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Das Bundesverfassungsgericht will zentrale Elemente der Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nochmals unter die Lupe nehmen.

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Update

Streit in Karlsruhe: Verfassungsrichter prüfen Anleihekäufe der EZB

Ob die Europäische Zentralbank (EZB) im Notfall Anleihen von Krisenstaaten kaufen darf, ist umstritten. Jetzt müssen das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Von Carla Neuhaus

Wie weit darf EZB-Chef Mario Draghi gehen? Es ist eine einfache Frage, deren Antwort doch so kompliziert ist. Seit diesem Dienstag beschäftigt sich erneut das Bundesverfassungsgericht mit ihr. Die Karlsruher Richter müssen klären, ob die Europäische Zentralbank (EZB) im Notfall unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten aufkaufen darf oder nicht. Dieser Streit zieht sich nun schon seit fast drei Jahren hin – jetzt wolle man das Verfahren zum Abschluss bringen, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle am Dienstag. Ein Urteil wird für den Sommer erwartet.

Heikel ist der Streit um das Kaufprogramm für Anleihen allein schon deshalb, weil die Verfassungsrichter in der Vergangenheit anderer Meinung waren als der Europäische Gerichtshof (EuGH). Der hat das Kaufprogramm durchgewunken – und das obwohl die deutschen Verfassungsrichter zuvor lautstark Bedenken geäußert hatten, die EZB überschreite ihr Mandat. Jetzt müssen die Karlsruher entscheiden: Berufen sie sich auf die Kollegen aus Luxemburg und erlauben die Anleihekäufe  – oder haben sie den Mut, bei ihrer früheren Meinung zu bleiben.

Risiken werden vergemeinschaftet, sagen die Kritiker

Tun sie das, hätten sie auf jeden Fall Bundesbankchef Jens Weidmann auf ihrer Seite. Er kritisierte am Dienstag, bei dem Kaufprogramm für Staatsanleihen würden die Risiken vollständig vergemeinschaftet und letzten Endes auf die Steuerzahler verteilt. Er folgt damit der Argumentation von CSU-Politiker Peter Gauweiler – einem der Kläger, die das Verfahren ins Rollen gebracht haben. Gauweiler sieht in dem Kaufprogramm eine Staatsfinanzierung durch die Hintertür: Wenn die EZB Anleihen erwirbt, drückt sie damit den Zins – wodurch die Krisenstaaten sich billiger Geld bei den Anlegern leihen können.

Wie Gauweiler halten auch viele Ökonomen das OMT-Programm für problematisch. „In der Euro-Zone ist nur die Geldpolitik vergemeinschaftet, die Wirtschaftspolitik aber nicht“, sagte der Chefvolkswirt der Munich Re, Michael Menhart, dem Tagesspiegel. Das Kaufprogramm sei „an die Bedingung geknüpft, dass sich die Staaten, die teilnehmen wollen, einem wirtschaftlichen Reformprogramm unterwerfen“, sagte er. „Das ist aber eine kritische Vermischung von Wirtschafts- und Geldpolitik.“

Angewandt wurde das OMT-Programm bis heute nicht

Als die EZB das umstrittene Kaufprogramm 2012 ankündigte, war die Lage ernst: Griechenland versank nach den Wahlen im Chaos, die ersten Investoren wetteten bereits auf den Zerfall der EuroZone. Mit seinen klassischen Mitteln der Geldpolitik wie einer Zinssenkung war EZB-Chef Draghi bereits am Ende. Doch dann überraschte er mit einem Versprechen. Die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten. „Whatever it takes“: Diese drei Worte Draghis beruhigten die Märkte. Um zu verhindern, dass ihre Wirkung verpuffte, legte der Notenbankchef nach – und kündigte ein Kaufprogramm für Staatsanleihen an. Der technische Name: „Outright Monetary Transactions“, kurz OMT. Weil allein schon Draghis Worte die Anleger beschwichtigt hatten, kam es bis heute jedoch nicht zum Einsatz. Stattdessen legte die EZB später ein anderes Kaufprogramm für Anleihen auf (QE genannt), das sich nicht rein auf die Papiere von Krisenstaaten konzentriert.

Dennoch hätte es Signalwirkung, würde das Bundesverfassungsgericht das OMT-Programm kippen. Möglicherweise auch deshalb war Finanz-Staatssekretär Jens Spahn am Dienstag dafür, das Bundesverfassungsgericht solle lieber nicht auf Konfrontationskurs zum EuGH gehen. „Ich werbe für ein Freundschaftsspiel“, sagte er.

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