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Erbschaftsteuer bei Unternehmern muss reformiert werden.

© Jens Büttner/dpa

Streit um Reform der Erbschaftsteuer: Gelingt der Koalition die Einigung in letzter Minute?

Nach einem Veto von CSU-Chef Horst Seehofer schien die Einigung im Streit um die Erbschaftsteuer schwierig zu werden. Klarstellungen aus Karlsruhe könnten nun helfen.

Nach dem Veto von CSU-Chef Horst Seehofer herrscht in der Koalition derzeit angespannte Ruhe im Streit um die von Karlsruhe verlangte Reform der Erbschaftsteuer. Nach außen dringt wenig, im Hintergrund aber rumort es. In der SPD-Fraktion und in der CDU gibt es deutliche Verstimmungen. Die CSU hingegen glaubt, den im Februar zwischen den Fraktionsspitzen vereinbarten Kompromiss zur Reform der Besteuerung von Unternehmenserben nochmals deutlich verändern zu können. Die Mittelstandsvereinigung der Union hofft zudem, mit einem neuen Vorschlag die Debatte in eine völlig neue Richtung bewegen zu können. Dabei drängt die Zeit, denn das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung im Dezember 2014 vorgegeben, dass eine Neuregelung der Verschonungskriterien bei Unternehmenserbschaften bis zum 30. Juni 2016 kommen müsse.

Eine Entscheidung soll nach Tagesspiegel-Informationen in einem Koalitionsausschuss um den 11. April herum fallen. Eine Entscheidung allein im Kreis der Parteichefs hat die SPD abgelehnt. Während SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider signalisierte, seine Partei wolle den Koalitionskompromiss nicht mehr verändern, will Seehofer zumindest einige der zusätzlichen acht Punkte durchsetzen, die er ultimativ gefordert hat – die man freilich bei den Koalitionspartnern, also auch in der CDU, großenteils für verfassungswidrig hält.

"Recht bis zur Neuregelung anwendbar"

Zusätzlich Debattenstoff bringen nun Äußerungen aus Karlsruhe. Der Sprecher des Verfassungsgerichts, Martin Allmendinger, stellte klar, dass die Normen des Erbschaftsteuerrechts zunächst weiter anwendbar seien, auch wenn die Koalition die gesetzte Frist verstreichen lässt. Dies ist nicht ungewöhnlich - solche Fristsetzungen sind keine Befehle an den Gesetzgeber, sondern eher eine Erwartungshaltung, wobei die Richter natürlich davon ausgehen, dass Bundestag und Bundesrat der Verpflichtung nachkommen. Die Formulierung im Karlsruher Urteil lautet: „Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung anwendbar.“ Dann wird die Frist genannt. Zudem wird klargestellt, dass das auch für die als verfassungswidrig erklärten Verschonungsregeln gilt. Das Gericht hätte es auch kräftiger formulieren können, wie im Urteil zur Vermögensteuer 1995, als es hieß, das bisherige Recht sei „längstens“ bis zur gesetzten Frist anwendbar. Offenkundig wollten die Karlsruher Richter im Fall der Erbschaftsteuer keine Aussetzung des gesamten Gesetzes, denn sie hatten ja nur Teile – eben die Verschonungsregeln für Unternehmenserben – für verfassungswidrig erklärt. Da nach dem 30. Juni Recht fortgelten würde, das in Teilen verfassungswidrig ist, erwarten Beteiligte – und wohl auch die Verfassungsrichter selbst –, dass es wieder Klagen gegen das Gesetz geben wird. Diese würden dann dem Gericht die Gelegenheit geben, sein Urteil von 2014 (das schärfere Verschonungsregeln vor allem für Großerben verlangt hat) zu präzisieren.

Erwartungen nicht erfüllt

Für jene, die erwartet hatten, dass nach dem Verstreichen der Frist das gesamte Gesetz nicht mehr anwendbar ist – also gar keine Erbschaftsteuer mehr erhoben werden kann –, ist die Klarstellung aus Karlsruhe eine Enttäuschung. Wie weit diese Position beim Vorgehen von Seehofer und der CSU eine Rolle gespielt hat, ist Spekulation. Sie wurde jedenfalls in wirtschaftsnahen Kreisen vertreten. Die SPD hatte wiederum erwartet, dass ab Juli die Verschonungsregeln nicht mehr gelten. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schloss das unlängst nicht aus: Wenn die Einigung nicht zustande komme, gebe es das Risiko, "dass wir dann eine wesentliche Verschlechterung haben, weil dann unter Umständen die Verschonungsregeln insgesamt infrage stehen würden". Beide Drohkulissen stehen nun zwar nicht mehr. Aber ein gewisser Druck besteht dennoch, weil niemand weiß, wie weit die Richter in einer zweiten Entscheidung gehen würden. Das neue Urteil könnte durchaus schärfer ausfallen als der vorliegende Koalitionskompromiss.

In Berlin setzt man angesichts der Gefahr, dass über neue Klagen das Gericht selbst konkretere Regeln vorgibt, auf eine zügige Einigung. „Wir sollten es nicht darauf ankommen lassen“, sagte Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus dem Tagesspiegel. „Im Sinne der Rechtssicherheit streben wir weiterhin eine zügige Lösung an.“ Brinkhaus hatte zusammen mit Schneider (und am Ende auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt) den Kompromiss ausgehandelt, dem sich dann die Christsozialen auf Seehofers Geheiß hin doch nicht anschlossen.

Verbände hatten sich auf Einigung eingestellt

In den Unternehmensverbänden hatte man sich offenbar in den letzten Wochen mit dem Koalitionskompromiss arrangiert, wenn auch in der Hoffnung auf kleinere Korrekturen im weiteren Verfahren. Die Verzögerungen werden daher nicht überall gern gesehen. "Wir wollen, dass es eine Einigung gibt, weil Rechtsunsicherheit schon per se nachteilig ist", sagte Peer-Robin Paulus vom Verband "Die Familienunternehmer" dem Tagesspiegel. Wenig Chancen werden in der Koalition derweil dem neuerlichen Vorstoß der Unions-Mittelstandspolitiker gegeben, die eine Abkehr vom Koalitionskompromiss fordern und ein Flat-Tax-Modell vorschlagen. Der CSU-Wirtschaftspolitiker Hans Michelbach sagte dem Tagesspiegel, der Vorschlag sehe ein unbürokratisches und einfaches System vor, das als Ausweg aus dem aktuellen Streit in der Koalition gesehen werden könne. Michelbachs Vorstoß sieht vor, dass Unternehmserben zehn Jahre lang drei Prozent des Gewinns als Erbschaftsteuer abführen sollten. Ein Freibetrag von 100000 Euro soll dafür sorgen, dass Handwerksfamilien und kleinere Mittelständler verschont bleiben. Dem Vorwurf, dass der Gewinn gestaltbar sei, entgegnet Michelbach, die „Manipulationsanfälligkeit“ sei bei einer zehnjährigen Steuerpflicht gering. Wichtig sei, dass mit dem Flat-Tax-Modell die Substanzbesteuerung, wie sie im Koalitionskompromiss vorgesehen sei, vermieden werde. Die Einnahmen sollen bei etwa 4,5 Milliarden liegen, also in etwa auf dem heutigen Niveau der Erbschaftsteuer.

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