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Wirtschaft: Tabakwerbung vor dem Ende

Kaum Chancen für deutsche Klage gegen EU-Tabakwerberichtlinie / Verleger warnen vor Umsatzeinbußen / Seehofer plant Gesetz

Berlin - Das drohende Verbot von Tabakwerbung in Deutschland alarmiert die Werbewirtschaft, Verleger und den Einzelhandel. Die Umsetzung des EU-Tabakwerbeverbots kostet nach Angaben des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) Zeitungen und Zeitschriften, Sponsorempfänger und Onlinedienste 118 Millionen Euro im deutschen Werbegeschäft.

„Rechnet man die Folgen bei weiteren Branchen wie alkoholische Getränke, Lebensmittel und Pkw hinzu, müssten die Medien von einem bedrohten Werbevolumen von insgesamt 2,7 Milliarden Euro ausgehen“, sagte ZAW-Hauptgeschäftsführer Georg Wronka am Dienstag in Berlin. Gefährdet seien damit zurzeit 14 Prozent der Nettowerbeeinnahmen der Medien. Auch auf die Agenturen kommen Umsatzeinbußen zu. „Dieser Einbruch muss weggesteckt werden“, sagte Henning von Vieregge, Geschäftsführer des Gesamtverbands der Kommunikationsagenturen (GWA).

Anlass zur Sorge gibt der Branche der Europäische Gerichtshof (EuGH). EU-Generalanwalt Philippe Léger schlug am Dienstag dem Gericht vor, die deutsche Klage gegen die EU-Richtlinie zur Tabakwerbung abzuweisen. Wenn der EuGH dem folgt, muss auch Deutschland Zigarettenwerbung in Zeitungen, Zeitschriften und im Internet verbieten.

Der ZAW, der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) empfahlen der Bundesregierung, bis zur Urteilsverkündung im Herbst das Verbot nicht umzusetzen. Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) erklärte hingegen, die Regierung werde „ein nationales Gesetz unverzüglich zur Umsetzung der EU-Tabakwerberichtlinie in den Bundestag einbringen“. Mit einer Klausel solle aber gesichert werden, dass das erwartete EuGH-Urteil nicht berührt werde. Seehofer erklärte zu der Klage, die die rot-grüne Vorgängerregierung eingereicht hatte: „Es ging bei dieser Klage nie darum, den Nichtraucherschutz zu blockieren, sondern immer um die Frage der Regelungskompetenz zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten.“

Seehofers Vorgängerin, die Grünen-Politikerin Renate Künast, sagte dem Tagesspiegel, die Umsetzung der Tabakwerberichtlinie sei „von den CDU-Ministerpräsidenten gestoppt worden. Unter tatkräftiger Mithilfe der heutigen Koalition.“ „Das ist eine Lobbyfrage“, sagte Künast.

VDZ-Geschäftsführer Wolfgang Fürstner wies darauf hin, dass die Werbeumsätze für Tabakprodukte vor zehn Jahren umgerechnet rund 75 Millionen Euro im Jahr betragen hätten. Sie seien von alleine auf 35 Millionen Euro zusammengeschmolzen. Daraus könne man erkennen: „Die Wirtschaft reguliert sich selbst.“

Der Einzelhandel sprach von einem „schwarzen Tag für den deutschen Tabakwarenhandel“. Ein Werbeverbot fördere den Schwarzmarkt und gefährde Umsatz und Arbeitsplätze bei den 20 000 Kleinverkaufsstellen, 7000 Facheinzelhändlern und 14 000 Tankstellen.

Die Zigarettenindustrie gab sich gelassen. Auch bei einem Werbeverbot befürchte die Branche keinen Umsatzrückgang, erklärte der Verband. Allerdings hätten es die Firmen künftig schwerer, neue Marken zu etablieren oder Marktanteile zu vergrößern.

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