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Vergnügte Sozialpartner: Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer (links) und der neue DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann.

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Tarifeinheit für Mindestlohn: Der DGB in der Zwickmühle

Der DGB hat gesprochen: Er ist gegen jede Einschränkung des Streikrechts, aber für die Tarifeinheit. Was macht jetzt die Bundesregierung? Die Arbeitgeber hoffen auf ein Gesetz.

Ob am Ende alles gut wird, ist keineswegs ausgemacht. Und die Einschätzungen, was gut und was schlecht ist, gehen in diesem Fall sowieso weit auseinander. Arbeitgeber und Gewerkschafter bemühten sich am Mittwoch um die Auslegung eines DGB-Beschlusses vom Dienstag: „Der DGB und seine Gewerkschaften lehnen jegliche Eingriffe in die bestehenden Regelungen ab, die das Streikrecht oder die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie beeinträchtigen.“ Dieser Beschluss des DGB-Bundeskongresses klingt eindeutig – und lässt dennoch viele Schlussfolgerungen zu. Jetzt ist die Politik am Zug. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD wollen die Regierungsparteien den Grundsatz der Tarifeinheit (Ein Betrieb, ein Tarifvertrag) „nach dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip unter Einbindung der Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gesetzlich festschreiben“. Das wollte auch die Vorgängerregierung, um einzelnen Berufsgruppen und Spartengewerkschaften das Tarifgeschäft zu erschweren. Es kam nie dazu, weil es Verfassungsbedenken gibt und weil Einschränkungen des Streikrechts inzwischen auch vom DGB abgelehnt werden. Nun versucht es also die große Koalition. Im Herbst vergangenen Jahres, gab es ein Treffen der Gewerkschaftsvorsitzenden mit Angela Merkel und Andrea Nahles, bei dem ein Geschäft abgeschlossen wurde: Die Gewerkschaften bekommen den Mindestlohn und die Arbeitgeber dafür endlich ein Gesetz über die Tarifeinheit. Als dann vor wenigen Wochen Arbeitsministerin Nahles (SPD) das so genannte Tarifautonomiestärkungsgesetz vorlegte, fehlte ein Teil der Verabredung: die Tarifeinheit. Um das hochpolitische Thema vor dem DGB-Bundeskongress nicht zu stark in die Debatte zu bringen, blieb es draußen. Es drohte sowieso schon Ungemach vom Gewerkschaftskongress: Der DGB-Bezirk Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt forderte in einem Antrag „die Bundesregierung auf, das gesetzgeberische Vorhaben zur Tarifeinheit nicht weiter zu verfolgen.“ Wenn der Kongress das beschlossen hätte, wäre das Thema tot gewesen.

Am Montagabend hatten die DGB-Bosse einen Kompromiss gefunden

Es kam anders. Am Montagabend verständigten sich die Vorsitzenden der acht DGB-Gewerkschaften mit dem neuen DGB-Chef Reiner Hoffmann auf die eingangs erwähnte Kompromissformel. Hoffmann und Kollegen wollten nicht wortbrüchig werden gegenüber der Politik und den Arbeitgebern, und sie mussten gleichzeitig den Widerstand in den eigenen Reihen berücksichtigen. Aus Sicht mancher Arbeitgeber ist das in ihrem Sinne gelungen und ein Gesetz nun möglich. Beim federführenden Arbeitsministerium hieß es am Mittwoch, die interministerielle Arbeitsgruppe – beteiligt sind noch Innen- und Justizministerium – „arbeite intensiv daran“, um womöglich noch eine Formulierung für den vorliegenden Gesetzentwurf vorzuschlagen. Das wird knapp: In der ersten Juniwoche ist die erste Lesung im Bundestag geplant, vier Wochen später die zweite. Für Nahles, SPD und Gewerkschaften hat dabei ganz klar der Mindestlohn Vorrang - und um den nicht zu gefährden, werden sie vermutlich eine Regelung der Tarifeinheit im Gesetz akzeptieren. Ob die dann tatsächlich kleinere Gewerkschaften am Streik hindert und dabei aber vielleicht gegen die grundgesetzliche Koalitionsfreiheit verstößt, wird am Ende das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Für Claus Weselsky, Chef der Lokführergesellschaft GdL, ist die Sache jetzt schon erledigt. Der Beschluss des DGB sei „die unmissverständliche Forderung an die große Koalition, diesen Unsinn fallen zu lassen“. Wenn er sich da mal nicht irrt.

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