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Wirtschaft: Stolpe greift Maut-Betreiber an

Verkehrsminister macht die Industrie für das Chaos verantwortlich und will nicht zurücktreten

Berlin (asi/hop). Die Wahrscheinlichkeit, dass auch der zweite Starttermin für die Einführung einer deutschlandweiten LkwMaut nicht gehalten werden kann, wird immer größer. Nach der Kabinettssitzung ließ Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) ernsthafte Zweifel an der Einhaltung des 2. November als Starttermin erkennen. Das Betreiberkonsortium Toll Collect habe „eine ganze Reihe Fragen“ zur technischen Vorbereitung auf den Starttermin „noch nicht zufriedenstellend beantwortet“, sagte Stolpe.

Das Kabinett machte jedenfalls von politischer Seite den Weg für den Start der Maut frei. Mit einem förmlichen Beschluss sei die bestehende Trennung von Mautgesetz und den versprochenen Ausgleichszahlungen an die Spediteure bekräftigt worden, hieß es. Das hatte die EU-Verkehrskommissarin Loyola de Palacio verlangt, damit auch beim laufenden Beihilfeverfahren, in denen die Ausgleichsmaßnahmen überprüft werden, die Maut starten kann. Ursprünglich sollten die Spediteure über eine Mineralölsteuererstattung 600 Millionen Euro pro Jahr zur Abmilderung der zusätzlichen Lasten durch die Lkw-Maut erhalten.

Stolpe sagte, er wolle sicherstellen, dass die Maut-Gebühren erst dann erhoben würden, wenn es keine „Serie von Katastrophen“ mehr geben könne. Ob dies der 2. November sein wird, ließ Stolpe offen. Vollkommen unklar sei auch noch, ob die so genannte Probephase wie geplant Ende dieser Woche beginnen könne, sagte der Minister. Seine Experten und die Betreiber würden „pausenlos verhandeln“. Bisher werden nur einzelne Komponenten des Mautsystems im bereits laufenden Testbetrieb geprüft, wobei erhebliche Probleme auftreten (siehe Kasten).

Forderungen nach seinem Rücktritt wies Stolpe zurück. Er werde sich seiner Verantwortung stellen. „Im Sturm verlässt man nicht die Kommandobrücke.“ Allerdings erneuerten führende Oppositionspolitiker am Mittwoch ihre Rücktrittsforderungen.

Die verzögerungsbedingten Maut-Einnahmeausfälle – das System sollte eigentlich am 31. August in Betrieb gehen – bezifferte der Minister auf monatlich 163 Millionen Euro. „Das ist das, was fehlt, und das lässt sich addieren von Monat zu Monat.“ Derzeit würden die Verträge nachverhandelt. Dies sei notwendig, weil durch die Verschiebung des ersten Maut-Starts Ende August der vorliegende Vertrag „so nicht erfüllt“ sei. Zur Frage der Vertragsstrafen wollte sich Stolpe nicht äußern. Der Bund müsse aber weder Betreiberkosten noch Erstattungen leisten, so lange es keinen offiziellen Starttermin gebe.

Ein Sprecher Stolpes erklärte am Abend, das Verkehrsministerium habe eine mit dem Maut-Konsortium unterzeichnete Erklärung über einen erweiterten Haftungsausschluss für nichtig erklärt. Eine entsprechende Absichtserklärung vom 30. Juli sei mit Blick auf den Start des Systems am 31. August abgeschlossen worden, weil eine höhere Anzahl von On-Board-Units nachverhandelt wurde. Da der Start der Maut am 31. August nicht stattgefunden habe, sei der Erklärung die Grundlage entzogen. Das ZDF hatte zuvor berichtet, Stolpe habe dem Konsortium einen erweiterten Haftungsausschluss eingeräumt.

Die Haushaltsexpertin der Grünen, Franziska Eichstädt-Bohlig, trat im ZDF dafür ein, „alle Haftungs- und Schadenersatzmöglichkeiten zu prüfen“. Hauptschuldiger sei die Industrie, nicht Stolpe. Jetzt müsse der Druck auf die Konzerne erhöht werden. Scharf griff deshalb auch Stolpe die Konzerne hinter Toll Collect – Daimler-Chrysler und Telekom – an. „Das ist hier keine Spielbank“, sagte er und forderte die Firmen auf, die technischen Voraussetzungen zum reibungslosen Maut-Betrieb zu schaffen. Die Querelen bezeichnete Stolpe als „peinlich und ärgerlich“.

Daimler-Chrysler und Telekom haben auf die Kritik reagiert und das Thema zur Chefsache erklärt. „Wir nehmen die Sache sehr ernst“, hieß es bei Daimler-Chrysler. Ein Sprecher von Toll Collect sagte dem Tagesspiegel, beide Konzerne hätten ihre Unterstützung für das Projekt deutlich verstärkt.

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