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Schell

© dpa

Tarifkonflikt bei der Bahn: „Mit Herrn Mehdorn verstehe ich mich gut“

GDL-Chef Manfred Schell über sein Verhältnis zum Konzernchef, die Bilanz nach drei Tagen Streik und seine Kur am Bodensee.

Herr Schell, wie fühlt man sich als Buhmann der Nation?

Ich fühle mich nicht als Buhmann, wenn ich die Interessen meiner Mitglieder vertrete. Und mit Freude nehme ich zur Kenntnis, dass die Deutschen in der jüngsten Umfrage die Ziele und den Streik der GDL weiter unterstützen.

Ist der Streik verpufft? Die Schäden halten sich offenbar in Grenzen.

Nein, die Bilanz ist positiv. Die Bahn spricht ja von schweren Schäden, dem ist nichts hinzuzufügen. In Ostdeutschland ist der Verkehr zum Erliegen gekommen, im Personen- wie im Güterverkehr. Einige wenige ICEs laufen noch, sie werden wohl von Führungskräften gefahren. Im Westen ist die Situation anders, dort gibt es noch 40 Prozent Beamte. Trotzdem fahren S-Bahnen nur ausgedünnt, ganze Regionalzüge sind nicht gefahren, die ICEs eingeschränkt, der Güterverkehr ist fast zusammengebrochen. Wobei wir so nett sind und Kraftwerke mit Kohlezügen bedienen, wo es notwendig ist.

Viele Unternehmen sind auf den Lkw umgestiegen, Kunden nehmen das Auto.

Wenn sich die Kunden und Firmen darauf einstellen, ist das ihr gutes Recht. Die Millionenschäden für die Wirtschaft sind ohnehin nur von Bahn-Lobbyisten in die Welt gesetzt worden – unsere Umfragen bei Firmen bestätigen das nicht.

Sind Sie jetzt frustriert?

Um Gottes Willen. Ich wäre nur dann frustriert, wenn nicht einmal dieser Arbeitskampf den Bahn-Vorstand zum Handeln bewegen würde.

Verkehrsminister Tiefensee sagt, er bemühe sich im Hintergrund um Verhandlungen. Wie muss man sich das vorstellen?

Das weiß ich auch nicht. Im Hintergrund sehe ich ihn nicht, sondern immer nur im Fernsehen.

Was sollte er denn tun?

Das mediale Appellieren kann er sich sparen. Viel wichtiger wäre, er würde den Mehdorn anrufen und den Schell und sagen, hey, setzt Euch zusammen. Dann würden wir uns irgendwo an einer Autobahnraststätte treffen und Tiefensee würde abklopfen, wo die Schmerzgrenze für jeden ist, um daraus einen Kompromiss zu machen.

Wie verstehen Sie sich eigentlich mit Herrn Mehdorn?

Wir sind gar nicht so unterschiedlich, das unterschreibe ich sofort. Es gibt nur ein Problem – er sitzt auf der linken, ich auf der rechten Seite des Tisches. Ansonsten verstehe ich mich recht gut mit ihm. Das steht einer Lösung nicht im Weg, er muss sich nur bewegen.

Wird es jetzt unbefristete Streiks geben?

Das ist der Wunsch unserer Mitglieder. Sie fragen, was das alles noch für einen Sinn hat. Wir haben im Regionalverkehr angefangen, dann bei den Güterzügen weitergemacht, jetzt bestreiken wir alle Sparten zusammen. Wenn sich jetzt immer noch nichts tut, dann fordert unsere Basis, in einen unbefristeten Streik zu treten und so lange zu warten, bis das verhandlungsfähige Angebot der Bahn auf dem Tisch liegt. Ob wir uns im Hauptvorstand dazu durchringen, werden wir nächste Woche sehen. Chancen darauf gibt es.

Und wenn ein Gericht unbefristete Streiks wegen Unverhältnismäßigkeit verbietet?

Die Bahn wird sicher wieder alle juristischen Möglichkeiten nutzen, wenn wir unbefristet streiken. Dann wird sie wieder alle Arbeitsgerichte anschreiben und hoffen, irgendwo einen Treffer zu landen – Tarifpolitik per Schrotflinte. Das würde uns vom Streik aber nicht abhalten – ob in einzelnen Sparten oder in allen, das werden wir kommende Woche sehen.

Sie senden Kompromissangebote aus – die Bahn reagiert darauf aber nicht.

Ich frage mich, was für die Bahn teurer kommt – ein eigenständiger Tarifvertrag mit zehn oder fünfzehn Prozent Lohnsteigerung, oder die Millionenschäden, die ein solcher Arbeitskampf verursacht. Mal ganz abgesehen von den immensen Kosten für Bahn-Zeitungsanzeigen. Der Vorstand muss doch mal sehen, dass die Kosten in keinem Verhältnis stehen.

Wäre die Gründung einer eigenen Gesellschaft für die Lokführer eine Lösung?

Bisher hatten alle Gesellschaften nur den Zweck, die Löhne der Arbeitnehmern zu drücken, siehe Telekom. Es gab ja schon einmal die Sparte Traktion in den 90er Jahren. Wenn das jetzt wieder ein Gedanke sein sollte, mit dem die Bahn umgehen will, dass sie den Transnet-Mitgliedern die gleiche Lohnsteigerung gibt wie uns, wäre das eine Möglichkeit. Aber dazu müssen wir Details wissen. Wir haben die Bahn angerufen und gefragt, ist das Euer Angebot? Die Bahn hat das verneint.

Ihre Streikkasse reicht noch zwölf Wochen, heißt es.

Es gibt offenbar Leute, die wissen das besser als ich – obwohl ich für die Finanzen der GDL zuständig bin. Es geht doch nicht um 12, 14 oder 18 Wochen. Die Frage ist, ob die Republik so lange einen Arbeitskampf aushält. Die Streikkasse der GDL hält mit Sicherheit länger als die Beharrlichkeit des Bahn-Vorstands.

Sie waren neulich zu Kur. Hat der Streit Ihre Erholung schon wieder aufgezehrt?

Ach, die Erholung. Die Kur war mit Arbeit so vollgepackt, dass ich zum Erholen gar keine Zeit hatte. In der ersten Woche hatte ich reichlich Medienvertreter um mich herum, so dass ich durch den Keller in den Speisesaal gehen musste, um nicht behelligt zu werden. Mit meinen Stellvertretern habe ich aber immer in Kontakt gestanden. Hier ist nichts ohne mein Einwirken geschehen. Und vieles, was da reininterpretiert wurde, war dummes Zeug. Das der Kurerfolg nicht der beste war, ist klar, das hatte ich mir entspannter vorgestellt.

Angenommen, die Bahn sitzt den Streik aus. Tritt der GDL-Vorstand dann zurück?

Es ist noch nie ein Vorstand zurückgetreten, weil er das Richtige getan hat. Wir machen so lange weiter, bis wir zum Erfolg kommen.

Das Gespräch führte C. Brönstrup.

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