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Viele können die Feiertage für sich nicht nutzen, um zu entspannen.

© Sebastian Gauert - Fotolia

Stress abbauen: Warum die Feiertage zur Erholung wichtig sind

Viele können an Weihnachten nicht abschalten und sind für die Kollegen oder den Vorgesetzten erreichbar. Doch die Jüngeren widersetzen sich dem Druck.

Weihnachten. Ein scheinbares Versprechen von Ruhe und Langsamkeit. Von Zeit für sich und die Familie. Doch so schön das auch klingt, es tun sich viele schwer damit.

Es sind nicht nur die möglichst passenden Geschenke und die Verwandten, die das Fest der Liebe schnell zum Stressfest machen. Viele Projekte und Geschäftsberichte müssen bis zum Ende des Jahres fertig werden, Zahlen und Ziele sollen noch erreicht werden. Die To-Do-Liste ist lang, will abgehakt werden. Das Wirtschaftsjahr soll möglichst gut ausklingen. So viel wollen, sollen, müssen. „Und wir haben das starke Bedürfnis, Dinge abzuschließen“, erklärt die Arbeitspsychologin Elisa Clauß von der Humboldt-Universität. Gerade so kurz vor dem letzten Tag des Jahres.

Ständig erreichbar und abgelenkt

Dazu kommt generell die Arbeitswelt: Viele Menschen haben verlernt abzuschalten. Durch die Digitalisierung können Arbeitnehmer von fast überall arbeiten, die Trennlinie zwischen Beruf und Freizeit verschwindet zunehmend. Nur noch diese eine Mail. Um zehn Uhr abends. Der Blick aufs Smartphone alle paar Minuten, aufblinkende Apps, Push-Nachrichten – viele sind ständig erreichbar und dauernd abgelenkt. Selbst an den Feiertagen.

Rund drei Viertel der Berufstätigen, die eigentlich Urlaub haben, sind in Gedanken bei der Arbeit und dienstlich erreichbar. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Sechs von zehn Befragten gaben an, Telefonate mit Kollegen, Kunden oder Vorgesetzten zu führen. Etwas mehr als die Hälfte beantwortet an Weihnachten berufliche E-Mails oder Kurznachrichten. Interessant ist, dass es eher die Jüngeren sind, die sich dazu nicht verpflichtet fühlen wollen. 42 Prozent der unter 30-Jährigen sagten, nicht auf berufliche Anrufe oder Nachrichten zu reagieren, bei den 50- bis 64-Jährigen waren es lediglich 30 Prozent. Am seltensten klinken sich allerdings die 30- bis 49-Jährigen aus dem Job aus. Von ihnen gab nur jeder Fünfte an, das Smartphone komplett zu ignorieren.

Wann Stress gefährlich wird

„Dabei ist es wichtig, dass wir auch mal zur Ruhe kommen“, sagt der Biopsychologe Peter Walschburger von der Freien Universität Berlin. „Wir brauchen das Wechselspiel zwischen Schaffenskraft und Erholung.“ Sich ausruhen, mal nicht an den Job denken, dadurch bekomme der Mensch wieder die notwendigen Energieressourcen, sei erholter und ausgeglichener bei der Arbeit. Unter zu wenig freier Zeit leide irgendwann die Konzentration und Motivation. Man wird müde und erschöpft.

Stress ist nicht per se schlecht. Gefährlich wird es aber, wenn jemand nicht die Gelegenheit bekommt, sich zu regenerieren. Ist jemand zu lange überfordert, fühlt er sich zum Beispiel ständig angespannt, ist gereizt oder hat Schlafprobleme. Ist das der Fall, kann es sein, dass er an Weihnachten erst einmal krank wird. Das ist keine Seltenheit. Dauerstress im Beruf führt zu einem erhöhten Adrenalinspiegel, der das Immunsystem am Laufen hält. Lässt der Stress nach, gönnt sich das Immunsystem eine Pause. Und schon ist sie da, die Grippe an den Feiertagen. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Lünendonk klagen zwei von drei Beschäftigten über eine hohe psychische Belastung in ihrem Job.

Oft wird Erreichbarkeit eingefordert

Warum also nicht die Arbeit im Büro lassen? Bei der Bitkom-Studie sagte rund jeder Zweite, dass seine Vorgesetzten die Erreichbarkeit über die Feiertage erwarten würden. Knapp jeder Dritte erfülle damit die Wünsche der Kollegen, jeder Vierte die seiner Kunden. Nur jeder Fünfte sagte, dass er von sich aus gerne zur Verfügung steht. „Wichtig ist, dass Mitarbeiter und Unternehmen klare Vereinbarungen treffen, wann auf welche Weise eine Erreichbarkeit gewünscht oder notwendig ist – und wann berufliche Anrufe und Mails warten sollten“, sagt der Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.

Vor vier Jahren meldete Volkswagen zu Weihnachten, dass die Weiterleitungen vom E-Mail-Server auf die Blackberry-Handys der Beschäftigten künftig eine halbe Stunde nach Arbeitsende abgeschaltet und erst eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn am nächsten Tag wieder eingeschaltet werden.

Arbeitsrechtler: Frei ist frei

Elisa Clauß schlägt zur Erholung vor: Mal lange ausschlafen, lesen, spazieren gehen, gute Gespräche führen statt die Mails zu checken. „Wenn es möglich ist, sollte man ein paar Tage gar nicht erreichbar sein“, sagt Clauß. Rechtlich gesehen muss das auch kaum jemand. Laut dem Arbeitsrechtler Jobst-Hubertus Bauer gelte erst einmal der Grundsatz: Frei ist frei. „Wer im Urlaub ist, den kann der Arbeitgeber nicht verpflichten, ans Telefon zu gehen.“ Bei Führungskräften könne es in einer Krisensituation Ausnahmen geben.

So viele Erwartungen. Von anderen wie von einem selbst. Immer mehr erleben Weihnachten als eine Störung in einem mehr und mehr durchrationalisierten Alltag. „Wir sind so schon voll ausgelastet“, sagt Walschburger. „Da ist kaum noch Platz für die Weihnachtsvorbereitungen und Festtage.“ Dabei habe den Rhythmus von Arbeitstagen und Feiertagen nicht die Natur geschaffen, sondern der Mensch. Und das nicht ohne Grund.

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