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Wirtschaft: Steuerreform: Die Wirtschaft lobt das Ende des Reformstaus

Als positives Signal für den Standort Deutschland und Ende des Reformstaus haben Kreditwirtschaft und Industrie die Zustimmung des Bundesrates zum Steuerpaket am Freitag begrüßt. Allein der Handel zeigte sich entäuscht.

Als positives Signal für den Standort Deutschland und Ende des Reformstaus haben Kreditwirtschaft und Industrie die Zustimmung des Bundesrates zum Steuerpaket am Freitag begrüßt. Allein der Handel zeigte sich entäuscht. Während zahlreiche Unternehmensvertreter weitere Entlastungen forderten, appellierte die IG Metall an die Wirtschaft, die steuerlichen Entlastungen zu Neueinstellungen zu nutzen. Auch Analysten würdigten den Beschluss. An den Finanzmärkten gab es vorübergehend kräftige Kursgewinne.

Für den Großteil der Frankfurter Finanzwelt kam die Entscheidung am Freitag überraschend. In den vergangenen Wochen waren auf dem Parkett die Zweifel gewachsen, ob sich Eichel gegen den Widerstand auch aus den eigenen Reihen würde durchsetzen können. Erst am Freitag stiegen die Erwartungen der Börsianer, dass die Steuerreform bereits im ersten Durchlauf gelingen werde.

Eindeutig fiel das Lob der Banken am Freitag aus. "Das ist ein Zeichen, dass der Reformstau endlich gebrochen ist", sagte Hans Jäckel, stellvertretender Chefvolkswirt der DG Bank. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband lobte vor allem die Nachbesserungen für den Mittelstand. Die "Wiedereinführung des halben Steuersatzes für Betriebsveräußerungen und Betriebsaufgaben ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Altersvorsorge für den freiberuflichen und gewerblichen Mittelstand", hieß es.

Als sich die guten Nachrichten am Freitagmorgen abzeichneten, reagierte die Börse prompt. Aktien von Banken und Versicherungen legten vorübergehend um mehr als vier Prozent zu. Dass vor allem diese Titel profitierten, liegt an einem Kernstück der Reform, die diese Unternehmen besonders begünstigt. Von 2002 an dürfen Kapitalgesellschaften ihre Beteiligungen an anderen in- und ausländischen Kapitalgesellschaften steuerfrei veräußern. Gerade die deutschen Finanzinstitute aber haben in den vergangenen Jahrzehnten einen immensen Beteiligungsbesitz angehäuft, von dem sie sich bisher auch aus steuerlichen Gründen nicht trennen wollten.

Kein längerfristiger Kursaufschwung

Ein längerfristiger Kursaufschwung wird von dieser Steuerreform allerdings nach Ansicht der Börsianer nicht mehr ausgehen. Die Märkte hätten diese Reform längst vorweggenommen, erklärten Händler auf dem Parkett. Anders hätte es dagegen bei einem Scheitern der Reform ausgesehen. Die Kurse wären dann wohl im Sturzflug nach unten gegangen, sagte ein Analyst. Bei den Frankfurter Fondsgesellschaften sieht man deshalb auch keine Veranlassung, die jeweiligen Investitionsstrategie nun radikal zu ändern und zum Beispiel Dax-Werte massiv aufzustocken. Die Steuerreform komme der Allianz entgegen, die Deutsche Telekom habe aber nichts davon, hieß es zur Begründung. "Die 8000 Punkte beim Dax sehen wir deshalb noch lange nicht", sagte ein Sprecher der DWS Investment.

Großes Lob für die Regierung Schröder gab es dagegen von den Konjunkturexperten der Banken. Es sei ein "großer Tag für die Wirtschaftspolitik der Regierung und auch für die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und Europa", urteilte DB-Research-Experte Michael Wolgast. Auch Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Investmentbank Goldman Sachs in Frankfurt, sprach von einem "immensen Fortschritt". Die Reform komme "der Zerschlagung des Gordischen Knotens gleich". Die "vierjährige Hängepartie" um das Thema Steuersenkungen habe maßgeblich dazu beigetragen, dass im Ausland der Eindruck eines reformunfähigen Deutschlands entstanden sei.

Wie sich die Steuerreform auf das Wirtschaftswachstum auswirken wird, ist offen. Allgemein wird in der Frankfurter Finanzwelt ein Wachstum von deutlich mehr als drei Prozent in diesem Jahr erwartet. Beim Institut für Wirtschaftsforschung in Halle erwartet man nun einen Wachstumsimpuls von 0,8 Prozent. Weil sich die hohe Exportdynamik abschwäche, sei es um so wichtiger, dass die Binnennachfrage steige, erklärte Konjunkturexperte Udo Ludwig.

Trotz des Lobes finden die Konjunkturexperten auch Grund zur Klage. So sei eine Vereinfachung des Steuersystems nicht gelungen, bemängelte DG-Bank-Experte Hans Jäckel. Sein Kollege Thorsten Polleit, Chefvolkswirt des Bankhauses ABN Amro, hält die ganze Reform für zu leichtgewichtig. "Wir müssen uns bewusst sein, dass das nicht mehr als ein Anfang war", sagt er. Die Entlastung pro Kopf betrage jährlich nur 100 Mark, kritisiert er. Dieser Vorteil werde durch steigende Belastungen bei der Altersversorgung wieder zunichte gemacht.

Handel und Bau mit herber Kritik

Kritisch äußerten sich auch Handel und Bau. Die Reform des Steuersystems bringe der Branche nicht die erwarteten Verbesserungen, kritisierte der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Handelsverbände, Michael Fuchs. Die Zustimmung durch die Bundesländer sei über eine vage Absichtserklärung für ein Mittelstandsgesetz billig erkauft worden, erklärte Fuchs weiter. Lautstarke Proteste kamen auch von Seiten der Baubranche. Der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) sprach von einem "Schwarzen Freitag für den Mittelstand". Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie ärgerte sich über die "Schlagseite der Reform zu Lasten des Mittelstandes".

Der IG-Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel bezeichnete die Zustimmung als "Signal für den Aufschwung. Endlich ist das Gewürge um die Steuerreform zu Ende. Wir erwarten, dass die Unternehmen nun den Konjunkturaufschwung und die Steuerreform für die Schaffung neuer Arbeitsplätze nutzen."

Auch aus Unternehmen kam Zustimmung. Volkswagen erwartet positive Impulse für die Autokonjunktur. "Nachdem Ölscheichs und Ökosteuer die Autokonjunktur eingefroren haben, endlich Frühlingserwachen", sagte VW-Kommunikationschef Klaus Kocks. Die Strategie von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Finanzminister Hans Eichel gegenüber dem Bundesrat nannte Kocks "ein politisches Meisterstück."

Ein Siemens-Sprecher sagte dem Tagesspiegel, der Beschluss gebe der Wirtschaft mehr Planungssicherheit. Jedoch bestehe Nachbesserungsbedarf. Schering-Sprecher Oliver Renner erklärte, die Steuerrefom sei nur ein erster Schritt. Dabei verwies Renner auf die Gegenfinanzierung der Reform. Der Gesetzgeber sieht vor, die Steuerreform durch schärfere Abschreibungsbedingungen zu finanzieren. Unternehmensberater Roland Berger sprach von einem wesentlichen Tag für Deutschland und die deutsche Wirtschaft: "Das ist das richtige Signal für den Aufbruch Deutschlands in die New Economy".

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