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Wirtschaft: Stillstand ist Ruhestand

Mit 50 kann man sich zurücklehnen, man kann ja schon alles? Auf keinen Fall. Wie Ältere auf dem neuesten Stand bleiben.

Barbara Müter-Zwisele hat ihren Mitarbeitern ein Versprechen gegeben: „Wir können gut zusammen alt werden“, sagt die Geschäftsführerin der Havel-Kids Kinderbetreuung gGmbH. Um die Kinder in ihrer Entwicklung individuell zu fördern und zu begleiten, seien körperliche Fitness, Stressresistenz und berufliches „Dranbleiben“ gefragt.

Für ihre Mitarbeiter bedeutet das zum einen, dass ein Personal Trainer ihnen ein arbeitsplatzintegriertes Fitnessprogramm zusammenstellt. Und dass andererseits viel Wert auf die berufliche Weiterentwicklung gelegt wird, und zwar dies- und jenseits der 50.

„Eine Kollegin hat sich mit Mitte 50 zur Facherzieherin für Integration weitergebildet, und den Abschluss hervorragend bestanden“, sagt Barbara Müter-Zwisele. Für die Geschäftsführerin ist es wichtig, dass auch die älteren Kolleginnen so lange wie möglich im Team bleiben. Sie führt mit den Mitarbeitern regelmäßig Gespräche – auch über den Wunsch nach Weiterbildungen.

Die Havel-Kids gehören zu den positiven Beispielen, die auf der Seite www.50plus-in-berlin.de vorgestellt werden. Aufgebaut hat diese Seite die Zukunft im Zentrum GmbH (ZiZ).

Die Mitarbeiter des ZiZ haben die Arbeitswelt von morgen im Blick: Sie wissen, dass sich die Alterung der Gesellschaft und der Bevölkerungsrückgang auf die Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Berliner Unternehmen auswirken werden. Mit ihrem Projekt Job Motion berät die ZiZ Firmen und Erwerbstätige im Umgang mit diesen veränderten Rahmenbedingungen – im Auftrag der Senatsverwaltung für Arbeit und des Europäischen Sozialfonds.

Die Weiterbildung von älteren Menschen ist in Deutschland bislang noch nicht sehr ausgeprägt, im europäischen Vergleich liegt sie im unteren Drittel: Viele Unternehmen machen Mitarbeitern um die 50 gar keine Angebote mehr, ihr Wissen zu erweitern. Andererseits gelten viele ältere Arbeitnehmer als „weiterbildungsmüde“ – vielleicht auch, weil es noch nicht genügend Angebote gibt, die ihren Bedürfnissen entsprechen.

Dabei ist Weiterbildung ein effizientes Instrument, um dem Fachkräftemangel zu begegnen: Der Fachkräftestudie Berlin-Brandenburg zufolge können in beiden Bundesländern im Jahr 2030 bis zu 460 000 Arbeitsplätze nicht besetzt werden: vor allem im Industrie- und Gewerbebereich.

Für kleine und mittlere Unternehmen ist es oft besonders schwierig, älteren Mitarbeitern eine neue Aufgabe zuzuweisen, wenn diese ihren alten Aufgabenbereich nicht mehr ausfüllen können – zum Beispiel, weil die körperlichen Kräfte nachlassen. Viele Unternehmen finden zudem keine geeigneten Lehrlinge mehr und sind froh, wenn ältere Kollegen länger in der Firma bleiben.

Das Team von Job Motion bietet unter anderem Beratungen, Analysen, Workshops und Seminare an. Die Beraterin Antje Rabenalt erzählt vom Mitarbeiter eines Unternehmens, der mit Mitte 50 noch den – mit einer sehr anspruchsvollen Prüfung verbundenen - Lokführerschein gemacht hat. „Wenn ältere Arbeitnehmer eine Weiterbildung machen, brauchen sie ein klares Ziel und müssen das erworbene Wissen schnell einsetzen können“, sagt sie.

Weiterbildungsinteressierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer finden auf der Seite „50Plus in Berlin“ viele verschiedene Anbieter, etwa das Forum Berufsbildung: „Unsere Berater setzen sich mit dem Lebenslauf, den Fähigkeiten, Kenntnissen und Wünschen von Menschen über 50 sowie den aktuellen Anforderungen des Arbeitsmarktes auseinander“, sagt Sprecherin Sabine Taubenheim.

Nur so sei es möglich, passgenaue Angebote zu finden. Während manchen Menschen über 50 nur eine Anpassungsfortbildung fehle, etwa im EDV-Bereich, müssten sich andere aus gesundheitlichen Gründen beruflich komplett neu orientieren. Für einen Betonbauer könne etwa eine Umschulung zum Immobilienkaufmann infrage kommen. „Auch der berufliche Aufstieg erfordert oftmals eine zusätzliche Qualifikation“, sagt Sabine Taubenheim vom Forum Berufsbildung.

Ältere Erwerbstätige, die über den Schritt in die Selbstständigkeit nachdenken, können zum Beispiel am Programm Start Chance teilnehmen, das ebenfalls vom ZiZ angeboten wird. Gründungsinteressierte absolvieren hier zunächst ein Orientierungsgespräch und ein Assessment-Center, bevor sie ein individuelles Coachingprogramm nutzen können, das maximal 40 Stunden dauert.

Vertreten sind auf der Seite „50Plus in Berlin“ auch die sogenannten Beschäftigungspakte, die durch das vom Bundesarbeitsministerium initiierte Bundesprogramm Perspektive 50plus entstanden sind. Dazu gehört das vom Jobcenter Pankow koordinierte Projekt „Berliner Bär“, das mit mehreren Berliner Jobcentern und Partnern wie der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer oder der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg für ältere Arbeitslose nach neuen Einsatzmöglichkeiten sucht.

Ein weiterer Beschäftigungspakt dieser Art ist die „Bän AG“, für die das Nestor Bildungsinstitut und mehrere Jobcenter zusammenarbeiten. Das Bildungsinstitut hat zum Beispiel mit einem 59-Jährigen ein intensives Coaching-Programm absolviert: seit Anfang des Jahres hat er wieder einen Job, in der Gastronomie – und in Vollzeit.

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