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Susanne Schmidt: Angst ist stärker als Gier

Ökonomin, Bankerin, Tochter von Helmut und Loki Schmidt: Susanne Schmidt liest aus ihrem Buch „Markt ohne Moral“.

Berlin - Susanne Schmidt wird vorgestellt. Nicht vorgestellt wird Susanne Schmidts Herkunft. „Frau Schmidt ist eine berühmte Nationalökonomin“, sagt die Gastgeberin, „Frau Schmidt ist eine Kollegin, aber auch eine Bankerin“, sagt der Moderator.

Bislang lief das anders. Am Montagabend bei „Beckmann“ in der ARD nämlich so: „Ich begrüße Susanne Schmidt, die Tochter von Helmut und Loki Schmidt.“ Am Dienstagabend bei der „Münchner Runde“ im Bayerischen Fernsehen: „Susanne Schmidt, die Tochter von Altbundeskanzler Helmut Schmidt“. Und nun also, am Donnerstagabend im Berliner Kulturkaufhaus Dussmann, werden 25 Minuten vergehen, bis zum ersten Mal ein Hinweis auf den Haushalt fällt, in dem Frau Schmidt aufgewachsen ist. Ansonsten geht es ums Wesentliche.

Susanne Schmidt hat ein Buch geschrieben. Es heißt „Markt ohne Moral“, sie reist gerade durch die Republik, um es vorzustellen. „Markt ohne Moral“ ist, wenn man so will, ein leises Buch. Es geht darin um die Finanzkrise, um die Leute, die sie herbeigeführt haben, und um die Zögerlichkeit, mit der ihre Ursachen bekämpft werden. Das Buch klagt nicht an, es berichtet einfach.

„Gier als Moment des Versagens kommt im Buch glücklicherweise nicht vor“, sagt der Moderator, der Fernsehjournalist Wolfgang Herles. Schmidt, Jahrgang 1947, blondes Haar, große Brille, 20 Jahre Berufserfahrung in Londoner Banken und zehn beim Börsenfernsehsender Bloomberg-TV, sagt: „Nee“, und sie erzählt davon, wie sie einmal entlassen worden ist, „ich kenne gar keinen in der Londoner City, dem das nicht schon mal passiert ist, alle kennen dieses Gefühl der Angst davor“, und das sei, ja, möglicherweise, ein viel entscheidenderes Moment des Versagens als die Gier. Die Angst mache blind.

Auch das Publikum ist leise. Mit einfachen Sätzen wird es gezwungen, heranzurücken an die Londoner Banker, sich zu identifizieren mit ihnen. Es muss lernen, dass diese Menschen nicht von vornherein böse sind oder verantwortungslos, sondern dass sie es erst werden. Wegen der großen Konkurrenz. Der ihnen verliehenen Macht. Dem Bestehen auf Jugendlichkeit. Der hohen Gehälter. Und eben aus Angst um den Arbeitsplatz. Die kennen nicht nur Banker, laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung ist es die größte Angst der Deutschen.

Druck und Verführung und die zwangsläufigen Folgen – die Krisenverursacher erscheinen fehlbar an diesem Abend, menschlich. Dieser Zwangsläufigkeit aber, dieser Macht des Systems Finanzwelt auf seine Mitspieler, kann man auch entfliehen. Durch Gelassenheit zum Beispiel. Wie die Jahre in der Londoner City sie verändert haben, wird Schmidt gefragt. „Ich habe gelernt, wenn man einen Job verliert, ist das ein Anlass dafür, sich einen neuen zu suchen.“ So wie sie das sagt, klingt diese Erkenntnis wie eine Kleinigkeit. Torsten Hampel

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