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Wirtschaft: Stühlerücken

Siemens-Chef Kleinfeld hinterlässt ein Programm mit großen Renditezielen / Kein Nachfolger in Sicht

München – Souverän und ruhig wirkte der scheidende Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, als er am Donnerstag in München die Halbjahresbilanz präsentierte und die Gründe für seinen am Vortag angekündigten Rücktritt darlegte. „Ich habe die Unklarheit über meine Person für belastend und untragbar für das Unternehmen erachtet“, sagte Kleinfeld. Der Grund für seinen Rücktritt sei keine Frage der Verantwortung, sondern von mangelndem Vertrauen im Aufsichtsrat gewesen. Es bleibe dabei, dass er sich in der Schmiergeldaffäre nichts vorzuwerfen habe. Mehrere Aufsichtsräte, darunter vor allem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Thyssen-Krupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, hatten in den vergangenen Tagen auf Kleinfelds Ablösung hingearbeitet.

„Ich bedauere, das Unternehmen zu verlassen, das so ein wichtiger Teil meines Lebens war“, sagte Kleinfeld – und da zitterte seine Stimme dann doch ein wenig. Er werde für das Unternehmen bis zu seinem Abgang das Beste geben und „so lange zur Verfügung stehen, wie es gewünscht ist“. Kleinfeld zeigte sich bereit, seinen Posten zu räumen, sobald ein Nachfolger gefunden sei. Von diesem erwarte er, „dass er das Unternehmen kennt, unsere Technologien versteht und Kompetenz und Leidenschaft für Innovation und Technik mitbringt“.

Als Favorit war am Donnerstag weiterhin Linde-Chef Wolfgang Reitzle im Gespräch – trotz seiner offiziellen Absage. Reitzle soll unter anderem deshalb abgelehnt haben, weil er bei Linde zuletzt 7,4 Millionen Euro verdiente – fast das Doppelte wie Siemens-Chef Kleinfeld. Ins Gespräch für den Chefsessel kam am Donnerstag auch der als Nachfolger Heinrich von Pierers frisch gewählte Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme. Er ist im Aufsichtsrat für die Aufarbeitung der Schmiergeldaffäre verantwortlich. Falls Cromme Siemens-Chef wird, so die Planspiele, soll der ehemalige Lufthansa-Chef Jürgen Weber den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen. Ein Thyssen-Krupp-Sprecher dementierte jedoch. „Das ist Unsinn.“

Der neue Konzernvorstand tritt in jedem Fall ein schweres Erbe an. Denn zum Abschied legte Kleinfeld am Donnerstag eine glänzende Halbjahresbilanz und ein neues Programm mit ehrgeizigen Zielen vor. Alle elf Konzernsparten schrieben zuletzt schwarze Zahlen und erreichten oder übertrafen die Renditeziele, die Kleinfeld bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren gesetzt hatte. Damals hatte er an das Erreichen der Ziele sein persönliches Schicksal geknüpft. Jetzt hat Kleinfeld sein Versprechen eingelöst – und muss trotzdem abtreten.

Größter Gewinnbringer im ersten Halbjahr 2006/07 war die Automatisierungssparte, aber auch die Bereiche Medizintechnik, Energieerzeugung und die Kraftwerksparte schnitten hervorragend ab. Sogar die Sorgenkinder Verkehrstechnik und die IT-Sparte SBS haben die Wende geschafft und sind wieder profitabel. „Siemens ist für die Zukunft bestens aufgestellt“, sagte Kleinfeld.

In seinem neuen Unternehmensprogramm „Fit for 2010“ legt Kleinfeld die Messlatte noch höher, neun der elf Bereiche sollen noch bessere Profite erreichen. Auch auf Konzernebene setzt sich das Unternehmen erstmals klare Rendite- und Cashziele und bekräftigt die Maßgabe, pro Jahr doppelt so schnell zu wachsen wie die Weltwirtschaft. Kleinfeld versicherte, das neue Unternehmensprogramm werde von der gesamten Führungsriege getragen und solle auch nach seinem Ausscheiden umgesetzt werden.

Nicole Huss

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