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Der Möbelkonzern Ikea will eine Studie über den möglichen Einsatz von Zwangsarbeitern in der DDR vorstellen.

© dpa

Studie in Berlin vorgestellt: Ikea setzte Zwangsarbeiter ein

Eine Studie belegt den Einsatz von Zwangsarbeitern in der DDR: Bei Ikea sind politische Gefangene und Strafgefangene eingesetzt worden. Der Konzern wusste davon. Warum er trotzdem die Geschäftsbeziehungen nicht beendete, ist offen. Und noch eine Frage bleibt offen.

„Wer unter 80 Prozent der Leistung brachte, bekam Dunkelarrest“. Mit diesen Worten konfrontierte Alexander Arnold am Freitag den Geschäftsführer von Ikea Deutschland, Peter Betzel. Arnold war politischer Gefangener in der DDR. In Naumburg musste er als Zwangsarbeiter Bürostühle herstellen.

Zum Aufeinandertreffen zwischen dem ehemaligen Häftling und dem Ikea-Geschäftsführer kam es bei der Vorstellung einer von Ernst & Young durchgeführten Studie in Berlin. Die Untersuchung war von Ikea im Frühjahr in Auftrag gegeben worden, nachdem schwedische Medien über den Einsatz von Zwangsarbeitern in der Möbelherstellung berichtet hatten.

Wie Ernst&Young ermittelte, wusste Ikea seit spätestens 1981 vom möglichen Einsatz politischer Gefangener in DDR- Produktionsbetrieben. Der Konzern habe daraufhin mehrere Schritte eingeleitet, „um den Einsatz von politischen Gefangenen für die Produktion von Ikea-Artikeln auszuschließen“, sagte Betzel. Man habe gegenüber seinen Vertragspartnern aus der DDR „immer wieder darauf hingewiesen, dass Ikea Zwangsarbeit nicht akzeptiert“.

Jedoch sei heute klar, dass dies unzureichend gewesen sei und Zwangsarbeit nicht verhindern konnte. Hierfür trage Ikea „eine moralische Teilschuld“. Geschäftsführer Betzel äußerte gegenüber den Opfern und Opfervertretern sein „tiefstes Bedauern“ und seine „große Betroffenheit“.

Roland Jahn moderierte die Vorstellung der Studie zur DDR-Zwangsarbeit.
Roland Jahn moderierte die Vorstellung der Studie zur DDR-Zwangsarbeit.

© AFP

Warum Ikea nicht allein der Verdacht ausgereicht hat, dass Zwangsarbeiter an der Fertigung seiner Möbel beteiligt sein könnten, um die Geschäftsbeziehungen zu beenden, sagte Betzel nicht.

Vielmehr verweist die Studie darauf, dass Verträge ausschließlich mit den Außenhandelsbetrieben der DDR geschlossen wurden. Zugang zu den Volkseigenen Betrieben, in denen die eigentliche Produktion stattfand, sei nur unter sehr strengen Auflagen möglich gewesen.

Im Bildungszentrum des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen präsentierte Ikea nur die Ergebnisse der Studie. Die gesamte Untersuchung wird nicht veröffentlicht. Betzel begründete das mit datenschutzrechtlichen Vorgaben. Der Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn, der die Vorstellung der Studie moderierte, forderte Ikea auf, die Untersuchung „so umfangreich wie möglich zugänglich zu machen“. Nur dann könne beurteilt werden, ob Ikea zur Aufklärung beitrage oder ob die Studie dazu diene, zu verklären.

Kritik, dass Ikea eine Unternehmensberatung und keine Wissenschaftler mit der Untersuchung beauftragt hat, wies Betzel zurück. Ernst&Young habe die Kompetenz und die Ressourcen, um eine unabhängige und objektive Studie durchzuführen.

Zudem seien Historiker und Sozialwissenschaftler bei der Erstellung der Untersuchung einbezogen worden. Darüber hinaus habe Ikea aufgrund des Zeitdrucks nicht das Ziel verfolgt, eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung vorzulegen. Es sollte vielmehr herausgefunden werden, ob Ikea von der Zwangsarbeit in der DDR Kenntnis gehabt und was der Konzern in diesem Fall dagegen unternommen habe.

Der Verein DDR-Opfer-Hilfe hatte bereits vor der Vorstellung der Untersuchung scharfe Kritik geübt. Er warf Ikea vor, eine „unwissenschaftliche Show-Veranstaltung“ zu inszenieren. „Ikea als Beschuldigter führt selbst Ermittlungen, anstatt das unvoreingenommenen Stellen zu überlassen. Deshalb bezweifeln wir, dass die Studienergebnisse valide sind“, teilte der Vize-Vorsitzende des Vereins, Roland Schulz, am Freitag mit.

Womöglich auch als Reaktion auf diese Vorwürfe kündigte Betzel an, ein Pilotprojekt zur gründlichen wissenschaftlichen Aufarbeitung der Zwangsarbeit in der DDR finanzieren zu wollen. Diese Entscheidung habe Ikea nach einem Gespräch mit Roland Jahn und Rainer Wagner, dem Vorsitzenden der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), getroffenen.

Wagner, der zusammen mit Jahn durch das Informationsgespräch führte, drückte seine Hoffnung aus, dass wissenschaftliche Untersuchungen eine breite gesellschaftliche und politische Debatte auslösen könnten. Am Ende müsse auch die Frage der Entschädigung von Zwangsarbeitern durch Ikea und andere Unternehmen aus Westdeutschland diskutiert werden. Er gehe davon aus, dass dies in ein bis zwei Jahren der Fall sein werde. Ikea dankte er für die „Vorreiterrolle“ bei der Aufarbeitung.

Auch Jahn nannte es „lobenswert“, dass Ikea angekündigt habe, „sich zu stellen“. Ob Ikea bereit ist, Zwangsarbeiter zu entschädigen, ließ Betzel offen. Er sagte in Berlin, darüber werde der Konzern entscheiden, „wenn die Ergebnisse der Diskussion mit Politik und Gesellschaft vorliegen“. In diesem Punkt sprang ihm Jahn zur Seite. Er sagte, dass die Aufklärung am Anfang stehen müsse. Dann könnten Entschädigungsfragen geklärt werden.

Tim Kallweit

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