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Wirtschaft: Tarifpoker um die 35-Stunden-Woche im Osten

In einem Verhandlungsmarathon wollen die Tarifparteien der Metallindustrie in der kommenden Woche einen Abschluss erreichen. Am Montag und gegebenenfalls Dienstag soll der so genannte Entgeltrahmentarif ausgehandelt werden, mit dem langfristig die Angleichung von Arbeiterlöhnen an Angestelltengehälter erreicht wird.

In einem Verhandlungsmarathon wollen die Tarifparteien der Metallindustrie in der kommenden Woche einen Abschluss erreichen. Am Montag und gegebenenfalls Dienstag soll der so genannte Entgeltrahmentarif ausgehandelt werden, mit dem langfristig die Angleichung von Arbeiterlöhnen an Angestelltengehälter erreicht wird. Ab Mittwoch dann geht es ums Geld und um die Laufzeit des Tarifvertrags. Wenn bis zum Ende der Woche keine Einigung zustande kommt, will die IG Metall in der Urabstimmung von ihren Mitgliedern den Arbeitskampf beschließen lassen. Ein Streik könnte dann Anfang Mai beginnen.

Bei der Höhe des Abschlusses wird inzwischen eine Prozentzahl zwischen drei und vier erwartet. Bei der Laufzeit beharrt die IG Metall auf zwölf, der Arbeitgeberverband Gesamtmetall auf 24 Monaten. Einen Lösungsvorschlag für die Laufzeitproblematik hat der ostdeutsche IG-Metall-Chef Hasso Düvel: "Wir wollen zwölf Monate - es sei denn, wir kriegen das Arbeitszeitthema Ost mit verhandelt", sagte Düvel dieser Zeitung. In den neuen Bundesländern liegt die tarifliche Arbeitszeit in der Metallindustrie bei 38 Wochenstunden, im Westen sind es 35. Wenn es in der laufenden Tarifrunde nur einen Abschluss über zwölf Monate gibt, dann kann Düvel ab April 2003 über die Arbeitszeit im Osten verhandeln. Bei einem zweijährigen Abschluss erst ein Jahr später - deshalb will Düvel bereits jetzt einen Stufenplan für die 35-Stunden-Woche Ost.

Das Thema brennt dem Gewerkschafter auf den Nägeln, weil "wir schon zweimal ausgebremst wurden". In den Tarifverhandlungen 1998 und 2000 wurden - im Westen - andere Prioritäten gesetzt, inzwischen gibt es Verdruss im Osten. "Viele Betriebe laufen besser als Unternehmen im Westen weil sie produktiver sind", sagt Düvel. Doch "die Leute arbeiten einen Monat umsonst", wenn die höhere Wochenstundenzahl auf das Jahr hochgerechnet werde. Derzeit hat die IG Metall rund 306 000 Mitglieder in den östlichen Bundesländern.

Düvel zufolge ist eine längere Laufzeit des Tarifvertrags für den IG Metall-Vorstand kein Tabu, "bei komplexeren Abschlüssen waren zwölf Monate für uns nie ein Dogma". Aktuell "muss das Element der Angleichung Ost dabei sein". Dabei geht der Ost-Gewerkschafter nicht davon aus, dass die 35 Stunden in einem Schritt erreicht werden können; jetzt sei vielmehr "die Zeitschiene" der Angleichung festzulegen. Ob sich die IG Metall jedoch zum zweiten Mal nacheinander auf einen Tarifabschluss über zwei Jahre einlässt, ist sehr fraglich. Im gegenwärtigen Tarifstreit ist zum Beispiel oft die Rede von "nachholender Erwartung", weil im vergangenen Jahr die Unternehmen satte Gewinne kassiert, die Beschäftigten aber nur mickrige Lohnerhöhungen gekriegt hätten.

Noch schwieriger als bei der Laufzeit dürfte die Kompromissfindung bei der Lohnzahl sein. Die IG Metall will 6,5 Prozent, die Arbeitgeber bieten für dieses und das kommende Jahr jeweils zwei Prozent an und verweisen auf die schwache Konjunktur. Am Donnerstag mischte sich der Wirtschaftssachverständige Jürgen Kromphardt via "Bild"-Zeitung in den Tarifstreit ein. Ein Lohnabschluss von 3,4 Prozent sei "eine gute Marke". Der IG Metall-Bezirkschef von Baden-Württemberg, Berthold Huber, wies Kromphardts Äußerungen allerdings zurück. "Die Weisen sollen ihre Weisheiten für sich behalten, das wäre ganz vernünftig", sagte Huber in der ARD. Die IG Metall wisse, "was sie will, und was sie den Beschäftigten schuldig ist". Die Arbeitnehmer wollten in den Tarifverhandlungen "eine faire Beteiligung" erreichen, sagte Huber, der in Baden-Württemberg einen Pilotabschluss für die gesamte Republik aushandelt.

An den Warnstreiks der IG Metall beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaft am Donnerstag bundesweit wieder mehrere zentausend Beschäftigte. Ein Schwerpunkt der Protestaktionen habe in Nordrhein-Westfalen gelegen, wo nach Angaben der IG Metall rund 52 000 Arbeitnehmer aus 246 Betrieben an den Warnstreiks teilnahmen. In Bayern beteiligten sich den Angaben zufolge über 21 000 Beschäftigte an den kurzfristigen Arbeitsniederlegungen. Die Warnstreiks sollen am Freitag weiter verstärkt werden.

alf

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