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Steuersünder: „Man kann sich nicht freikaufen“

Christoph Frank, Oberstaatsanwalt und Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, über Steuersünder, die Bundesregierung und angemessene Strafen.

Herr Frank, Steuersünder zahlen viel Geld, um Haftstrafen oder überhaupt Strafen abzuwenden. Viele Bürger finden das empörend. Haben sie recht?



Ich bedaure es, dass durch die Berichterstattung über Großverfahren bei den Bürgern der Eindruck entstanden ist, man könne sich vor Gericht freikaufen. Hierdurch schwindet das Vertrauen in die Justiz. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Es gibt klare gesetzliche Strafzumessungsregeln, die für alle Betroffenen in gleicher Weise gelten. Wir wenden sie ohne Ansehen der Person an.

Der Bundesgerichtshof fordert Haft ohne Bewährung, wenn mehr als eine Million Euro hinterzogen wurden. Wurde bislang zu viel und bei zu großen Summen gedealt?

Prozesse mit steuer- oder wirtschaftsrechtlichen Bezügen sind in der Praxis in besonderer Weise darauf angelegt, mit Absprachen beendet zu werden. Die Verfahren haben einen sehr umfangreichen Prozessstoff und sind meist höchst kompliziert. Das alles erfordert einen ungeheuren Aufwand an Personal und Zeit. Und genau diesen Aufwand können wir nicht immer leisten, weil uns die Ressourcen weggebrochen sind. Es fehlen schlicht Richter und Staatsanwälte in Deutschland, die sich auch gerade mit diesen sehr komplizierten Verfahren beschäftigen können.

Die Bundesregierung will Deals künftig gesetzlich regeln. Warum muss das sein?

Absprachen sind in der Strafprozessordnung nicht ausdrücklich vorgesehen; sie sind deshalb auch bei Richtern und Staatsanwälten keineswegs unumstritten. Der Bundesgerichtshof hat 2005 Regeln für Absprachen aufgestellt und angemahnt, für den Deal eine gesetzliche Regelung zu treffen. Das Bundesjustizministerium hat reagiert und einen Referentenentwurf vorgelegt, der ein einheitliches, transparentes und rechtsstaatliches Verfahren für Absprachen sichern soll.

Staatsanwälte dürfen die Gelder verteilen, die den Steuersündern abgenommen werden. Wer kontrolliert das – und wie?

Einstellungen gegen Geldauflagen bedürfen zunächst einmal grundsätzlich der Zustimmung des Gerichts. Die Staatsanwaltschaften haben die Möglichkeiten, Geldauflagen entweder der Staatskasse oder einer gemeinnützigen Organisation zukommen zu lassen. Die Oberlandesgerichte prüfen und entscheiden darüber, welche gemeinnützige Einrichtung als Empfängerin zugelassen wird. Welcher so überprüften Organisation der jeweilige Staatsanwalt dann das Geld zukommen lässt, ist grundsätzlich seine Entscheidung. Ab einer bestimmten Summe gilt das sogenannte Vier-Augen-Prinzip: Ein weiterer Staatsanwalt muss dann den Empfänger bestätigen.

Das Gespräch führte Jost Müller-Neuhof

Christoph Frank ist Oberstaatsanwalt und Vorsitzender des Deutschen Richterbundes. Der Verein mit 14 000 Richtern und Anklägern feiert am Montag in Berlin sein hundertjähriges Bestehen.

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