt, kommt oft ungeschoren davon, wenn er sich entschuldigt und umgehend nachliefert. Solche Nachsicht hat aber bald ein Ende. Künftig soll der Zuschlag vom ersten Tag an eingefordert werden – automatisch. Wer einen Steuerberater einschaltet oder einen Lohnsteuerhilfeverein, soll dagegen künftig mehr Zeit bekommen. Die Abgabefrist vom 31. Dezember soll um zwei Monate verlängert werden.

Papier-Erklärung bleibt

Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler hält das für unangemessen, zumindest in den Fällen, in denen der Steuerzahler keine Steuern nachzahlen mus und sich bisher auch nichts hat zuschulden kommen lassen. „Wenn jemand immer pünktlich abgegeben hat und seine Steuererklärung jetzt ein einziges Mal verschläft, sollte man von einem automatischen Verspätungszuschlag absehen“, sagte Klocke dem Tagesspiegel. Dennoch unterstützt der Steuerzahlerbund das geplante Gesetz im großen und ganzen, vor allem, weil eine Gefahr gebannt worden ist: Die ursprünglich geplante Pflicht, das „Elster“-Verfahren zu nutzen, wird es zunächst nicht geben. Das geschieht vor allem mit Rücksicht auf ältere Steuerpflichtige, denen der Staat keinen Druck machen möchte. Das ändert aber nichts am erklärten Ziel des Gesetzgebers, irgendwann den Datenverkehr zwischen Steuerzahlern und Finanzämtern nur noch auf elektronischem Weg zu regeln.

Lange Übergangsfristen

Doch das ist Zukunftsmusik. Das Gesetz soll zwar schon ab dem 1. Januar 2017 gelten, hat aber eine lange Einführungs- und Übergangsfrist bis zum Jahr 2022. Von 2022 soll in der Mehrzahl der Fälle der Kollege Computer die Steuererklärungen checken. Gibt es Auffälligkeiten, dann kann das Risikomanagementsystem, das in die elektronische Auswertung eingebaut werden soll, diese Erklärungen herausfiltern. Natürlich wird es auch künftig Stichproben geben und vielleicht wollen die Sachbearbeiter dann auch mal Belege sehen. Wer möchte, kann zudem durch einen einfachen Klick oder einen Hinweis in einem Formularfeld eine persönliche Prüfung durch einen Beamten beantragen.

Zu wenig Leute im Amt

Ansonsten sollen die Amtsmitarbeiter aber von Routinearbeiten verschont bleiben. „Wir haben zu wenig Leute“, sagt Gewerkschafter Lausch. Dabei stockt Berlin die Stellen in der Finanzverwaltung nach jahrelangem Abbau jetzt wieder auf. Gut 5948 Vollzeitstellen waren es 2009, heute sind es 6143. Nötig wären aber 6777 Stellen, weist Lausch auf die jüngste Personalbedarfsrechnung hin. Zudem gäbe es übers Jahr immer wieder Personallücken, so dass der Arbeitsdruck in den Ämtern enorm sei. Statt die Gesetze zu vereinfachen, wird nun das Verfahren automatisert. Das soll helfen, die Finanzverwaltung effizienter zu machen. Finanzstaatssekretär Michael Meister erwartet, dass die Länder mehr Beamte für komplexere Steuerverfahren und -prüfungen abstellen und auch mehr Steuerfahnder einsetzen. Das ist für den Fiskus lukrativ: Beim beim einfachen Steuerzahler ist meist wenig zu holen, deutlich mehr dagegen bei Unternehmen und Reichen.

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