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Jede Menge Geld. Finanzvertriebe bieten eine allumfassende Beratung an.

© dpa

Streit um Aufsicht: Bundesregierung schont Finanzvertriebe

Statt der Gewerbeämter soll künftig die Finanzaufsicht Bafin Strukturvertriebe wie den AWD kontrollieren, fordert das Europaparlament. Die Bundesregierung ist dagegen.

Sie bieten ihren Kunden eine Rundum-Beratung für deren Vermögen, sie verkaufen jahrzehntelang laufende Lebensversicherungen, Fonds und Finanzierungen, sie haben Produkte von Unternehmen aus aller Welt in ihrem Angebot – doch kontrolliert werden die deutschen Finanzvertriebe von den lokalen Industrie- und Handelskammern sowie den Gewerbe- und Ordnungsämtern um die Ecke. Das passt nicht zusammen, findet das Europaparlament und will das ändern. Die Europaparlamentarier wollen die Finanzvertriebe unter dieselbe Aufsicht stellen wie die Banken.

„AWD, Deutsche Vermögensberatung und Co. müssen genauso wie andere Finanzdienstleister von der Finanzaufsicht Bafin beaufsichtigt werden“, sagte Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, dem Tagesspiegel. Doch Deutschland ist dagegen – genauso wie andere Mitgliedsländer. An diesem Donnerstag treffen Vertreter der Mitgliedsländer, des Europaparlaments und der EU-Kommission aufeinander, um nach einer Lösung im Streit über die Aufsicht zu suchen.

Verbraucherschützer stehen dabei auf der Seite der Europaparlamentarier. „Die Gewerbeämter und die Industrie- und Handelskammern können die Finanzvermittler nicht vernünftig beaufsichtigen“, meint Dorothea Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV), „das muss die Bafin machen“. Die schaut nämlich bereits den Banken und den Versicherungen auf die Finger.

Dass die Bonner Behörde nicht auch für Finanzvermittler wie AWD, DVAG oder OVB zuständig ist, liegt an der Finanzmarktrichtlinie Mifid I aus dem Jahr 2007. Die Mifid verpflichtet Vertreiber von Finanzprodukten, im Interesse der Verbraucher zu handeln. Den Mitgliedsstaaten ist es aber erlaubt, Ausnahmen für Finanz- und Versicherungsvertriebe zu machen. Deutschland hat davon Gebrauch gemacht.

Nun aber wird die Mifid überarbeitet. Das Europaparlament will die Revision nutzen und die geltende Ausnahmeregelung so weit einschränken, dass alle wichtigen Verbraucherschutzauflagen auch für die Finanzvertriebe gelten. Doch die Mitgliedstaaten schießen quer – darunter auch Deutschland. „Die in der Mifid I enthaltene Ausnahmeregelung .... wird von der Bundesregierung nicht infrage gestellt“, teilte das Bundesfinanzministerium Anfang dieser Woche auf eine Anfrage des Tagesspiegels mit.

„Die Bundesregierung sollte sich im Rat endlich für Anlegerschutz und fairen Wettbewerb engagieren und aufhören, die Lobby der Strukturvertriebe zu verteidigen“, ärgert sich der grüne Finanzpolitiker Sven Giegold. Verbraucherschützer kennen dieses Spiel aber bereits. Auch bei den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD zunächst darauf geeinigt, Versicherungs- und Finanzvermittler der Bafin zu unterstellen. Doch das, was die Verbraucherschutzpolitiker der Parteien verabredet hatten, hatte im Laufe der weiteren Verhandlungen keinen Bestand. „Das ist wieder rausgeflogen“, erinnert sich Verbraucherschützerin Mohn und macht dafür das intensive Lobbying der Vermittlerbranche verantwortlich.

Die Finanzvertriebe möchten nämlich, dass beim Thema Aufsicht alles so bleibt, wie es ist. „Aktuell sind die Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler bei den lokal ansässigen Industrie- und Handelskammern und den Gewerbeämtern in guter Hand“, sagte ein Sprecher des Bundesverbands Finanzdienstleistung kürzlich dem „Handelsblatt“. Diese Stellen seien vor Ort und würden die Leute kennen, argumentiert der Verband.

Verbraucherschützerin Mohn sieht das allerdings skeptisch. Sie freut sich nur über eines: „Wenigstens brauchen die Vermittler inzwischen eine Haftpflicht, um mögliche Vermögensschäden ihrer Kunden zu decken.“

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