zum Hauptinhalt
Spritcasino. Derzeit ändern Tankstellen rund 25 Mal die Woche ihre Preise – um bis zu 14 Cent je Liter, sagen Marktbeobachter. Foto: dpa

© dpa

Tanken wie an der Wall Street: Bundesregierung will Spritpreise nicht regulieren

Die Spritpreise bewegen sich heftiger als die Kurse mancher Zockeraktie. Tankstellen ändern ihre Preise rund 25 Mal pro Woche. Die Verbraucher sind verärgert.

Berlin - Wer ein Faible für Glücksspiel oder Sportwetten hat, mag dieses Spiel noch als sportliche Herausforderung begreifen. Die meisten Autofahrer aber, die einfach nur auf dem Heimweg den Tank füllen müssen, dürften genervt sein: „So große Preissprünge wie derzeit habe ich noch nicht erlebt“, sagte Steffen Bock, seit zwölf Jahren professioneller Spritpreisbeobachter, dem Tagesspiegel am Dienstag. „Galt vor zwei Monaten noch ein plötzlicher Anstieg von neun Cent je Liter als extrem, sind heute Sprünge um 14 Cent keine Seltenheit mehr“.

Mit zwölf Mitarbeitern verarbeitet Bock täglich bis zu 40 000 Preisänderungen an Tankstellen und speist diese auf der Internetseite Clever-tanken.de ein. Von vielen Tankstellen muss er die Daten mittlerweile halbstündlich abrufen, um ein annähernd korrektes Bild der aktuellen Marktlage zu bekommen. Bock schätzt, dass Tankstellen ihre Preise mittlerweile rund 25 Mal pro Woche ändern.

Auch in der Politik hat man das Phänomen der schnellen, heftigen Ausschläge bereits registriert. Thüringen hat nun als erstes Bundesland sogar konkret Initiative ergriffen: Dort beschloss die Landesregierung in Erfurt am Dienstag einen Entschließungsantrag für den Bundesrat. Die Länderkammer solle eine Preisbremse für Benzin nach österreichischem Modell verabschieden. Im Nachbarland dürfen Spritpreise nur noch einmal am Tag erhöht werden. Preissenkungen sind häufiger möglich.

Dass die Initiative vom Bundesrat und letztlich auch vom Bundestag verabschiedet wird, ist mehr als fraglich. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte bereits im Vorfeld klargestellt, dass sie die Benzinpreise nicht regulieren wolle. Man habe die österreichische Preisbremse bereits geprüft und festgestellt, dass derartige Modelle keine Verbesserung des Wettbewerbs erwarten ließen, erklärte ein Regierungsvertreter vergangene Woche im Bundestagsausschuss für Wirtschaft.

Auch beim ADAC ist man skeptisch. In Österreich habe sich gezeigt, dass sich der Markt so zwar ein wenig beruhigt, wenn die Mineralölkonzerne ihre Preise nur einmal täglich anpassen dürfen. Aber insgesamt pendelten sie sich auf einem höheren Niveau ein, als wenn die Konzerne in ihrer Preisgestaltung völlig frei seien, sagte ADAC-Sprecher Andreas Hölzel dieser Zeitung: „Im Großen und Ganzen funktioniert der Wettbewerb in Deutschland – auch wenn er durch das Oligopol ein wenig eingeschränkt ist.“

Er appellierte an die Verbraucher, auf günstige Preise zu achten, das sei wesentlich wirkungsvoller. „Wenn man an einer billigen Tankstelle vorbeikommt, sollte man tanken, auch wenn der Tank noch nicht ganz leer ist“, rät der Experte. „So unterstützt man sie in ihrer günstigen Preispolitik.“

Doch woher kommen die Preisextreme? Beim ADAC glaubt man, dass die Mineralölkonzerne einfach mal ausprobieren, welche Preise sie am Markt durchsetzen können, wie Sprecher Hölzel erklärte. „Das ist nicht anrüchig oder gar verboten. Die gucken einfach, ob sie nicht doch die Menschen dazu bringen können, den höheren Preis zu zahlen.“ Manchen Autofahrern sei der Preis ja auch egal, zum Beispiel, wenn sie mit einem Dienstwagen unterwegs seien.

Steffen Bock von Clever-tanken.de sieht das ähnlich und verweist zudem auf die immer höhere Technisierung des Geschäfts in den vergangenen Jahren. „Das wird alles zentral gesteuert. Der Pächter bekommt meist nicht einmal mehr mit, was da an seiner Preistafel passiert. Er muss nur den spontanen Ärger der Kunden ausbaden.“

Die Regierung verfolgt derweil einen anderen Plan, die Branche besser zu kontrollieren. Zukäufe von Tankstellen durch große Mineralölunternehmen sollen künftig einer stärkeren Fusionskontrolle unterzogen werden. Außerdem soll das bis Ende 2012 befristete Verbot der „Preis-Kosten-Schere“ in Dauerrecht überführt werden. Danach dürfen große Mineralölunternehmen ihren Konkurrenten Kraftstoffe nicht zu einem höheren Preis liefern als zu dem, den sie selbst an ihren eigenen Tankstellen von den Endverbrauchern verlangen.

Die Veränderungen in den letzten Tagen seien aber noch nicht der Preisanstieg, der gewöhnlich vor Weihnachten einsetze. „Wir rechnen damit, dass der noch kommt“, sagte Hölzel. Sein Tipp: Jetzt tanken oder es auf die Zeit zwischen den Jahren verschieben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false