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Wirtschaft: Stoffe ohne Schaden

Große Ketten wie H&M und C&A setzen zunehmend auf Biobaumwolle. Doch nicht alle Produkte sind wirklich 100 Prozent öko

Berlin - Nach dem Bioboom bei Lebensmitteln will auch die Modeindustrie vom Biotrend profitieren. So weitet die schwedische Modekette H&M in diesem Herbst ihre im Frühjahr gestartete Biobaumwollkollektion deutlich aus. „Das Geschäft läuft so gut, dass wir jetzt mehr Stückzahlen und weitere Modelle anbieten“, sagte ein Unternehmenssprecher dem Tagesspiegel am Sonntag. Der Konzern kauft in diesem Jahr rund 1100 Tonnen Biobaumwolle ein.

Konkurrent C&A zieht nach und bietet seit September Biotextilien an. „Wir rechnen mit einem Umschwenken vieler Kunden auf unsere Bioware und planen, in sämtlichen Produktbereichen Bio anzubieten“, sagt C&A-Sprecher Knut Brüggemann. Langfristig möchte das Unternehmen seine konventionelle Baumwolle sogar vollständig durch Biofaser ersetzen. Für diesen Herbst kauft die Modekette 1200 Tonnen Biobaumwolle aus der Türkei und Indien ein. Das sind etwa zwölfeinhalb Millionen Hemden und Hosen. Im kommenden Jahr sollen es 7500 Tonnen werden.

Bei den Kunden und im Handel hat offenbar ein Umdenken eingesetzt. „Biobekleidung ist nicht mehr nur etwas für Ideologen und Verzichtsprediger“, sagt Johannes Merck, Leiter des Bereichs Unternehmensverantwortung beim Otto-Versand. Die Kunden müssten heute auf einen modischen Stil nicht mehr verzichten und könnten gleichzeitig umweltfreundlich handeln. Mit seiner Bioware, die Europas größter Versandhändler schon seit 2003 anbietet, zielt er auf ein Massengeschäft ab. Die 300 Tonnen, die er für das laufende Jahr eingekauft hat, will Otto im nächsten Jahr auf 1000 Tonnen aufstocken. „Im Markt passiert hier eine Menge, die Kunden fragen inzwischen gezielt nach Ökoware“, sagt Merck.

Bislang haben vor allem spezielle Anbieter für Naturtextilien wie „Living Crafts“ oder „Hess Natur“ Kleider aus ökologischer Herstellung verkauft. Die Preise waren meist höher, was auch daran lag, dass die Ökoware in kleineren Mengen produziert wurde. Das ist bei den großen Ketten anders: „Ein Bio-T-Shirt ist bei uns keinen Cent teurer als die konventionelle Ware“, sagt Brüggemann von C&A. Das Unternehmen will Produkten aus Biobaumwolle auf breiter Front zum Durchbruch verhelfen und nimmt dabei sogar Einbußen bei der Gewinnmarge in Kauf. „Die Rohstoffkosten sind definitiv höher als bei konventionell angebauter Baumwolle. Wir geben sie jedoch nicht an unsere Kunden weiter“, sagt der Sprecher. Auch H&M und Otto verkaufen ihre Biokleidung zum selben Preis wie die sonstige Ware und wollen so die Nachfrage ankurbeln.

Dass das Ökokonzept aufgehen kann, zeigt das Szene-Label „American Apparel“ aus Los Angeles, das auch in Berlin zwei Filialen hat und inzwischen Kultstatus genießt. Schon seit 2002 bietet das Unternehmen T-Shirts aus Biobaumwolle an. Der Verkauf laufe immer besser, sagt eine Sprecherin.

Was aber steckt hinter der immer häufiger auftauchenden Öko-Deklaration von Textilherstellern auf Jeans und Pullover? „Bio ist hier nicht gleich Bio. Man muss unterscheiden zwischen Anbau und Herstellung der Ware“, betont Heike Scheuer vom Internationalen Naturtextilverband (IVN). Nach den strengen IVN-Kriterien ist Bio nur Bio, wenn die Baumwolle aus kontrolliert ökologischem Anbau stammt. Sie muss frei sein von nicht abbaubaren Düngemitteln, Pestiziden und Entlaubungsmitteln. Die Stoffe müssen zudem ohne chemische Zusätze, etwa Chlor und synthetische Färbemittel, produziert werden. Außerdem besteht der Verband auf fairen Arbeitsbedingungen bei Anbau und Herstellung.

Die bestehende EU-Ökorichtlinie ist dagegen weniger streng. Sie gilt nur auf dem Feld, nicht in der Fabrik. Wenn also ein Produzent bei der Baumwollpflanzung die EU-Ökorichtlinie einhält, erzeugt er zunächst nur einen schadstofffreien Rohstoff. „Die eigentliche Chemiekeule kommt allerdings erst in der industriellen Produktion hinzu, etwa durch Farbstoffe oder Formaldehyde“, erklärt IVN-Sprecherin Scheuer. „Wenn dann am Ende Bio auf der Ware steht, denkt der Kunde, er kauft ein umweltfreundliches und gesundheitlich unbedenkliches Produkt.“ H&M hält nach eigenen Angaben die EU-Ökorichtlinie ein, stellt die Textilien aber nach konventionellen Kriterien her. Otto legt dagegen Wert auf einen durchgehend ökologischen Herstellungsprozess. C&A geht sogar noch weiter und achtet nicht nur auf ökologischen Anbau und Produktion. Der Konzern lässt seine Bioware zudem CO2-schonend mit dem Schiff statt im Flugzeug transportieren.

Ob die Biokette vom Feld bis ins Kaufhausregal nahtlos eingehalten wird, ist für den Kunden oft nicht ersichtlich. Die Textilfirmen verwenden häufig selbst kreierte Zertifikate. Der IVN fordert daher einheitliche Standards. „Alle sollten ein Kennzeichen mit gleich strengen Standards verwenden“, sagt Scheuer.

Larissa Klatt

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