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Studie: Rost vernichtet jährlich drei Prozent des BIP

Gefräßiger Feind: Korrosion, chemische Reaktionen von Metallen mit ihrer Umwelt, frisst pausenlos Kulturgüter auf. Sie vernichtet in Industrieländern drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, behauptet die World Corrosion Organization in einem neuen Bericht.

Düsseldorf - Ein seltsames Pfeifen liegt in der Luft, dann knallt es ohrenbetäubend. Als im Mai 1980 das Dach der Berliner Kongresshalle einstürzt, stirbt ein Mensch in den Trümmern des erst 23 Jahre alten Gebäudes. Die Ursache: Korrosion an tragenden Teilen. Bretonische Küste 1999: Als der Rost die letzten Millimeter der Bordwand des Tankers „Erika“ durchgefressen hat, ergießen sich 11 000 Tonnen Öl ins Meer und verseuchen 500 Kilometer Strand. 2005 knicken im Münsterland 82 Strommasten um, Tausende sitzen im Dunkeln. Experten vermuten Rost als die Ursache.

Ein Grund für viele Schäden ist fehlendes Wissen bei den Metallverarbeitern. Peter Plagemann, Experte für Metallfraß am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung in Bremen, bekommt immer wieder solche Fälle „angewandter Duseligkeit“, wie er sie nennt, zu sehen. Zum Beispiel werden in Verarbeitungsbetrieben edle Materialien mit unedleren in Kontakt gebracht, zum Beispiel rostfreier Stahl mit Aluminium. Nach den Gesetzen der Chemie muss sich das unedlere Material auflösen, sobald Wasser oder eine ähnliche Flüssigkeit dazu kommt. Schon der Schweiß von den Händen der Metallverarbeiter reicht aus, um die Korrosion anzukurbeln. Simple Schutzhandschuhe können das verhindern, aber die werden in vielen Firmen nicht getragen. „Mit vorhandenem Wissen könnte etwa die Hälfte der Korrosionskosten vermieden werden“, sagt Chemiker Plagemann.

In vielen Fällen bereitet Rost aber auch den Fachleuten Kopfzerbrechen. Korrosion ist ein komplexes Phänomen. Wie rasch der Materialverlust voranschreitet und wie er sich auswirkt, können Forscher noch nicht vorhersagen. Deshalb tauchen bei neuen Anwendungen auch immer neue Probleme auf. Ein aktueller Fall sind Windparks im Meer. „Die Korrosion dort in den Griff zu bekommen, ist eine große Herausforderung“, sagt Plagemann. „Die Anlagen sollen zwanzig Jahre halten. Wir hatten aber noch längst nicht zwanzig Jahre Zeit, entsprechende Korrosionssysteme zu entwickeln.“

25 Projekte für Windparks in der Nord- und Ostsee sind bislang genehmigt. Tausende Windräder werden bald im Meeresboden verankert, um kräftige Böen und steife Brisen zu ernten. Während Schiffe in Werften regelmäßig überholt werden und die Besatzungen pausenlos mit Pinsel und Schutzfarbe gegen den Rost kämpfen, stehen Windanlagen sich selbst überlassen im Meer, Kontrollen sind aufwendig. „Selbst wenn man bei einer Inspektion Schäden entdeckt, muss man einen unheimlichen Aufwand betreiben, um diese zu beseitigen“, sagt Andreas Momber, Forschungsleiter bei Mühlhan. „Die Kosten sind fünf bis zehn Mal höher als an Land.“

In einem Verbundprojekt zwischen dem Bremer Fraunhofer-Institut und Mühlhan suchen Wissenschaftler nach wirksamem Schutz gegen die Korrosion bei Offshore-Anlagen. So soll die Anlage mit Überdruck belüftet werden, um die feuchte Meeresluft fernzuhalten. Der Turm soll zudem außen mit drei korrosionsschützenden Spezialschichten umhüllt werden, und unter Wasser soll ein Generator schwachen Strom durch das Metall schicken, um den Elektronenfluss und damit Korrosion zu unterbinden. Aber selbst mit diesem Maßnahmenpaket werde ein Windrad kaum mehr als 15 Jahre halten, sagt Momber. Aus den Windparks wird man noch einige rostige Lehren ziehen, bevor sie optimal geschützt werden können. Susanne Donner (HB)

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