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Wirtschaft: Tag der Entscheidung für Mobilcom

Großaktionär France Télécom muss erklären, ob er den deutschen Telekommunikations-Anbieter fallen lässt

Berlin (vis/dpa). Am Donnerstag machte sich Mobilcom-Vorstandschef Thorsten Grenz selbst Mut. „Ich rechne immer noch leicht optimistisch damit, dass es mit Mobilcom weitergeht“, sagte Grenz am Donnerstag in Büdelsdorf. Eine weitere finanzielle Unterstützung der France Télécom sei nach seiner Ansicht die „risikofreiere Lösung“ für den französischen Großaktionär. Ohne die weitere Unterstützung durch France Télécom, daran ließ Grenz aber keinen Zweifel, müsse der deutsche Mobilfunkanbieter innerhalb weniger Tage Insolvenz anmelden. „Wenn France Télécom den Stab über Mobilcom bricht, ist es eine Frage von Tagen, bis wir insolvent sind“, sagte er. Inzwischen hat sich auch die deutsche Regierung in Frankreich für Mobilcom eingesetzt.

Der Verwaltungsrat der France Télécom wollte am späten Donnerstagnachmittag zu einer Sitzung zusammenkommen. Thema: Die Zukunft von Mobilcom. Die Sitzung dauerte bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch an. Ein Mobilcom-Sprecher schätzte die Chance für eine positive Lösung vor Beginn des Treffens auf 50 zu 50 ein. France Télécom ist seit dem Jahr 2000 mit 28,5 Prozent an dem deutschen Mobilfunkanbieter Mobilcom beteiligt. Knapp 50 Prozent der Anteile hält der Gründer und ehemalige Vorstandsvorsitzende Gerhard Schmid gemeinsam mit seiner Frau. France Télécom war weitreichende Finanzierungsverpflichtungen gegenüber Mobilcom eingegangen. Diese Verpflichtung hat France Télécom zwar inzwischen gekündigt. Trotzdem seien die Zahlungen der Franzosen bisher immer pünktlich eingegangen, sagt Mobilcom.

Zuletzt hatte France Télécom mit einem Bankenkonsortium einen Aufschub für Mobilcom ausgehandelt. Nun ist ein 4,7 Milliarden-Euro-Kredit, der für die Finanzierung der UMTS-Mobilfunktechnik aufgenommen wurde, erst Ende September fällig. Auch mit Nokia hatte France Télécom inzwischen eine Einigung erzielt. Nokia hatte Mobilcom für die gelieferte UMTS-Technik einen Lieferanten-Kredit gewährt. Mobilcom sah darin bis jetzt ein „deutliches Zeichen für eine gemeinsame Zukunft“ mit France Télécom.

Doch die Franzosen haben eigene Probleme: Einen Schuldenberg von knapp 70 Milliarden Euro. Erwartet wird zudem, dass der Konzern, der noch zu 55 Prozent dem französichen Staat gehört, für das erste Halbjahr 2002 am Freitag einen Rekordverlust ausweisen wird. Die französische Regierung sucht nach einer umfassenden Lösung für die Probleme des Staatskonzerns. Dabei wird unter anderem eine Kapitalerhöhung für France Télécom erwogen.

Inzwischen hat sich auch die Bundesregierung in die Verhandlungen um die Zukunft von Mobilcom eingeschaltet. An den Gesprächen zwischen Berlin und Paris nahmen nach Angaben der Bundesregierung auch Mobilcom-Vertreter teil. Direkte Gespräche mit France Télécom gebe es indes nicht, sagte ein Regierungssprecher. Auch Kanzler Gerhard Schröder (SPD) sei nicht persönlich beteiligt. „Zehn Tage vor der Wahl muss die Regierung aktiv werden“, sagte ein Mobilcom-Sprecher. „Immerhin geht es um 5000 Arbeitsplätze in Deutschland.“

France Télécom hat die Wahl, jetzt die finanzielle Unterstützung für Mobilcom einzustellen. Die Folge wäre ein jahrelanger Rechtsstreit mit den Aktionären – allen voran mit dem Großaktionär und Gründer Gerhard Schmid. Nicht nur Mobilcom-Chef Grenz kündigte Schadenersatzforderungen an. Auch Analysten erwarten, dass das Mobilcom-Engagement für France Télécom bei einem Ausstieg ein Nachspiel haben wird.

Die andere Option für die Franzosen ist, Mobilcom vollständig zu übernehmen. Dann müsste allerdings nicht nur eine Einigung über den Kaufpreis mit Schmid und den übrigen Aktionären erzielt werden, France Télécom müsste auch die Schulden von Mobilcom in Höhe von knapp sieben Milliarden Euro übernehmen. Der Vorteil wäre allerdings, dass die Franzosen dann endlich die vollständige Kontrolle über das Unternehmen und seine Strategie hätten.

Sollten sich die Franzosen für den Ausstieg bei Mobilcom entscheiden, dann drohe dem Unternehmen ein ähnliches Schicksal wie dem Kirch-Konzern, sagte ein Mobilcom-Sprecher: „Dann wird es einen Dominoeffekt geben, eine Mobilcom-Tochtergesellschaft nach der anderen muss Insolvenz anmelden.“ Eine Ausnahme könnte nur das Festnetzgeschäft sein, das schwarze Zahlen schreibt. Die Mobilcom-Aktie ging am Donnerstag auf Berg- und Talfahrt und stand gegen 16.30 Uhr bei 2,08 Euro – ein Plus von 2,5 Prozent.

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