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"Pfunde abtrainieren, Muskeln aufbauen". Volkswagen-Chef Matthias Müller präsentierte die neue Strategie 2015 in Wolfsburg.

© REUTERS

Strategie 2015: Volkswagen baut radikal um

Der Autokonzern setzt nach dem Diesel-Skandal auf mehr Effizienz, Elektroautos – und auf Berlin. VW-Chef Müller spricht vom größten Umbau in der Unternehmensgeschichte.

Der Standort Berlin soll im Geschäft des Volkswagen-Konzerns künftig eine zentrale Rolle spielen. Der vom Diesel-Skandal erschütterte Autohersteller siedelt in der Hauptstadt seinen neuen Geschäftsbereich für Mobilitätslösungen an – also alles, was mit der Vermittlung von Fahrdiensten, Carsharing, Robotaxis oder Transport-on-demand zu tun hat. Es geht dabei nicht um irgendein Geschäftsfeld, sondern um den – neben dem klassischen Automobilbau – „zweiten Eckpfeiler“ der neuen Konzernstrategie, die VW „Together – Strategie 2015“ nennt.
VW-Chef Matthias Müller stellte die Details am Donnerstag in Wolfsburg vor. Man strebe in dem neuen Bereich „in einem schnell wachsenden Markt“ bis 2025 einen „Umsatz in Milliardenhöhe“ an, sagte der 63-Jährige, der das Unternehmen seit Ende September 2015 führt. Kürzlich hatte Müller in Berlin die Partnerschaft mit dem Fahrdienstvermittler Gett präsentiert. Volkswagen investiert allein dort 300 Millionen Euro.

Zweistelliger Milliarden-Betrag für neue Geschäftsfelder

Bei einem Konzernumsatz von mehr als 200 Milliarden Euro sind die Dimensionen der neuen VW-Geschäfte noch relativ klein. Aber Müller erklärte, dass Volkswagen vor dem „größten Veränderungsprozess in der Geschichte des Konzerns“ steht. Am Ende soll ein geläutertes, schlankeres und effizienteres Unternehmen stehen. Aufgeschreckt von der „Diesel-Thematik“ (Müller) will die Konzernführung Volkswagen mehr auf Zukunftsgeschäfte wie Elektromobilität, Batterietechnologie und selbstfahrende Autos ausrichten. Bis 2025 soll ein zweistelliger Milliarden-Betrag in solche Investitionen fließen.
250 Experten haben nach Angaben Müllers in den vergangenen Monaten eine Strategie entworfen, die bis zum Jahresende konkretisiert werden soll. Schon jetzt ist klar: Das Projekt wird tief in die Struktur, die Kultur und das Selbstverständnis von VW eingreifen. Volkswagen habe „gravierende Schwächen“, räumte Müller ein. Es habe zudem berechtigte Kritik an der „Portion Selbstgefälligkeit“ bei VW gegeben. Das Streben nach Größe allein gehöre nun der Vergangenheit an. Es gehe nicht mehr bei allen Themen darum, die Nummer eins in der Welt zu sein, fügte der Leiter der Konzernstrategie, Thomas Sedran, hinzu.
Volkswagen hat sich dennoch viel vorgenommen. So soll das 340 verschiedene Modelle umfassende Produktportfolio verkleinert werden. In den kommenden zehn Jahren will Volkswagen zugleich mehr als 30 rein batteriebetriebene Fahrzeuge auf den Markt bringen. „Wir werden ein milliardenschweres Investitionsprogramm auf den Weg bringen“, sagte Müller. 2025 werde man zwei bis drei Millionen reine Elektroautos verkaufen. Dies entspreche einem Anteil von 20 bis 25 Prozent am gesamten Konzernabsatz. Ob Volkswagen, wie zuletzt vermutet, auch eine eigene Batteriezellenfabrik aufbaue, sei noch nicht entschieden, sagte der VW-Chef. „Wir beschäftigen uns derzeit mit allen Prozessschritten, vom Rohmaterial bis zum fertigen Elektroauto.“

Komponentenfertigung mit 67.000 Mitarbeitern wird umstrukturiert

Vor tiefen Einschnitten steht auch das Komponentengeschäft mit 67.000 Mitarbeitern an weltweit 26 Standorten. Volkswagen produziert anders als die meisten Wettbewerber viele Zulieferteile für die Autoproduktion noch selbst. Das zahlt sich in einigen Bereichen aus, andere sind hingegen zu teuer geworden. Um den Bereich über alle zwölf Marken des Konzerns hinweg neu auszurichten und zu bündeln, soll ein neues Unternehmen gegründet werden. „Wir werden zunächst den VW-Bedarf decken und später womöglich auch an andere Unternehmen liefern“, sagte Müller. „Pfunde abtrainieren, Muskeln aufbauen“, so beschrieb der VW-Chef das Programm der kommenden Jahre. Bis 2025 soll die operative Rendite auf sieben bis acht (2015: 6,0) Prozent zulegen. Damit bleibt Volkswagen hinter der Konkurrenz zurück: Daimler hat sich im Pkw-Geschäft ein Ziel von zehn Prozent gesetzt, BMW von acht bis zehn Prozent. Der Betriebsrat und das Land Niedersachsen, das 20 Prozent der VW-Aktien hält, sagten Matthias Müller am Donnerstag ihre Unterstützung zu. Die Börse zeigte sich hingegen eher skeptisch: VW-Aktien rutschten um mehr als drei Prozent ab.

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