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Wirtschaft: Streit um die Früchte des Wachstums

In Frankreich wird der Mindestlohn erhöht

Paris - In Frankreich dominieren zurzeit ähnliche Themen wie in Deutschland die Wirtschaftspolitik: Arbeitszeit, Mindestlohn, Binnennachfrage. Aber während hierzulande noch über die Einführung eines Mindestlohns debattiert wird, streitet sich die französische Regierung über die Erhöhung desselben. Denn im Gegensatz zu Hans Eichel kann der französische Finanzminister Nicolas Sarkozy dank eines prognostizierten Wirtschaftswachstums von 2,5 Prozent mit rund fünf Milliarden Euro Mehreinnahmen aus den Steuern rechnen.

Allerdings legt sich Sarkozy mit dieser liberalen Linie mit seinen Parteikollegen aus der Konservativen UMP an: Während Arbeitsminister Jean-Louis Borloo mit diesen „Früchten des Wachstums“ den Mindestlohn erhöhen möchte, will Sarkozy sparen. „Wenn man etwas mehr Geld hat, müssen Schulden zurückgezahlt werden", sagte Sarkozy. „Ich bringe lieber schnell vier Millionen Menschen in Arbeit zurück, als sofort Schulden zurückzuzahlen“, sagt aber Borloo.

In diesem Zwist konnte er sich nun gegen den Finanzminister durchsetzen. Der Mindestlohn wird ab 1. Juli 2005 um 3,7 Prozent erhöht. Premierminister Jean- Pierre Raffarin revidierte überraschend seine Position in dieser Streitfrage. Die Erhöhung der Mindestlöhne kostet den Finanzminister rund zwei Milliarden Euro. Denn mit dem Mindestlohn sind Rabatte für die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber verknüpft. Dieser Beitragsnachlass wurde den Unternehmern gewährt, um ihnen zum Teil die Mehrkosten auszugleichen, die ihnen durch die Einführung der 35-Stunden-Woche im Jahr 2000 entstanden sind.

Bereits jetzt belasten diese Rabatte den Haushalt jährlich mit rund 17 Milliarden Euro. Sarkozy würde gerne das Gesetz zur 35-Stunden-Woche revidieren. In den vergangenen Monaten hat sich die Debatte um die Arbeitszeit ohnehin in Frankreich neu entfacht. Ähnlich wie der deutsche Siemens- Konzern haben auch in Frankreich einige Unternehmen per Betriebsabkommen längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich durchgesetzt. Dabei haben sie mit der Verlagerung der Produktion ins Ausland gedroht.

Finanzminster Sarkozy sorgt sich um die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs. Er fordert eine „tiefgreifende Reform“ der 35-Stunden-Woche. Doch hier erwies sich Staatspräsident Jacques Chirac als Gegner des liberalen Sarkozy: Er erklärte die Arbeitszeitbegrenzung zum „sozialen Besitzstand“. Nur im Rahmen der bestehenden Gesetze soll mit den Sozialpartnern über Lockerungsmöglichkeiten verhandelt werden. Am Donnerstag beginnen die Beratungen mit den Gewerkschaften und Arbeitgebern, um Reformmöglichkeiten der 35-Stunden-Woche auszuloten.

Holger Alich

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